Al-Habash – eine Alternative zum politischen Islamismus

Al-Habash

Nie hätte ich gedacht, dass ich durch meine Artikel den Bau einer Moschee in Berlin ermöglichen oder erleichtern würde. Aber so war es wohl. Gestern war ich Gast bei der Eröffnung der neuen Moschee am Kreuzberger Görlitzer Bahnhof, genau dort, wo am 1. Mai 1987 Bolle abbrannte (ich wohnte 1987 in Sichtweite von Bolle).

Am 24.03.2003 schrieb ich einen Artikel für das Berliner Stadtmagazin Tip über die Al-Habash, die damals in einem Hinterhof residierte und auf dem Bolle-Gelände eine neue Moschee errichten wollte. Am 10.05.2003 veröffentlichte ich einen ähnlichen Artikel zum Thema in Telepolis. Ich war insbesondere motiviert, weil die taz damals einen völlig ahnungslosen, dämlichen und denunzierenden Artikel verfasst hatte: „Hinter dem Verein soll eine Sekte stecken“. Die Autorin Astrid Schneider hatte sich nicht die Mühe gemacht, auch nur eine Minute im Internet nachzuschauen (einen Artikel in Wikipedia gab es noch nicht).

Niemand wusste jedoch etwas über diese islamische Bewegung. Auch die „Islam-Experten“ waren noch nicht gewohnt, im Internet zu recherchieren; und es reicht auch nicht immer aus, nur die Ehefrau eines Muslim zu sein, um als „Experte“ genug zu wissen. Meine beiden Artikel waren die ersten überhaupt, die in deutschen Sprache über die Al-Habash publiziert wurden. Sie erleichterten der deutschen Sektion der „Association of Islamic Charitable Projects“, Vorurteile abzubauen – bei den Medien und auch bei den Politikern, die über den Neubau zu entscheiden hatten. (Der „witzige“ Abgeordnete, der in dem Artikel der „Kreuzberger Chronik“ erwähnt wurde, ist auf dem zweiten Bild von unten zu sehen.)

Damals schrieb ich über den Berliner Pressesprecher der Al-Habash: „Birol Ucan weist den Vorwurf der Intoleranz gegenüber anderen islamischen Richtungen weit von sich: „Wir erklären alle zu Ungläubigen, die alle anderen zu Ungläubigen erklären“, sagt Ucan spitzbübisch.“ Ich habe Ucan gestern in der Moschee getroffen. Er konnte sich noch gut an mich erinnern, obwohl das Interview sieben Jahre her war. Wir waren uns darüber einig, dass am folgenden Tag wieder Unausgegorenes in den Zeitungen erscheinen würde und dass einige „orthodoxe“ Muslime gar nicht über die „Omar-Ibu-al-Khattab-Moschee“ erfreut sein würden (Kein deutsches Medium hat recherchiert – ausser der taz. Aber die hat auch etwas wiedergutzumachen.).


Und siehe, die Moschee ist gut und ansehnlich geworden. Zum Anlass hier noch einmal der Artikel aus Telepolis (Links aktualisiert):

Al-Habash

Al-Habash – eine Alternative zum politischen Islamismus?

Wenn der Bundesinnenminister den jährlichen Verfassungsschutzbericht vorstellt, erfährt Deutschland, wer die Guten und die Bösen sind. Man darf [ihm] zutrauen, dass er sich bei den Traktaten, die manche Mitarbeiter des VS verfassen, oftmals gruselt. Aber als deren Dienstherr muss er öffentlich den Kopf dafür hinhalten Das aktuelle und interessanteste Böse wird zur Zeit vor allem repräsentiert durch den „Islamismus“. Der Verfassungsschutzbericht 2002 ordnet jedoch die in Deutschland bekannten Gruppen recht hilflos und chaotisch bestimmten Ländern zu. Al-Qaida ist eine Unterabteilung „der Araber“, obwohl Immigranten, die einen deutschen Pass besaßen, dort eine wichtige Rolle spielten. Ein Muslim ist in Deutschland eben potentiell immer ein „Ausländer“. Über den Islam findet man nur eine Ansammlung von Allgemeinplätzen, schlechter als manche Volkshochschul-Broschüren. Der Vorwurf etwa, einzelne islamische Gruppen würden die Trennung von Staat und Religion nicht akzeptieren, triff auf den christlichen Fundamentalismus ebenso zu.

