Antike Sozialkämpfe

suebenknoten

Foto: Suebenknoten am Kopf der Moorleiche von Osterby. Credits: Wikipedia. Offenbar die Vorwegnahme einer heutigen Hipster-Frisur für Männer.

Neulich erwähnte ich Tacitus‘ Germania. Mittlerweile habe ich das Werk durchgelesen.

Danach erst nahm ich mir die Einleitung vor. Dort las ich erstaunt: Entstanden war das römische Kaisertum aus dem Bestreben der herrschenden Klasse heraus, die Gefahren von Sozialkämpfen und Sklavenaufständen zu bannen und die bestehenen Gesellschaftsverhältnisse aufrechtzuerhalten.

Wie meinen? Die Diskussion hatten wir schon beim Thema Spartacus. Das ist lupenrein marxistisch, wenn nicht gar materialistisch-dialektisch (oder umgekehrt) gedacht! Klassenkampf und so was.

Das Problem ist: Wie haben die zahlreichen Aufstände der Sklaven gewirkt? Was haben sie verändert? Der Aufstand des Spartacus war der größte, der am besten organisierte, aber bei weitem nicht der einzige – auch nach der Niederlage kämpften einzelne Gruppen noch jahrelang weiter. Mehr dazu hat Brent D. Shaw: Spartacus and the Slave Wars: A Brief History with Documents (2001) (leider in Englisch – aber man kann sich die von ihm zitierten Quellen in deutscher Übersetzung besorgen).

Angesichts der Sklavenaufstände wurde es für die herrschenden Klassen Roms ineffektiv und zu gefährlich, in relevanten Segmenten der Ökonomie Sklaven einzusetzen. Das lässt sich auch durch die Quellen belegen.
Wie die Römer trotz des Sieges über die Sklaven die Sklavenhaltung aufgeben mußten. Bilanz des Sklavenkrieges – Zunehmende Unrentabilität der Sklavenhaltung – Kein Nachschub mehr – Vermehrte „freie“ Arbeit – Weitere Aufstände von Sklaven und Unfreien – Zunahme der Nichtrömer im Römischen Reich – Abbröckeln der römischen Macht – Das Christentum breitet sich als Sklavenreligion aus, behindert aber bald die Sklavenbefreiung – Absterben der Sklavenhaltung im Übergang zum Mittelalter.

Das System der Sklavenhaltergesellschaft als vorherrschende Produktionsform wurde aus vielen Gründen abgeschafft, nicht nur aus Angst vor neuen Aufständen. Man könnte aber die These aufstellen, dass der Wandel des „Überbaus“ von der Republik zur Diktatur des Kaiserreichs durch den Klassenkampf der Sklaven verursacht wurde. (Bürgerliche Historiker können hier leider nicht mitreden, weil für die Klassen und Klassenkämpfe gar nicht existieren bzw. stattfinden.)

Könnte es sein, dass sich – im Jahr des Herrn 2009 – in ein Vorwort zur Ausgabe von Tacitus‘ Germania marxistische Thesen eingeschmuggelt haben, ohne dass die Leser vor so einem gefährlichen Gedankengut (Sozialkämpfe!) gewarnt werden? Muss der Verfassungsschutz das nicht beobachten? Wer ist der Verfasser?
Dieses Werk erschien erstmals als Band 100 der Sammlung Dieterich unter dem Titel: Germania. Zweisprachig. Übertragen und erläutert von Arno Mauersberger, Leipzig, Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung 1942.

1942! Das ist ja hochaktuell und muss auch 67 Jahre nach dem ersten Erscheinen vom Anaconda Verlag in Köln gar nicht mehr verbessert werden. Har har.