„Ärgerlich“ oder „nicht informativ“ gilt für fast alle Artikel, die in deutschen Medien die Ökonomie im weiteren Sinn zum Thema haben. Aktuelle Beispiele: Welt online: „Südeuropa verlangt von der EZB eine neue Bazooka“. Von diesem Artikel schreibt Spiegel online ab: „Schuldenkrise: Südeuropa fordert drastische Maßnahmen der EZB“. Jedes Wort trieft vor Suggestion, nichts wird erklärt. Natürlich fehlt auch die abgedroschenste aller Phrasen nicht: „Konjunktur ankurbeln“. (Wie kurbeln die eigentlich und womit und was ist gemeint?)
Schuldenkrise? Welche Schuldenkrise? Hatten wir nicht eine „Eurokrise“? Und war nicht die Immbobilienblase in den USA der Domino-Stein, der zuerst umkippte, bis einige Leute merkten, dass zahlreiche Banken sich verzockt hatten mit real nicht existierenden Werten? Ich frage mich ernsthaft, ob Journalisten, die einen derartigen Quark breittreten, überhaupt noch nachdenken oder ob sie den Anspruch erheben, Fakten und Hintergründe zu erläutern oder ob sie schlicht die Textbausteine der AgitProp-Abteilung des Kapitals und dessen Lobbyisten übernehmen, um das Artikelhonorar leicht einzustreichen. Es kann doch nicht ernsthaft jemand meinen, es sei „Journalismus“, wenn man alle „Ökonomen“, die sich „Volkswirtschaftler“ schimpfen, befragt, die nicht bei drei auf dem nächsten Marktbaum sind?!
Es lohnt sich, ins Detail zu gehen. Das Thema scheint hier offenbar um den Preis des Geldes zu sein, das Banken verleihen. Wieviel Geld da ist, hat nichts mit den realen Werten zu tun, die das Geld representieren sollte. Man merkt schon beim ersten flüchtigen Hinsehen, dass es hier nicht um antropologische Konstanten oder Variablen wie das Wetter geht, sondern dass man eine Werttheorie haben müsste, um bestimmte Dinge wissenschaftlich, also theoretisch und empirisch darstellen zu können. Florian Eder und Sebastian Jost hingegen tun so, als sei das alles völlig wurscht: „Die Notenbank würde damit zusätzliche Milliarden in den Wirtschaftskreislauf pumpen, was das Wachstum beflügeln sollte. Tendenziell steigen damit auch die Preise.“ Ach? So einfach ist das also.
Und was genau war noch mal „Wachstum“? Der quantitive Ausstoß an Produkten? Der Anstieg der Profitrate des Kapitals? Die Schere zwischen Betriebskosten und Gewinn? Wann warum steigen Preise um wieviel und was hat das mit der Geldmenge zu tun? Es wäre doch nett, wenn uns verraten würde, auf welche der zahllosen „Schulen“ der so genannten „Volkswirtschafts“lehre man sich hier beruft. Die widersprechen sich nicht nur untereinander, sondern erheben auch nicht den Anspruch, etwas mit Wissenschaft zu tun zu haben. Motto ist, wie gehabt und wie bei den Angehörigen der Glaubensgemeinschaft Freier Markt(TM) so üblich: „Wir haben zwar keine Ahnung, wovon wir reden, das aber volle Pulle.“
„Der konjunkturelle Effekt ist jedoch nur der erste Teil des Spiels.“ Wenn man das Gefasel auf den Punkt bringt: Soll die Europäische Zentralbank mehr Staatsanleihen derjenigen Länder kaufen, deren Produktion den Bach runtergeht und/oder deren Banken sich selbst ruiniert haben? Über das System der Staatsanleihen ist hier schon alles, was nötig ist, geschrieben worden („Unter Schnellballsystemikern und Couponschneidern“, 03.08.2012) Ich habe keine Lust, das zu wiederholen.