Für den Islam in Deutschland gilt, was auch für das Judentum zutrifft: Diejenigen Vertreter, die in der Öffentlichkeit auftreten und sich dem Staat als Ansprechpartner andienen, stehen jeweils für eine sehr konservative oder gar orthodoxe Variante, die für der Mehrheit der Gläubigen nicht repräsentativ ist.

Der Islam, die jüngste der drei Buchreligionen, ist seit Jahrhunderten in Mitteleuropa präsent. Aber erst die türkischen Einwanderer nach Deutschland rückten ihn wieder ins Blickfeld. Der türkisch geprägte Islam importierte jedoch auch den lang andauernden Kulturkampf zwischen Laizismus und Islamismus innerhalb der türkischen Gesellschaft nach Deutschland.

Liberale Richtungen wie die Aleviten kommen weder im öffentlichen noch im so genannten „interreligiösen“ Diskurs vor. Die Immigranten aus den Ländern, die einen ganz anderen Islam praktizieren, konnten sich gegen die Dominanz des staatlich geförderten Islam der DITIB (Diyanet Isleri Türk-Islam Birligi), der „Türkisch-islamische Union der Anstalt für Religion“ und gegen das komplizierte Geflecht zahlreicher Organisationen, die von der konservativen Milli Görüs dominiert werden, kaum Gehör verschaffen.

Warum aber Milli Görus und wer überhaupt warum im Verfassungsschutzbericht auftaucht, bleibt das Geheimnis der vermutlich gar nicht vorhandenen „Islam-Experten“ im Innenministerium. Zum pluralistischen Libanon fällt dem Verfassungsschutz nur die „Partei Gottes“ alias Hisb Allah ein. Immerhin: eine religiös-fundamentalistische Radikalisierung der in Deutschland lebenden palästinensischen Migranten sei nicht zu beobachten.

Abgelehnt vom orthodoxen Islam

Vielleicht ist daran der Islamismus schuld wie zum Beispiel die Association of Islamic Charitable Projects, auch „al-Habash“ genannt, eine kaum bekannte Strömung aus dem Libanon, die versucht, jetzt in Deutschland Fuß zu fassen. Im Internet tobt ein erbitterter Streit darum, wie diese Organisation, über die auch deutsche Islam-Experten nur wenig Informationen besitzen, einzuschätzen ist. Das Spektrum der Meinungen reicht von „religiös durchgeknallte Sekte“ bis zu „moderate Alternative zum Islamismus.“

Unstrittig ist nur eins: Die Gruppe hat sich mit der libanesischen Migration vor allem nach Frankreich und in der Schweiz ausgebreitet und missioniert vor allem libanesische Kurden und Palästinenser. Ihr deutsche Zentrale ist die kleine Omar-Moschee in Berlin. Die Moschee, bis jetzt in einer Fabriketage im Hinterhaus gelegen, soll auf dem traditionsreichen Gelände der Bolle-Ruine in Kreuzberg neu gebaut werden. Woher das Geld für das Vorhaben stammt, weiß niemand.

Erstaunlich ist, dass es keine deutsche Website gibt, die über die al-Habash informiert. Deutsche Medienberichte zitieren Experten, die fahrlässig von einer „Sekte“ reden, obwohl zahlreiche seriöse Informationen zum Thema im Internet zu finden sind. Was al-Ahbash vorgeworfen wird, vor allem, sie lehre nicht den „wahren“ islamischen Glauben, stammt aus der Propaganda des orthodoxen Islam der arabischen Halbinsel und des dort vorherrschenden erzkonservativen Wahabismus. Auf Islam online aus Katar verdammt ein „Islam Online Fatwa Committee“ die al-Ahbash. Die Anhänger seien „tatsächlich weit entfernt von allen Imams im Hinblick auf die Gedanken, das Verhalten und die Ethik“.

