GPF Newsletter Nr. 13 (15.07.2013)

Der Newsletter German Privacy Fund (i.Gr.) Nr. 13, Ausgabe vom 15.07.2013, ist jetzt online. Der Newsletter erscheint alle zwei Wochen.




Frühkapitalismus reloaded

Die taz veranschaulicht die Rückkehr des 19. Jahrhunderts und des Frühkapitalismus in Großbritannien:
Ist es richtig, dass es keine Mietpreiskontrolle gibt und die einzige Chance für Ärmere ist, eine Sozialwohnung zu bekommen?
Ja, das ist so, seit in den 1980er Jahren Margaret Thatcher sämtliche staatliche Mietpreisregeln aufgehoben hat. Die meisten Mietverträge mit privaten Vermietern laufen über sechs Monate. Wenn der Vermieter die Mieter danach draußen haben will, müssen sie sich etwas Neues suchen. (…) Es gibt sogar vereinzelte Fälle, wo sich Bewohner die Betten teilen: Der eine schläft nachts, der andere tagsüber (…) die Scheußlichkeiten des 19. Jahrhunderts kehren zurück.“




Prism funktioniert nicht mehr

prism

Eingesandt von Leser B. – danke!




Neulich beim Verfassungsschutz

Verfassungsschutz

Eingesandt von Leser O. – danke!




Unser täglich Spam

spam

Entschuldigung, aber ich kann mich immer noch über so etwas kaputtlachen.




Keine Auswirkungen

facebook

„Auf die Nutzerzahlen hat die Spähaffäre bisher keine Auswirkungen – im Gegenteil. Facebook hat so viele Mitglieder wie nie zuvor.“ (Heise)




Tancred’s Landing rebuilt

sklavin

Heute habe ich ohnehin nur Unwichtiges und Unpolitisches gepostet, da kommt es auch nicht mehr drauf an. Da bin ich ist mein Avatar gerade.




Boogie Woogie Runner

Der beste deutsche Boogie-Spieler zur Zeit – nach Vince Weber und Axel Zwingenberger natürlich – aber die sind fast zwei Generationen älter als Luca Sestak. Sein Blues ist genauso gut.




Nur 17

joggen

Leider habe ich heute beim Angriff auf den Halbmarathon kläglich versagt; ich hatte auch kein Wasser mitgenommen und musste nach knapp 17 Kilometern aufhören und mir etwas zu Trinken kaufen.




Netzgemeinde oder: In der Meinungsblase

Neu in der Blogroll: deliberation daily.

Dort lesen wir in „über uns“:
Aber viele deutsche Politikblogs nutzen diese Möglichkeiten zu wenig. Mit wenigen Ausnahmen begnügen sie sich damit, selbsternannte Gegenöffentlichkeiten gegen einen vermeintlichen Mainstream sein zu wollen. Aus vielen dieser Netz-Communities sind Meinungsblasen geworden, die sich nur noch selber bestätigen. Andere Meinungen werden reflexhaft abgewertet, eine Auseinandersetzung mit ihnen wird oft gar nicht mehr in Betracht gezogen. Dieses Blog soll sich nicht nur an Leser richten, die mit uns von vornherein einer Meinung sind.

Schön gesagt. Die haben das schon gut erkannt: „selbst ernannte“ Gegenöffentlichkeit und Meinungsblase.

Politikblog. Das heisst, man darf sich nur einem Thema widmen, damit das Publikum, das Politik erwartet, nicht plötzlich mit nackten Brüsten konfrontiert oder gar mit unbekleideten Avatarinnen? Warum soll Politik immer so deutschprotestantisch dröge sein? Aber so isse, die deutsche „Netzgemeinde“ – eine Gemeinde eben, die fromme Lieder singt Lichterketten trägt, Abweichler mit Gemeinschaftsentzug ächtet und nackte Haut igitt findet. Die „Netzgemeinde“ ist dem Mainstream, den sie kritisiert, ähnlicher, als sie selbst zugeben würde.

der alptraum der netzgemeinde

NO sex please, we are the Netzgemeinde!