Mein Lieblingssatz im Artikel von Welt online ist dieser hier – und er ist auch bezeichnend für das intellektuelle Niveau unserer Klippschulen-Volkswirtschaftler, deren vernebelten Gehirne nur genauso neblige Sätze und sprachgeschluderte Phrasen erlauben: Mit der Ankündigung aus dem vergangenen Sommer, im Bedarfsfall und gegen Auflagen Staatsanleihen kriselnder Länder auf dem Sekundärmarkt aufzukaufen, brachte die Zentralbank Ruhe in die aufgeschreckten Finanzmärkte.
Die aufgeschreckten Finanzmärkte. Wieso denke ich jetzt an den Genossen Wolf Schneider: Deutsch für Profis Lenin: Wer wen? Wer tut eigentlich was? Das zu beschreiben, ist die wesentliche Aufgabe von Journalisten. Wie kann man „Märkte“ erschrecken? Und was will uns der Künstler damit sagen?
Ich gewann beim Lesen den Eindruck, den Autoren kommt es nur darauf an, ihr Pseudo-Insider-Wissen zur Schau zur stellen: In den Krisenländern schielt man jedoch noch weiter, auf eine Maßnahme, die unter „quantitativer Lockerung“ firmiert, im Fachjargon „quantitative easing“ oder QE genannt.
Fachjargon? Das wäre so, als nennte man „Halleluja“ und „Amen“ den „Fachjargon“ der Verehrer höhere Wesen, was – zugegeben! – nicht ganz fern liegt. Bei Wikipedia wird das noch einmal hübsch verschwurbelt dargelegt:
Quantitative Lockerung, auch monetäre Lockerung englisch quantitative easing, ist die Geldpolitik einer Zentralbank, die zum Einsatz kommt, wenn der Zinssatz der Zentralbank bereits auf null oder fast auf null gesetzt wurde und weiterhin eine expansive Geldpolitik angesagt ist. In diesem Fall kauft die Zentralbank Anleihen, private oder Staatsanleihen, um weiterhin die Wirtschaft und den jeweiligen Staat mit mehr Geld zu versorgen. Im Ergebnis nehmen die Aktiva der Zentralbanken zu.
Haaaaaalt! Um was genau geht es? Hütchenspieler, aufgemerkt: Finanzkapitalismus at its best! Die jeweilige Zentralbank kauft also Staatsanleihen über den staatlich festgelegten Prozentsatz hinaus. Das bedeutet: Man tut so, als würde in der Zukunt produziert und als würden Werte geschaffen, für die es dann ein papiernes Äquivalent (Geld) geben sollte. Jetzt fragt man sich: Und was ist, wenn nicht? Wenn die Wirtschaft, wie in Südosteuropa, immer weniger produziert, die Anleihen also so wertlos sind wie die des zypriotischen Staates, in denen die Beamtenpensionen von Brandenburg angelegt wurden? Die Antwort lautet: Das wissen wir doch nicht! Und es ist uns auch egal! So sind sie, unsere Volkswirtschaftler – die ökonomische Welt als Wille und Vorstellung. Und weiter geht’s:
Ziel der quantitativen Lockerung ist es, die Reserven in der Bankbilanz zu erhöhen. Darunter wird auch Geldschöpfung (bzw. Schaffung von Zentralbankgeld) verstanden. Die Geldmenge wird also erhöht (Buchgeld), indem die Zentralbank Gutschrift bucht. Gemeinhin wird damit ein Ansteigen der Inflation sowie eine Gefährdung der Finanzmarktstabilität durch die Bildung von Spekulationsblasen auf Aktien-, Anleihe- und Rohstoffmärkten vermutet. [By the way: Etwas anderes als „Zentralbankgeld“ gibt es gar nicht, der Rest ist nur Poker.]
Hört! Hört! Ich buche mir etwas gut, was es gar nicht gibt, weil ich hoffe, dass es das doch irgendwann geben wird. Hurra! Damit wären ja alle Probleme gelöst, und „die Märkte“ können sich entspannt zurücklehnen.