Auch Islamic Web, eine der bedeutendsten britischen Islamseiten, verurteilt die al-Ahbash als „Sekte“. Das wird von der einflussreichen und wohltätigen indonesischen „Rahmania Foundation“ übernommen. Besonders US-amerikanische Muslims haben sich auf die al-Ahbash eingeschossen. Fanatiker wie der in Texas ansässige und selbst ernannte „Scheich“ Ahmad Jibril beschimpfen die al-Ahbash als „Häresie“. Die „AS -Sunnah Foundation of America“ (ASFA), Organisation des Muhammad Hisham Kabbani – ein ehemaliger Studenten der Amerikanischen Universität in Beirut -, ruft Muslime in aller Welt auf: „Beware of a man who calls himself Abdullah Habashi and of his followers. They are a group of extremists…“

Al-Habash

Gegen politischen und islamisch unterfütterten Fanatismus

Die al-Ahbash (Association of Islamic Charitable Projects oder arabisch: „Jam’iyyat al- Mashari‘ al-Khayriyya al-Islamiyya“) wurde durch den Mufti (islamischer Rechtsgelehrter) Abdullah al-Habashi (exakter Name: Abdallah ibn Muhammad ibn Yusuf al-Hirari al-Shibi al- Abdari) gegründet. Al-Habashi wurde 1920 im äthiopischen Harare geboren. Seine Anhänger werden daher auch „Habashiyyin“ genannt. Das ist eine lautmalerische Version für „Abessinier“ – ein anderes Wort für Äthiopier. 1947 ließ Kaiser Haile Selassie den Mufti nach Saudi Arabien deportieren. Später studierte al-Habashi in Damaskus und in Beirut. 1983 übernahmen seine Gefolgsleute die schon seit 1930 existierende „Gesellschaft für philanthropische Projekte“.

Im August 1995 wurde der Führer der al-Habashi, Scheich Nizar al-Halabi, in Beirut von maskierten Männern auf offener Straße erschossen. Drei der Täter wurden gefasst und exekutiert. Das Attentat ging auf das Konto der palästinensischen Terrorgruppe Osbat al-Ansar, deren Anführer Ahmad Abd al-Karim (Kampfname: Abu Mahjan) in Abwesenheit ebenfalls zum Tode verurteilt wurde. Man vermutet, dass al-Karim sich heute noch im Flüchlingslager „Ain al-Helweh“ im südlichen Libanon aufhält. Das Camp ist für libanesische Militärs und Polizei off limits. Im Oktober 2001 gab die libanesische Regierung an die USA Informationen weiter: Die Terrorgruppe „Osbat al-Ansar“ stehe in engem Kontakt zur „al-Qaida“ Usama bin Ladens. Scheich Nizar al-Halabi hatte sich in aller Öffentlichkeit gegen politischen und islamisch unterfütterten Fanatismus ausgesprochen.

Vom orthodoxen Islam wie den Wahabiten unterscheidet die al-Ahbash vor allem die radikale Absage an politische Gewalt. Sie besitzt keine eigene Miliz und ruft nicht zum Kampf gegen Israel auf. Das wird in einem Artikel, den die israelische Bar-Ilan-Universität zum Thema publiziert hat, lobend hervorgehoben. Die Führung der al-Ahbash hat sehr gute, vielleicht zu gute Kontakte zur syrischen Regierung, aber auch zu den christlichen Wählern im Libanon. Mit der schiitischen Hisbollah schloss al-Ahbash eine nur politische Allianz.

Die al-Ahbash gilt unter Religionswissenschaftlern als sunnitische Gruppe mit schiitischen Elementen und starkem Einfluss des Sufi-Spiritualismus. Sie hat also von allem etwas, steht aber theologisch noch auf der „rechtgläubigen“ Seite des Islam – im Gegensatz zu der aus Pakistan stammenden Ahmadiyya-Bewegung, die von der Islamischen Welt-Liga „exkommuniziert“ und aus der islamischen Weltgemeinschaft ausgeschlossen wurde.

