Der Konsens ist völkisch

Mir liegt es schon fast auf den Lippen, laut zu rufen: (Meinungs)freiheit für Thilo Sarrazin! Mittlerweile finde ich einige seiner Gegner ekelhafter als ihn selbst.

Einer meiner Gründe, nicht die Grünen zu wählen, heisst bekanntlich Claudia Roth. Die sagt laut Welt, „wenn die Bundesbank Sarrazin nicht abberufen lasse, ‚dann wird aus dem Fall Sarrazin bald ein Fall Bundesbank'“. Da haben wir dann schon einen Fall Roth: Die Grünen-Chefin sollte dringend ihrer Verhältnis zur Meinungsfreiheit überdenken. Wer jetzt Berufsverbot für Sarrazin fordert, der kann auch gleich in die CDU eintreten und Auschwitz mit Bautzen gleichsetzen wie unsere Totalitarismus-Doktrinäre. Was verlangt die Roth denn von den Charaktermasken des Kapitals, die sich in der Deutschen Bank tummeln – einen Rassismus-Tüv a priori?

Ich zitierte am 02.03.2003 (vor sieben Jahren) mich selbst („Nazis sind Pop„):
Wichtigste Ursache für rassistisch motivierte Gewalt ist der politische Konsens, die Nation Deutschland völkisch zu verstehen. „Wir schöpfen unsere Identität nicht aus dem Bekenntnis zu einer Idee, sondern aus der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk.“ (Wolfgang Schäuble). Deutschland ist das einzige Land Europas, das Einwanderer faktisch und im öffentlichen Diskurs als Menschen zweiter Klasse behandelt: Migranten sind „Ausländer“, also Nicht-Deutsche. Die Nation definiert sich über eine fiktive „Identität“, über eine vermeintliche „Leitkultur“, die als politisches Projekt sowohl die innere Kolonisierung als auch die Selbstethnisierung der Migranten fördert. Deutschland hat sich vom internationalen Diskurs zum Thema „Rassismus“ begrifflich abgekoppelt. (…) Die Dominanz des Unwortes „Ausländerfeindlichkeit“ in den Medien dokumentiert den zentrale Topos des rassistischen Diskurses. Der Begriff suggeriert zum einen, dass rassistische Diskrimierungen sind nicht gegen Afrodeutsche richten oder – noch schlimmer – dass diese keine Deutschen seien, und zum anderen leugnet er zentrale Klammer rechter Ideologien, den Antisemitismus. Ursache rassistischer Vorurteile sind daher auch affirmative „Multikulti“-Diskurse im Schulunterricht, die Vorurteile nicht abbauen, sondern in der Regel verstärken. Dieser Diskurs verschweigt, dass „Kultur“ oder „Ethnizitit“ immer fiktive politische Projekte sind, die gesellschaftliche Machtverhältnisse thematisieren.

Hat sich daran etwas geändert? Natürlich nicht. Sarrazin spricht das aus, was die Mehrheit denkt und was jahrzehntelang quasi offizielle Staatslehre war.

Was ist jedoch ein rechtspopulistischer Faselheini wie Sarrazin gegen diejenigen Akteure des Kapitalismus, die um des Profits willen Menschen hungern lassen? „Die Verlierer des Spiels sind die Ärmsten der Armen.“ Quod erat demonstrandum. Das ist kein Bug des Kapitalismus, das ist ein Feature.