Die Schere im Kopf oder auch: Jugendschutz aka Zensur

Norman

Hierzuland kostümiert sich die Zensur von Büchern als „Jugendschutz“. Es ist ähnlich wie in der DDR: Die Schwere wirkt schon in den Köpfen. Das „Anstößige“, mit dem argumentiert wird, kommt erst gar nicht vor.

Ich war vor ein paar Tagen mit einer ganz bezaubernden Dame in der Abteilung für englische Bücher im Kulturkaufhaus Dussmann:
Dussmann das KulturKaufhaus wird größer und das internationale Leben in Berlin bekommt eine weitere Top-Adresse: English Books, unsere neue Abteilung mit Deutschlands größtem Angebot an englischsprachigen Büchern, eröffnet.

(By the way, Dussmann: Das Deutsche kennt Kommata, die man auch setzen darf, und was zum Teufel, hat „eröffnet“ da zu suchen? Ich verstehe zwar ungefähr, was gemeint ist, aber ein deutscher Satz ist das nicht.)

Die wohlwollenden Stammleserinnen und geneigten Stammleser werden jetzt schon ahnen, was kommt. Ich fragte nach einem der 40 Bücher John Normans – „fantasy/adventure novels about the planet Gor – which have sold an estimated 12 million copies worldwide“. Trash, zugeben, aber die Auflage ist ein Argument, ihn zumindest zu kennen. Man kann es auch anders sehen:

Other critics disagree, and suggest Norman’s novels are carefully constructed satire or barbed social commentary. For example, Enotes.com speculates that the Gor series‘ master/slave theme is so over-the-top that it may be „a savage satire on the whole notion of biological determinism.“ Other critics theorize that the books are a reaction to the excesses of early-1970s feminism, or a Camille Paglia-style attack on political correctness.

Schnittberichte.com schreibt: „Hauptmotive in den Büchern sind Sklaverei, Gewalt, Nacktheit und generell die Unterwerfung der Frau. Obwohl die Bücher in Deutschland nur in zensierter Form auf den Markt kamen, wurde diese später von der Bundesprüfstelle auf den Index gesetzt.“ Der Heyne-Verlag kürzte die deutschen Ausgaben um ca. 45 % des ursprünglichen Textes gekürzt, darunter alle härteren Passagen.

Das nenne ich Zensur. In China würde es nicht anders gemacht. „Pornografie“ als Argument für Zensur zieht bei der abgestumpften dummen Masse und den Medien, die nach dem gesunden Volksempfinden schielen, immer. In scheinliberalen Gesellschaften muss man dann eben „Kinderpornografie“ rufen, damit sich noch jemand aufregt.

Natürlich gab es Norman bei Dussmann nicht, warum, das konnte niemand beantworten. Diejenigen, die für das Bestellen verantworlich sind, haben den Bestseller-Autor eben nicht berücksichtigt. Ein Blick auf die Cover setzt die Schere im Kopf schon in Gang. Es könnte sich ja jemand aufregen. Wo kämen wir denn da hin…