Professor A. Nizar Hamzeh von der Amerikanischen Universität in Beirut bezeichnet die al-Ahbash als die „Sufi-Antwort auf den politischen Islamismus“. Die Tradition des Sufismus spiegelt sich vor allem darin wider, dass die al-Ahbash im Internet zahlreiche religiöse Musikstücke zum Download anbietet. Ursula Spuler-Stegemann, Religionswissenschaftlerin an der Universität Marburg und eine der wenigen Islam-Expertinnen Deutschlands, hat von den al-Ahbash in Deutschland bisher nicht viel gehört, weiß aber: „Die Saudis können Sufis nicht ausstehen.“

„Westliche“ Musik oder gar „westliche“ Instrumente sind strenggläubigen Muslimen wie Wahabiten à la Taliban streng verboten. Der schlimmste Vorwurf gegen die al-Ahbash aus orthodoxer Sicht lautet daher: „Sie haben große Meistergruppen wie James Last, sie singen und tanzen mit Frauen und sie benutzen sie, um zu Allah zu beten! … Wenn Sie sich dafür interessieren, sie zu sehen, dann müssen Sie nur in ein Videoladen im Libanon gehen und danach fragen.“

Im Unterschied zu fundamentalistischen Islam-Versionen, die in Deutschland beheimatet sind, nehmen die al-Ahbash den Koran nicht als das authentische Wort Allahs: Der Koran spiegele nur dessen Meinung wider. Er sei vom Erzengel Gabriel dem Propheten Mohammed überliefert worden. Das lässt zeitgemäßen Koran-Interpretationen mehr Raum als buchstabengetreuer Glaube. Ähnlich wie im Katholizismus praktizieren die al-Ahbash eine Art Heiligenkult – für orthodoxe Muslims eine Blasphemie. Die al-Habashis predigen zwar religiösen Pluralismus, bezeichnen aber alle politischen Islamisten als „takfir“ – „Ungläubige“. Deshalb können die „traditionellen“ deutschen Sufis – wie deren größter Orden, die Naqschbandis – mit den al-Ahbash nicht viel anfangen. Abd al-Hafidh aus der Eifel, vor seinem Übertritt zum Islam Herr Wenzel genannt und heute Sprecher der Naqschbandis, kennt al-Ahbash kaum. Er kann sich nur daran erinnern, bei seiner frommen Pilgerfahrt nach Medina von den al-Habashi als „Ungläubiger“ beschimpft worden zu sein.

Birol Ucan, ein Berliner Türke mit deutscher Staatsbürgerschaft und Pressesprecher des „Islamischen Vereins für wohltätige Zwecke“ in Berlin, kann nicht beantworten, woher das Geld für die neue Deutschland-Zentrale kommen soll. Vielleicht hat er auch von der „Taqiya“ gehört, dem islamischen Gebot sich zu verstellen, um der eigenen Sache nicht zu schaden – eine professionelle Haltung den Medien gegenüber. Man besitze ein Haus in Peine bei Hannover, aber dort keine Moschee. Wenn das Geld nicht reiche, wären Selbsthilfe angesagt und eine Light-Version der Moschee. Wer’s glaubt.

Die al-Ahbash in der Beiruter Zentrale hatten immer ausreichend finanzielle Mittel. Das wird den Vereinvorsitzenden Hassan Khodr, der als Beruf „Autohändler“ angibt, ruhig schlafen lassen. Man hofft, dass eine al-Ahbash-Moschee ein Zeichen für einen zwar tiefreligiösen, aber toleranten Islam setze. Die konservative Konkurrenz wird sich warm anziehen müssen, denn auch bei Muslimen sind singende und tanzende Frauen und Musik eine bessere Werbung als puritanische Turbanträger.

Al-Habash