Interstellarer Bullshit

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Kürzlich habe ich mir – zusammen mit meiner Lieblingsfreundin – den Science-Fiction-Film „Interstellar“ angesehen. Da wir beide einen ähnlichen Geschmack haben, wunderte es mich nicht, dass wir auch beide mit dem Gedanken spielten, den Film vorzeitig zu verlassen und stattdessen etwas Netteres zu machen. Was für ein langweiliger Bullshit!

Nichts gegen die Musik, die Schauspieler oder die technischen Effekte. Auch der Plot ist theoretisch gut und wissenschaftlich durchdacht. Aber wie er umgesetzt ist, geht auf keine Kuhhaut, so to speak. Politisch reaktionär bis auf die Knochen ist das Machwerk auch noch. Kein Wunder, dass US-Amerikaner ihn mehrheitlich positiv bewerten.

Man muss zugeben, dass zwei kinderlose Singles nicht die besten Rezenseure sind, wenn in einem Film die Kleinfamilie und die dazu passenden Gefühle tränenschniefend zum x-ten Mal als das Einzige hingestellt wird, für das es sich zu leben lohnt. Wer aber von der Zukunft reden will, muss die Gesellschaft dazunehmen.

Die Botschaft kommt immer klarer rüber, wenn man sich überlegt, was der Regisseur weglässt: In „Avatar“ hat der Kapitalismus alles ruiniert, und die Zukunft liegt auf dem Land auf einem grünen Dschungelplaneten. Flucht ins Weltall löst eben nichts. Es ist doch eine intellektuelles ‚Armutszeugnis, wenn niemanden – und US-amerikanischen Regisseuren schon gar nicht – eine Zukunft zumindest theoretisch einfällt, in dem nicht „die Märkte“ als höheres Wesen angebetet werden. Da war die Science-Fiction in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts schon viel weiter. Man merkt die heutige freiwillige politische Selbstkontrolle zugunsten der Kapitalismus-Apologetik in jeder Sekunde.

Also Leute: Ein Vater, der durch ein Wurmloch reist, und danach seine Tochter trifft, die älter ist als er selbst – das Thema kennen wir doch wesentlich besser aus der siebten Reise des Ijon Tichy (1957!), der – in einer Gravitationsschelife gefangen – sich selbst so oft begegnet, dass die Rekete völlig überfüllt ist von Iljon Tichys verschiedener Alterstufen, die sich natürlich erbittert streiten. Der Leser kugelt sich dabei vor Lachen. Bei „Interstellar“ musste ich nur gähnen.

Theoretische Physik, Wurmlöcher, Relativitätstheorie und so ein Zeug: Das könnt ihr nicht in einen Film packen, der auch in US-Kinos laufen soll. Es läuft dann immer darauf hinaus, dass „Wissenschaftler“ sich gegenseitig mit primitivsten Methoden das kleine Einmaleins erklären, damit die Zuschauer auch wissen, worum es eigentlich geht. Raumkrümmung? Da nimmt ein Astronaut ein Stück Papier („das ist jetzt der zweidimensionale Weltraum“), krümmt es und sticht mit einem Bleistift ein Loch durch beide Hälften („da fliegen wir jetzt durch“). Das hatten die anderen Astronauten bestimmt in der Astronautenschule nicht gelernt. Vielleicht hätten sie noch Schrödingers Katze als blinden Passagier mitfliegen lassen sollen.

Staubstürme und Kleinfarmer (in der Zukunft gibt es in den kapitalistischen USA noch Kleinfarmer?), die ruiniert werden? Komplett geklaut von John Steinbeck und „Früchte des Zorns“ (erschienen 1939), der aber, was die soziale Frage angeht, viel mehr über die Zukunft aussagt als „Interstellar“.

Ich könnte noch stundenlang so weitermachen. Das ist der Film aber nicht wert. Schade um das Eintrittsgeld.

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