Zensurweltmeister Deutschland, revisited

gorEine der lächerlichsten Institutionen, die die deutsche Leitkultur je hervorgebracht hat, ist zweifellos die so genannte „Bundesprüfstelle“ für „jugendgefährdende“ Medien, was auch immer „jugendgefährdend“ sein mag.

Hinter diesem euphemistischen Titel verbirgt sich nichts anderes als die altbekannte Zensur, die sich aber kostümiert hat.

„Jugend“ ist ohnehin ein kulturelles Konstrukt und keine anthropologische Konstante, was wir spätestens seit Philippe Ariès „Geschichte der Kindheit“ wissen.

Die Jugend muss nicht vor Abbildungen oder Texten „geschützt“ werden, und schon gar nicht vom Staat. „Jugendschutz“ ist aber Moraltheologie – der öffentliche Diskurs darüber sperrt sich somit gegen jede rationale Argumentation.

Bei Pornoanwalt.de lesen wir über die aktuelle Situation: „Deutsche Suchmaschinen sperren mehr als 2.500 Websites, welche von der Bundesprüfstelle (BPjM) indiziert wurden.“ Deswegen benutze ich auch nie deutsche Suchmaschinen, weil deren Betreiber ein gutes Beispiel für den vorauseilenden Gehorsam sind, der den Deutschen an sich auszeichnet und dem Heinrich Mann mit dem Roman „Der Untertan“ ein literarisches Denkmal gesetzt hat.

Niemand weiß, nach welchen wissenschaftlichen (!) Kriterien die schmallippigen „Prüfer“ entscheiden, was die „Entwicklung“ von Jugendlichen „beeinträchtigt“. Ich ahne es: Es ist das so genannte „gesunde“ Volksempfinden, das bei denen offenbar die 68-er Jahre verschlafen hat und noch in der Adenauer-Ära steckengeblieben ist.

Man muss sich diesen Quatsch nur einmal ansehen:

John Norman, Die Wilden von Gor, Taschenbuch Nr.4195, Reihe Fantasy Wilhelm Heyne Verlag, München, indiziert durch Entscheidung Nr. 2681 (V) vom 16. September 1986, bekannt gemacht im Bundesanzeiger Nr. 181 vom 30. September 1986.
Das Buch wird aus der Liste der jugendgefährdenden Medien gestrichen.
Entscheidung Nr. A 213/11 vom 22. August 2011 (Pr.603/11).

2011! Dieses Buch des US-amerikanischen Bestsellerautors (Trash, zugegeben!) steht in den USA in jeder Bibilothek. Und die so genannte „Bundesprüfstelle“ entscheidet hierzulande in diesem Jahr, dass die (ohnehin zensierte und harmlose) deutsche Übersetzung der Jugend zugänglich gemacht werden darf. Ja, in welchem Jahrhundert leben wir denn?

Ich habe mich entschlossen, nur noch Parteien zu wählen, denn ich zutraue zu fordern, dass diese unsägliche „Bundesprüfstelle“ ersatzlos abgewickelt wird.