Die Mentalität der Insassen der Meinungsblase entspricht oft derjenigen, die in den Medien-Anstalten anzutreffen ist. Wenn zum Beispiel ein Redakteur dieses Blog aufrufen würde und zuerst nackte Brüste sähe, würde im Bruchteil einer Sekunde entschieden (vermutlich im Limbischen System), dass der Betreiber „unseriös“ sein muss. Und wenn burks.de in jedem Jugend“schutz“filter auf dem Index steht, werden die Journalisten, die die das Internet immer noch Neuland ist (davon gibt es mehr als genug), moralpädagogisch verängstigt. Man stelle sich nur vor, jemand erteilte mir einen Auftrag, und dem zuständigen Chefredakteur würde dieses Posting ausgedruckt und vorgelegt: „Das geht ja nun gar nicht. Nackte Brüste und zwar mehr und irgendwie aufreizender, als der mediale Mainstream erlauben würde? Was sollen denn die Leserinnen und Leser von uns denken? Der schreibt nicht bei uns.“ So ungefähr läuft das.

Ich will Redakteurinnen nicht unterschieben, dass diese zusätzlich „sexistisch“ dächten – das trifft nur auf die zu, deren intellektuelle Entwicklung seit den 70-er Jahren nicht vorangekommen ist. Seit „Pussy Riot“ sind Brüse wieder zeigbar, aber nur, wenn es dem Politischen dient. In den USA würden Brüste natürlich verpixelt – ein Traum für jeden hiesigen Jugendschatzwart, weil der Anblick der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale bekanntlich die psychische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hemmt.

Was anstößig ist, bestimmen also das gesunde Volksempfunden und die Netzgemeinde. Da bleibe ich doch lieber das enfant terrible, das netzpolitik.org die Netzgemeinde fürchtet ignoriert.

Es ist erst kurz nach neun Uhr. Ich bin in einer merkwürdig aufsässigen Stimmung und sollte noch mehr Kaffee trinken und von der Palme runterklettern, bevor ich auch noch die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser dieses Blogs anfange zu verprellen. Ich erwäge also, heute noch etwas Politisches oder Wissenschaftliches zu bloggen (etwa über die Arbeitswertlehre), um dieses unpolitische Posting hier zu konterkarieren.




Wer lügt? Oder: Es ist ein wenig scheinheilig.

Aus dem Interview mit Otto Schily im Spiegel:
Haben Sie in Ihrer Amtszeit jemals von Abhörprogrammen wie „Tempora“, „Prism“ oder „XKeyscore“ gehört?
Schily: Nein.

Aus dem Interview mit Obama-Berater John Podesta im Spiegel:
Podesta: Na ja, die Europäer agieren schon etwas heuchlerisch. Die meisten Regierungen dort wissen ja tatsächlich seit langem, was wir Amerikaner tun. Und sie haben davon zumeist kooperiert und davon profitiert. Ich verstehe, warum europäische Politiker non öffentlich gegen Prism und andere Programme protestieren müssen – aber es ist ein wenig scheinheilig.




„Ich liebe dich“

„Das Trostlose an solchen Beteuerungen ist, dass sie immer falsch sind, aber die Tatsache, dass man sie sich ausdenken kann, verschafft ein gewisses Vergnügen.“ (Segundo Serrano Poncela: „Der Mann mit dem grünen Kreuz“, „El hombre de la cruz verde (1973), probably his greatest work of fiction, a historical novel about the Spanish Inquisition during the reign of Philip II.“)

Habe ich in ungelesen in meiner Bibliothek entdeckt. Sehr schönes Buch und gut übersetzt. Eine dichte, düstere Atmosphäre und abgrundtief zynische Attitude des Erzählers. Gefällt mir.




