Das doppelte DJVchen, revisited

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„Es gibt manche Leute, die nicht eher hören können, bis man ihnen die Ohren abschneidet.“ (Georg Christoph Lichtenberg)

Wenn unter Journalisten Hauen und Stechen angesagt ist, mische ich gern mit. Die Sache wird nämlich immer doppelt interessant, wenn man hinter die Kulissen blickt: Die Öffentlichkeit interessiert sich nicht für Vereinmeierei, spannend ist also, was nicht berichtet wird, vom wem – und wer wie involviert ist. So war es beim Deutschen Journalistenverband (DJV) schon oft. Deren Vereinsblättchen „Journalist“ hat sich nicht mit investigativem Ruhm bekleckert, wenn es um die eigenen Querelen und die unzähligen Prozesse ging, mit dem man sich seit 10 Jahren gegenseitig überzogen hat.

Aktuell berichtet der geschätzte Kollege Daniel Bouhs (kann verschlüsseln!) in der Taz (05.05.2014) und zeitnah im medium magazin (nicht online verfügbar) erfreulich korrekt über die Situation in Berlin. Dort gibt es gleich zwei Landesverbände des DJV, den DJV Berlin (das Original – dort bin ich Mitglied) und den JVBB (eine Abspaltung vom DJV Berlin). Ich habe darüber hier und anderswo seit 2004 unzählige Male geschrieben; zu einigen Details empfehle ich zum Beispiel Telepolis („Kein Platz für Rechtsextremisten“ beim Deutschen Journalisten-Verband?“, 12.06.2004) oder auf dem Recherchegruppe-Blog („Krise? Welche Krise?“, 02.11.2005) Wie immer ging und geht es um Geld, aber auch um Pöstchen. Ich schrieb 2006: „Zum Glück habe ich im DJV Berlin nicht viel zu sagen, sonst würde ich sofort militärisch-juristische Maßnahmen anordnen. Meine Rolle beschränkt sich nur darauf, bei Bedarf den Vorstand zu stürzen.“

Was also steht jetzt auf der Agenda? Eine Fusion beider Landesverbände in Berlin? Bouhs schreibt in der Taz:
Es ist fast alles geklärt. Der jüngere JVBB soll im Berliner Altverband aufgehen, aus jeweils knapp 2.000 ein knapp 4.000 Mitglieder starker Hauptstadtverband werden. Was der Einigung noch im Wege steht, ist mitunter richtig peinlich: Die bisherigen Vorsitzenden – Alexander Fritsch (JVBB) und Bernd Lammel (DJV Berlin) – können sich nicht darauf einigen, wer dann führen darf, ob keiner von beiden, alle beide oder ein Neuer nach freier Wahl.

Das ist zwar irgendwie richtig, aber man sollte vielleicht noch ein paar für Vereinsmeier interessante Details hinzufügen, warum das so ist. Die Mitgliederversammlungen des abgespaltenene Verbands JVBB waren in letzter Zeit nicht so gut besucht – weniger als rund fünf Prozent der Mitglieder waren interessiert, sich das anzutun. Beim DJV ist das besser. Und vermutlich fürchtet man beim JVBB, dass man bei einer Fusion rein stimmenmäßig gnadenlos untergebuttert wird, wenn es darum geht, die ach so wichtigen Pöstchen zu verteilen. Zugeben würde das natürlich niemand. Merke, wie schon Lichtenberg sagte: „Die kleinsten Unteroffiziere sind die stolzesten.“ Deswegen hat der JVBB offenbar ein Interesse daran, sich bei der Fusion die Pöstchen und deren Anzahl vorab abzusichern. Beim DJV Berlin ist man da lässiger: Der Vorstand kann sich auch komplette Neuwahlen aller Ämter vorstellen.

Nun muss ich bekennen, dass ich auch kein Kind von Traurigkeit bin. Wenn man mir dumm kommt, setze ich gern auf einen groben Klotz einen groben Keil. Ich erinnere mich heute noch mit diebischem Vergnügen an einen Tag im Jahr 2004 (wenn ich mich recht erinnere), als ich mit einer einstweiligen Verfühgung in der Hand und einer Gerichtsvollzieherin neben mir in die Geschäftsstelle des DJV Berlin einmarschierte, um mir die Teilnahme an der Sitzung des erweiterten Vorstands zu erzwingen. Der damalige Vorsitzende hatte mich nicht eingeladen, obwohl ich gewählt worden war. Die Damen und Herren spritzten panisch auseinander, so dass sogar die Gerichtsvollzieherin schmunzeln musste. Ein Vereinsmitglied, das sich seine Rechte erkämpft? Das hatte es ja noch nie gegeben.

