Was ist drin in Griechenland? (Teil 2)

revolutionäre Bauern

Bild: Revolutionäre Bauern attackieren einen Feudalherrn aka „Ritter“, deutscher Bauernkrieg, 1524-25

Vorsicht! Warnung! Das ist ein anspruchsvoller, dröger und langer Text, der zudem historisches Wissen und die Kenntnis einiger wissenschaftlicher Begriffe voraussetzt!

Ja, ich darf hier in der Geschichte herummäandern. Oder, wie es bei Heinrich von Kleist sinngemäß heißt: „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Bloggen.“ Wir diskutierten im ersten Teil den Klassenkampf in der Antike, warum Sklavenarbeit „fortschrittlicher“ war als die Arbeit isolierter Kleinbauern, und warum die Produktionsverhältnisse der antiken Sklavenhaltergesellschaft „reaktionärer“ waren als die im Feudalismus, wenn man sich anschaut, wie und wann sich die Produktivkräfte entwickeln können.

Warum das Ganze? Ich mache mir Gedanken über die Geschichte, um zu verstehen, was heute in Griechenland möglich ist, Revolution oder nicht, Reparatur des Kapitalismus oder nicht. Natürlich kann man aus der Geschichte lernen: Sie wiederholt sich, aber unter jeweils verschiedenen Bedingungen.

Der Aufstand der Ciompi und die Forderungen der Mansfelder Bergknappen im Bauernkrieg sind nur ein winziger Ausschnitt der europäischen Geschichte, der aber die Richtung zeigt, wohin es geht – und deswegen ist das aktuell: „Revolutionär“ kann man nur sein, wenn man das System ändern will. Aber wie soll das gehen für einen Bauern oder einen Bergknappen im 16. Jahrhundert? Was hätten diese fordern können, wenn nicht den Kapitalismus? Der wurde bekanntlich erst 300 Jahre später zur vorherrschenden Form der Produktion. Die Ciompi und die Bergarbeiter waren die erste Proletarier, die nichts zu verkaufen hatten als ihre Arbeitskraft. Das aber war im 16. Jahrhundert oder früher ein Einzelfall, heute ist es die Regel (dafür sind Kleinbauern die Ausnahme).

Wikipedia, ein bisschen schwammig: „Der Bauernkrieg von 1523 bis 1526 war nicht plötzlich über die deutschen Territorien eingebrochen. Vielmehr gehört er in eine lange Reihe von europäischen Aufständen und Widerstandsaktionen, die sich vom Spätmittelalter bis in die Neuzeit zieht. (…) Auch die zahlreichen Bürgererhebungen in vor allem südwestdeutschen Städten zwischen 1509 und 1514 waren zumeist von den ärmeren und unterprivilegierten Schichten getragen und gegen die ökonomischen und politischen Privilegien der Patrizier und des Klerus gerichtet gewesen.“

Die Ideen, was möglich ist und was nicht, fallen nicht einfach vom Himmel. Erst im 19. Jahrhundert hatte sich das Bürgertum ökonomisch so weit etabliert, dass es politishe Rechte für sich als Klassen einfordern konnte – in Frankreich temporär erfolgreich, in Deutschland endete 1848 der Versuch zu revoltieren wieder einmal in einer Katastrophe und dem Trimph der Reaktion.

paris

Aber schon während kurz nach der französischen Revolution gab es einen Moment, der in die Zukunft wies, aber letztlich scheitern musste – die Pariser Commune, der erste Versuch eine sozialistischen Regierung überhaupt. Das Thema kommt natürlich im Geschichtsunterricht in deutschen Schulen so nicht vor, das ist viel zu gefährlich. Man lernt viel über die herrschende Propaganda, wenn man sich anschaut, was bewusst weggelassen wird.

Wikipedia: „Während der Pariser Kommune entstand die erste feministische Massenorganisation mit der Union des femmes pour la défense de Paris et les soins aux blessés unter dem Einfluss der russischen Aristokratin Elisabeth Dmitrieff und der Buchbinderin Nathalie Lemel. Die Frauen verlangten und bekamen in dieser kurzen Zeit erstmals das Recht auf Arbeit und gleichen Lohn wie Männer und erstritten weitere Rechte wie die Gleichstellung ehelicher und nicht ehelicher Kinder sowie die Säkularisierung von Bildungs- und Krankenpflegeeinrichtungen. Frauen wie Louise Michel kämpften auf den Barrikaden mit.“

Das ist noch nicht einmal heute umgesetzt. Man braucht Marx nicht, um das historisch einzuordnen, aber er hat es nun mal einprägsam formuliert:

In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt.
Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt.
(Karl Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie)

Im dritten und letzten Teil (hoffentlich morgen) werde ich versuchen zusammenzufassen, was mich das alles lehrt und was ich den Griechen empfehle.