Sleepwalking into censorship

frivolous dressorder

Screenshot: frivolous dress order

Großbritannien bastelt weiter an der Infrastruktur, um das Internet komplett zensieren zu können. Laut der Open Rights Group (vgl. auch Wired) dienen die Zwangsfilter gegen „Pornografie“ auch dazu, politisch unliebsame Inhalte zu zensieren und Verstöße gegen das Urheberrecht zu ahnden.
The essential detail is that they will assume you want filters enabled across a wide range of content, and unless you un-tick the option, network filters will be enabled. As we’ve said repeatedly, it’s not just about hardcore pornography. (…)

Do you want to block
☑ pornography
☑ violent material
☑ extremist and terrorist related content
☑ anorexia and eating disorder websites
☑ suicide related websites
☑ alcohol
☑ smoking
☑ web forums
☑ esoteric material
☑ web blocking circumvention tools

Die „Wired“ schreibt: „The ORG’s Jim Killock says: „What’s clear here is that David Cameron wants people to sleepwalk into censorship. We know that people stick with defaults: this is part of the idea behind ’nudge theory‘ and ‚choice architecture‘ that is popular with Cameron.“




Wo sind die Massen?

Durchschnittliche Zuschauerzahlen des Vereins VfL Osnabrück (Fußball-Regionalliga): 11.200 Zuschauer. Teilnehmerzahl der bundesweiten Demonstrationen „#StopWatchingUs:“ gegen Totalüberwachung: 11.200. Sorry, ich wollte nicht defätistisch sein, aber man sollte den eigenen politischen Einfluss nie überschätzen. (Die Massen sehen lieber das hier.)




Inside North Korea

Bilder und Filme von David Guttenfelder, Associated Press chief photographer: „Inside North Korea“. Sehr interessant.




Cyber-Aussenminister Dirk Brengelmann

Dirk Brengelmann

Foto (Burks.de exklusiv): Der deutsche Sonderbeauftragte für Cyberfragen, Dirk Brengelmann (links), trifft seinen US-amerikanischen Kollegen Christopher Painter (rechts) zum Report.

Laut Sueddeutsche.de haben wir jetzt eine „Cyber-Außenpolitik“ und einen „Cyber-Beauftragten“. Man fragt sich, was die da in Westerwelles Ministerium rauchen? Unterstützt die FDP jetzt auch die Forderung „Gebt das Hanf frei“?

Dirk Brengelmann kann immerhin Englisch, wenn auch mit starkem deutschen Akzent (wie auf diesem NATO-Video zu hören ist). Er redet gern von „partnership framework“. Sein exakter Titel war „NATO’s Assistant Secretary General for Political Affairs and Security Policy“ (beigeordneter Generalsekretär oder so ähnlich). Brengelmann nimmt gern an vertraulichen Gesprächen „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ teil. In einem Interview mit der Körber-Stiftung (2013) sagt er, Deutschland sei führend, die Fähikeiten der NATO weiter zu entwickeln. Oder, in einem anderen Statement: „Die Amerikaner werden das Bündnis nicht aufgeben und die Europäer wissen, dass sie mehr Bereitschaft zeigen müssen.“

Seine Biografie ist sehr interessant:
After a brief spell as an investment banker in Tokyo, he entered the German Foreign Service in 1984. He served as the Private Secretary of Jürgen Möllemann, Minister of State at the Federal Foreign Office, and then became Deputy Chief of Mission at the German Embassy in Port-au-Prince. He subsequently served as Political Counsellor at the German Embassy in London, Deputy European Correspondent in the Federal Foreign Office, and Political Counsellor at the German Embassy in Washington DC.

Man fragt sich natürlich weiterhin, welches Parteibuch welche Qualifikation jemand haben muss, um erst Investment-Banker in Japan zu sein, dann Privatsekretär von Möllemann (FDP, †), um dann auf den extrem bedeutenden Posten der deutschen Botschaft in Haiti abgeschoben zu werden zu wechseln.
After serving as Director and Head of the Defence and Security Policy Division at the Federal Foreign Office, he returned to Brussels in 2008 as Minister Plenipotentiary in the German Delegation to NATO, before being appointed NATO Assistant Secretary General for Political Affairs and Security Policy at the beginning of 2010.

