Operative Nutzbarkeit Schrodt

stasi-akten

Ich habe mir heute zum zweiten Mal meine Stasi-Akten beim BStU angesehen. Seit den frühen 90-er Jahren sind noch einige Unterlagen hinzugekommen. Jetzt weiß ich, dass das Ministerium für Staatssicherheit der DDR mich anwerben wollte („Schrodt“ hätte mein Deckname sein sollen), dabei aber gescheitert ist.

stasi-akten

Am 28.07.1983 heißt es über den „Sachstand HP ‚Schrodt‘ Burkhard Schröder:

… Student an der FU, Fachrichtung Geschichte, wurde im Zusammenhang mit Aktivitäten maoistischer Gruppierungen der BRD und WB [Westberlin] bekannt. Entsprechend Ministerbefehl 22/74 wurde er erfaßt und bei der HA VI in Sonderfahndung gestellt. [Es folgt eine Liste, wann ich die DDR im Transit durchquert hatte und wann ich bis dahin Tagesbesuche in Ost-Berlin gemacht hatte.] Laut Inf. der HA VI äußerte sich Sch. 1981 bei der Abfertigung an der Güst [Grenzübergangsstelle] Invalidenstraße abfällig über das Fach Geschichte an der FU, insbesondere über die Lehrtätigkeit eines russischen Emigranten. In diesem Zusammenhang bekundete Sch. die Absicht, das Museum für deutsche Geschichte aufsuchen zu wollen.

stasi-akten

Danach – das geht aus den Akten hervor – hat die Stasi versucht, mehr über mich zu erfahren. Ein IM berichtet zum Beispiel über meinen Besuch einer Veranstaltung Thomas Gandows in West-Berlin und legt eine Kopie meiner Visitenkarte bei (die muss ich dem wohl gegeben haben, ich kann mich aber nicht mehr erinnern, wer das war). Dazu auch noch Kopien von Adressbüchern (!), in denen Firmen und Vereine angekreuzt sind, die ebenfalls in dem Haus in Kreuzberg residieren, in dem ich damals wohnte.

Den Informanten (es taucht meistens der „IM Holger“ auf) fiel auch auf, dass ich mich an der FU kritisch gegenüber der „bürgerlichen Geschichtswissenschaft“ ausgesprochen hatte. Es gefiel der Stasi aber offenbar gar nicht, dass ich mit Oppositionellen der damaligen ČSSR verkehrte, die „Hetzschriften“ versuchten „in die sozialistischen Staaten“ zu schmuggeln, und dass ich mit einem Mitglied der Charta 77 sogar nach Prag gefahren war, um mich unter konspirativen Umstäden mit Petr Uhl zu treffen. (Wikipedia: „Petr Uhl war in den 1970er Jahren eine der Identifikationsfiguren des marxistisch orientierten Widerstandes gegen die sowjetische Hegemonie in der Tschechoslowakei.“) Immerhin kenne ich jetzt wieder meine Autokennzeichen von damals.

Aus dieser Zeit stammt auch der Satz in den Akten: „Das Objekt [B.S.] ist Bartträger, sauber, aber nicht modern gekleidet und macht den Eindruck, nicht besonders gesprächig zu sein.“

stasi-akten

Als die Stasi aber merkte, dass ich der DDR gegenüber kritisch eingestellt war – und zwar von einer linken Position aus -, und da es auch keine Kontaktpersonen in der DDR gab, entschloss man sich, einen eventuellen Anwerbungsversuch nicht mehr zu unternehmen. Ab Ende 1981 hatte ich dann Einreiseverbot. Darüber habe ich aber noch immer keine Details gefunden. Ich wüsste auch gern mehr über den ominösen „Ministerbefehl 22/74“ (mit Minister dürfte Erich Mielke gemeint sein). Dazu konnte man mir nichts sagen.

Nachdem mein westdeutscher Reisepass voller Stempel vieler Länder Lateinamerikas war, kam noch der bloße Vermerk „internationaler Terrorismus“ hinzu, ohne weiteren Kommentar. Eine Sachbearbeitern erklärte mir, das habe die Stasi „vorsorglich“ gemacht.