Der Kaiser ist auch in Rheinland-Pfalz nackt

SWR

Das Innenministerium in Rheinland-Pfalz ist nicht für besonders ausgeprägte Internet-Affinität bekannt. Deshalb darf man denen auch nicht übelnehmen, dass sie die wohl bekannte Ente aka Hoax „Online-Durchsuchung“ über ihre Website watscheln lassen. Man möchte übrigens auch „verschlüsselte Internet-Telefonie“ überwachen. Wie, das weiß kein Mensch. Aber so ist das eben bei Enten: Die Welt als Wille und Vorstellung. Wehe, es erinnert jemand an die Realität.

„‚Für eine erfolgreiche Gefahrenabwehr ist es unerlässlich, dass die Methoden der Sicherheitsbehörden mit den technischen Möglichkeiten der Terroristen und Kriminellen Schritt halten‘, erklärte Bruch. Allerdings betont Bruch auch, dass das Recht der Bürger auf Privatsphäre auf jeden Fall geschützt werde. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Online-Durchsuchung berücksichtigten selbstverständlich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. ‚Wegen ihrer besonderen Schwere unterliegen solche Eingriffe daher engen Grenzen und sind auf die Abwehr erheblicher Gefahren und schwerster Straftaten beschränkt.‘, unterstrich der Minister weiter. Denn nicht nur die gesetzlichen Voraussetzungen seien hoch angesetzt, auch die für eine solche Maßnahme zu treffenden Vorbereitungen seien außerordentlich zeitintensiv und komplex, so dass die Online-Durchsuchung voraussichtlich nur höchst selten zur Anwendung kommen werde.“

Das ist natürlich Kokolores und kompletter Blödsinn. Wie dem Stammpublikum bekannt und wie auch in meinem Buch zum Thema hinreichend erörtert, hat es noch nie eine Online-Durchsuchung gegeben, wie sie der Volksmund versteht, und noch niemand hat sich erkühnt, eine Erfolg versprechende Methode vorzuschlagen, den Rechner eines Vedächtigen zielgenau ohne dessen Wissen zu durchsuchen. Das geht gar nicht. (Meine Artikel in Telepolis zum Thema hat Wikipedia weggelassen – was die Ente stört, lässt man weg. By the way: Der Kaiser ist nackt!)

Hier kann man es zum Beispiel nachlesen: „Eine Online-Durchsuchung wurde – soweit sie dem Projektteam bekannt wurde – lediglich in drei Fällen angedacht und in zwei Verfahren beantragt, aber abgelehnt. In zwei weiteren Fällen wurde die Maßnahme genehmigt, aber nicht durchgeführt.“ Quod erat demonstrandum. Alles andere ist Verschwörungstheorie, und dafür sind die Medien und der Chaos Computer Club zuständig.

Sogar die taz rezensierte – weil es so nett geschrieben ist, hier eine Langfassung:

„Die sogenannte Onlinedurchsuchung ist nicht viel mehr als ein aufgeblasener Medienhype und ein zahnloser Papiertiger obendrein. Mit diesem Instrument lässt sich zwar jede Menge rechtspolitischer Flurschaden an-, aber wenig Effektives gegen den internationalen Terrorismus ausrichten. Dabei liegt der Skandal für die beiden Autoren weniger in der zweifelhaften Technik, als in den Fehlinformationen, die darüber verbreitet werden.

Denn, so die überraschende Ausgangsthese des Buchs: So etwas wie eine ‚Onlinedurchsuchung‘ gibt es überhaupt nicht, jedenfalls nicht als funktionierendes Instrument in Händen der Ermittlungsbehörden. Die Vorstellung, Polizei und Geheimdienste könnten sich heimlich in jeden PC hacken, und zwar ohne dafür die Wohnung des Betroffenen betreten zu müssen, kann demnach getrost ins Reich der Märchen verwiesen werden – zu hoch sind die technischen Hürden, die dafür überwunden werden müssten. Selbst Laien könnten sich mit einfachsten Mitteln erfolgreich gegen Spitzelprogramme dieser Art wehren; einmal abgesehen davon, dass bislang noch keine Behörde überzeugend dargestellt habe, wie ein solcher staatlich sanktionierter Hackerangriff in der Praxis überhaupt aussehen könnte.

Was den Glauben an den „Bundestrojaner“ am Leben erhalte, sei nichts anderes als Ignoranz in Sachen Computertechnik und der Mythos von der Allmacht des ‚Hackers‘. Die etablierten Medien hätten allesamt in der Berichterstattung über die Onlinedurchsuchung regelmäßig versagt, so die Kritik der Autoren. Praktisch durchgehend sei nach dem System ‚Stille Post‘ verfahren worden: Einer schreibt vom anderen ab, und am Ende bestätigen sich Halb- oder Unwahrheiten von selbst. (…) Schröder weist überzeugend nach, dass es entgegen anderslautenden Berichten bis jetzt keinen einzigen erfolgreichen Einsatz eines ‚Bundestrojaners‘ gegeben hat.“

Und was machen die Medien im aktuellen Fall daraus? Kein kritisches Wort, weder bei Heise noch beim SWR. Es wird einfach so getan, als sei so etwas möglich. Recherche? Fehlanzeige.

So perpetuuiert sich die Ente. Oder, wie Albert Einstein 1922 richtig sagte: „Jeder Blödsinn kann dadurch zu Bedeutung gelangen, dass er von Millionen Menschen geglaubt wird.”

Screenshot: SWR zum Thema – man kann muss die Sicherheitseinstellungen des Browsers herunterfahren, um einen Beitrag rezipieren zu können – so werden Surfer zur Dummheit erzogen.