„Head of the Defence and Security Policy Division“ – schon klar. Schickes Amt – da ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Cyber-Aussenminister.




Forensic Analysis of the Tor Browser Bundle [Update]

Die in London lebende Norwegerin Runa A. Sandvik, die auch gern in Dubai Ski fährt, erklärt (in US-amerikanischem Englisch), wie Tor funktioniert. [Vortrag 2012: „Snakes and onions – Python developers and Tor“]

Runa A. Sandvik: „Forensic Analysis of the Tor Browser Bundle on OS X, Linux, and Windows“ (Tor Tech Report 2013-06-001, June 28, 2013).

Der Report ist insoweit auch interessant, als er untersucht, welche – temporären – Spuren der Tor Browser Bundle auf den drei großen Betriebssystemen hinterlässt. Dabei sind auch Bugs aufgefallen.

The Tor Browser Bundle aims to ensure that no traces are left on the user’s system. However, a number of the traces listed in this report are related to default operating system settings, some of which the bundle might not be able to remove. We therefore propose the creation of a document which lists steps our users can take to mitigate these traces on the different operating systems.

So eine Frau wie Runa würde ich vom Fleck weg heiraten. Har har. Falls jemand sich hier heimlich fragt, welche Frauen Burks wohl gut findet.

Und jetzt zu etwas ganz anderem, einem Zitat aus einer Tor-Mailingliste von Robert J.Hansen: „The overwhelming majority of technology journalism is somewhere between wildly uninformed and complete bollocks. (…) Beware of all experts.“




Excess of democracy

Die Zukunft des Kapitalismus in Europa erklärt uns das Finanzkapital in Gestalt von JP Morgan („a leading financial services firm with global scale and reach. We offer our clients the most complete and innovative solutions“):

JP Morgan to eurozone periphery: „Get rid of your pinko, anti-fascist constitutions“ (…) Last week, the European economic research team with JP Morgan, the global financial giant, put out a 16-page paper on the state of play of euro area adjustment. (euobserver.com via Fefe)

Da sind dann die gewohnten Forderungen zu lesen, die man von Lautsprechern und Lobbyisten des Kapitals seit 150 Jahren kennt: „reducing labour costs, making it easier to fire workers, privatisation, deregulation, liberalising ‘protected’ industries, etc.); and national political reform.“ Bla bla bla.

Ich finde es aber äußerst spannend, dass einige Fraktionen der Kapitals schon offen dafür plädieren, auch die so genannte freiheitlich-demokratische Grundordnung Demokratie abzuschaffen. Einige Grundrechte sind mit den jüngsten Enthüllungen über die totale Überwachung ohnehin schon außer Kraft gesetzt, und das wird von unseren Herrschenden billigend in Kauf genommen. Es hört sich an, als lebten wir schon in einer Art Weimarer Republik 2.0:

…excess of democracy in some European countries that needs to be trimmed.

Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch. Und die Hugenbergs und Papen von heute werden wieder nicht zögern, die zu unterstützen, die gegen den Bolschewismus die „anti-fascist constitutions“ sind.




Der Ausgang der kommenden Bundestagswahl

„Es wird so kommen, dass alles bleibt, wie es ist“. (Meine Mutter, 87, über den Ausgang der kommenden Bundestagswahl)




Stop Watching Us

Demonstrare.de und #StopWatchingUs: 27.07. #StopWatchingUs – Demonstation in Berlin, 14.00 Uhr, Heinrichplatz.

By the way: Ist ein Demonstrationsaufruf gegen Überwachung per Facebook nicht ein geradezu klassischer Contradictio in adiecto?

Dazu auch Golem.de:
Zu den weltweiten Stop-Watching-Us-Protesten am kommenden Samstag hat der Chaos Computer Club die Forderung nach Abschaffung der Geheimdienste aufgestellt. „Wer im Namen Deutschlands internationale Abkommen“ gegen die Grundrechte zulasse, solle wegen Landesverrats verurteilt werden.