Da ich seit 2004 ständig Interna und andere unerfreuliche Dinge über alle Beteiligten auf meinen „Recherchegruppe“-Blog publizierte, habe ich zahllose Feinde außerhalb des eigenen DJV-Landesverbands (in dem die Guten gewonnen haben). Kritik ist im DJV oft nicht erwünscht. Das ist aber in anderen Vereinen nicht anders. Der Vorstand des abgespaltenen Berliner DJV-Landesverbands JVBB (der 2006 noch VBJ hieß), schäumte in einem Brief an den Vorstand des damaligen Konkurrenzverbands DJV Berlin über mich:
Auf seiner Internet-Seite äußert sich das Mitglied des DJV Berlin, Burkhard Schröder, zum wiederholten Male über den Verein Berliner Journalisten. (…) In der von Herrn Schröder bekannten und für seine vermeintlich journalistische Tätigkeit typischen Mischung aus (wenigen) Tatsachen, (vielen) Halbwahrheiten und (vor allem) Unwahrheiten wird dabei (…) der VBJ verunglimpft, Das für sich wäre angesichts des Autors und seiner zweifelhaften Reputation nicht weiter erwähnenswert.

Da ist aber ein Nerv getroffen worden. Wenn ein Journalist Unwahrheiten verbreitet, könnte man ja juristisch dagegen vorgehen…

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Nach dieser langen Vorrede aber kommen wir jetzt zum heutigen Thema. Mir wurde da eine E-Mail aus dem JVBB zugespielt, also dem Verein, der gerade eine fragwürdige „Online-Umfrage“ über die Fusion gestartet hatte. Ein Mitglied schreibt an den erweiterten Vorstand des JVBB, die „Einladung zur Umfrage“ hinterlasse „noch mehr Fragen, als ich sowieso schon habe, was den Stand der längst beschlossenen Fusion mit dem DJV Berlin anbetrifft.“ Und jetzt kommt ein kleiner Sprengsatz:

Ich verstehe nicht, wie irgendeinem Kandidaten von vornherein schädliches Handeln unterstellt werden kann. Aber genau das tut der Text. Weiterhin suggeriert der Text, dass es jeweils nur einen Kandidaten pro Verband um den neuen Vorsitz geben würde. Eine Unterstellung, die mich unmündig fühlen lässt in einem Verband, der Loyalität, Solidarität und Kollegialität in seiner Satzung verankert hat. Demokratie funktioniert per Definition anders.

Ich stelle hiermit den offiziellen Antrag auf eine außerordentliche Mitgliederversammlung. Dabei berufe ich mich auf die Satzung des JVBB.

Da müssen wir jetzt zur Bibel des deutschen Vereinslebens greifen, die liegt bei mir immer auf dem Schreibtisch – eingedenk der Weisheit: Wer die Regeln kennt, hat gewonnen. „Der eingetragene Verein – Gemeinverständliche Erläuterung des Vereinsrechts unter Berücksichtigung neuester Rechtsprechung mit Formularteil“. Wer dieses Buch auswendig kennt, braucht vereinsinterne Kriegs- und Kampfhandlungen nicht mehr zu fürchten.

Vereinswelt.de fasst das Thema ganz richtig zusammen:
Eine außerordentliche Mitgliederversammlung findet auch dann statt, wenn eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern einen entsprechenden Antrag stellt. Ist die Mindestzahl in der Satzung nicht angegeben, müssen mindestens 10 % der Mitglieder diesen Antrag stellen (§ 37 BGB). In der Satzung können abweichende Regelungen getroffen werden, beispielsweise 1/3 der Mitglieder als Mindestzahl.

Da sieht man schon die schwere juristische Artillerie am Horizont. Im Gesetzestext heißt es nämlich drohend – wenn der betreffende Vorstand dem formgerechten Verlangen eines Mitglieds nach einer außerordentlichen Mitgliederversammlung nicht nachkommt:
Wird dem Verlangen nicht entsprochen, so kann das Amtsgericht die Mitglieder, die das Verlangen gestellt haben, zur Berufung der Versammlung ermächtigen; es kann Anordnungen über die Führung des Vorsitzes in der Versammlung treffen. Zuständig ist das Amtsgericht, das für den Bezirk, in dem der Verein seinen Sitz hat, das Vereinsregister führt.

Sehr hübsch. Man kann sich vorstellen, wie Vereinsvorstände ausnahmslos reagieren, wenn ein Mitglied die „Berufung auf Verlangen einer Minderheit“ bemüht. Richtig. Salopp gesagt: Sie kotzen ab.

Natürlich, so informierten mich gewöhnlich gut unterrichtete Kreise, sperrte sich auch der Vorstand des JVBB dagegen. Demokratie von unten oder gar ausreichende Informationen an die da unten? Igitt. Wo kämen wir denn da hin.

In der Satzung des JVBB (die ich online nicht gefunden habe, was vielleicht kein Zufall ist), heißt es:
Will ein Mitglied eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen lassen, so ist ihm vom Vorstand unverzüglich die Möglichkeit einzuräumen, über die Geschäftsstelle alle Mitglieder von dem Vorhaben zu informieren. Dabei darf die Information keine anderen Inhalte haben als die Ankündigung des Vorhabens, die Angabe eines Grundes sowie eine Kontaktadresse des betreffenden Mitglieds. Weitere Kommentare oder Zusätze sind unzulässig.
Die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung hat unverzüglich nach Eingang des entsprechenden Antrags zu erfolgen. Abweichend von § 6 Abs. 5 wird eine außerordentliche Mitgliederversammlung durch schriftliche Einladung aller Mitglieder unter Angabe einer Tagesordnung mindestens zwei Wochen vor dem Versammlungstermin vom Vorstand einberufen.

Die Pointe ist ja, dass man die Mitgliederliste einsehen muss, wenn eine Minderheit im Verein eine Versammlung wünscht, um eben diese benachrichtigen zu können. Der Bundesgerichtshof hat dazu einschlägig geurteilt:
Ein berechtigtes Interesse eines Vereinsmitglieds, Kenntnis von Namen und Anschriften der übrigen Mitglieder zu erhalten, kann auch außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs des § 37 BGB bestehen, wenn das Mitglied nach den Umständen des konkreten Falles die in der Mitgliederliste enthaltenen Informationen ausnahmsweise benötigt, um das sich aus seiner Mitgliedschaft ergebende Recht auf Mitwirkung an der Willensbildung im Verein wirkungsvoll ausüben zu können.

„Dummerweise“ und zum Missvergnügen von Vereinsvorständen kommt bei einem solchen Procedere auch immer heraus, wie viele Mitglieder ein Verein wirklich hat; deren Zahl wird ja gern und oft ein wenig nach oben geschummelt.

Die Gerichte verstehen keinen Spaß, wenn es darum geht, den Mitgliedern eines Vereins, die vom Vorstand oder anderen gemobbt werden, die „Mitwirkung an der Willensbildung“ zu erzwingen. Deswegen ist es auch ausgesprochen schwierig oder fast unmöglich, ein Vereinsmitglied (eine Partei wird juristisch wie ein Verein behandelt) auszuschließen, wenn dieses Mitglied sich entschlossen zur Wehr setzt. Auf dem Höhepunkt des Hauens und Stechens im DJV Berlin – vor einem Jahrzehnt – versuchte der damalige Vorstand drei Mal, mich unter fadenscheinigen Gründen rauszuwerfen. Die Richter am Landgericht Berlin machten immer kurzen Prozess und traten die Anträge auf meinen Ausschluss schon nach wenigen Minuten in die Tonne, und kommentierten die Sache, weil sie vermutlich ahnten, was der wahre Anlass war, mit dem strengen Hinweis an die Antragsteller: „Vereinsinterne Kritik am Vorstand ist erlaubt.“

Man darf also gespannt sein, wie es bei den journalistischen Vereinsmeiern in Berlin weitergeht (wen das interessiert). Vielleicht gewinnen ja auch im JVBB irgendwann mal die Guten. Ihnen ist ein „Langer Atem“ zu wünschen.