Avatar – Aufbruch nach Pandora

Heute habe ich die Zukunft gesehen. Ganz im Ernst. Nicht nur die Zukunft des Kinos, sondern die Zukunft der digitalen Unterhaltung an sich. Ich war in Avatar – Aufbruch nach Pandora und habe mich keine Sekunde gelangweilt. (Nein, ich will nicht über die Handlung sprechen. Bei Titanic weiß man auch vorher, wie es ausgeht.)

Ich heule nur sehr ungern mit der Masse und suche immer das Haar in der Suppe, aber die Kritiker haben noch untertrieben. „Es ist die revolutionäre Machart, die ‚Avatar‘ zu einem Filmereignis emporhebt, das die technischen Maßstäbe des Kinos neu definiert. Diesen Film sieht man nicht, man erlebt ihn.“ – „Avatar ist einer dieser Filme, wofür das Kino erfunden wurde, ein Gang dahin ist also Pflicht.“ – „James Cameron ist mit Avatar angetreten, die Welt zu verändern. Das schafft der Regisseur formal auch, sein Film begeistert als berauschende Technikdemonstration, selbst wenn auf inhaltlicher Ebene noch Luft nach oben gewesen wäre. Der Ansatz, sein knallbuntes Sci-Fi-Abenteuer als ein futuristisches ‚Pocahontas auf Pandora zu trimmen, birgt zwar keine große Komplexität, hat aber durchaus seinen Charme.“ – „Überhaupt streift Cameron in ‚Avatar‘ alles, was die Welt gerade bewegt.“

„Keine Idee ist neu, kein Gefühl ist echt“, mäkelt jemand. Ja, es ist wie im realen Leben. Natürlich ist die Idee von Rainer Werner Fassbinder geklaut, der 1973 in „Welt am Draht“ einen Avatar in einen lebendigen Körper schlüpfen ließ. Avatar ist auch ein Indianerfilm frei nach Der mit dem Wolf tanzt: Der Held kommt als Alien in eine Welt, die naturverbunden ist wie in Rousseaus konservativem Romantizismis. Heutige Esoteriker kriegen also eine wohlige Gänsehaut, allüberall ist „Energie“ in Pandora.

Dann sind da noch klammheimliche Zitate aus Chato’s Land, der ultimativen Allegorie auf den Vietnam-Krieg: Die Ureinwohner von irgendwo gewinnen, weil sie ortskundiger sind als die waffentechnisch weit überlegenen Eindringlinge. Der Fillm ist vermutlich schon deshalb sehenswert, weil die US-amerikanische Rechte schäumt: James Cameron habe „einen tiefen Antiamerikanismus, weil er die Zuschauer die Niederlage amerikanischer Soldaten herbeisehnen lasse.“ Das ist auch witzig, weil niemand auf die Idee kommen würde, das Militar in Avatar als US-Truppe zu bezeichnen, genauso wenig wie in Alien. Ja, Sigourney Weaver spielt mit, und das ist auch gut so. Übrigens: The most sexy Hubschrauberpilotin i have ever seen.

Aber die Pointe ist auch den begeisterten Kritikern entgangen. Die Zukunft ist, dass wir in solchen 3D-Welten mitspielen werden (können). Second Life verhält sich technisch zu Avatar wie ein Fordmobile aus dem Jahr 1903 zu einem heutigen Ferrari. Aber es kommt auf die Idee an!

Wikipedia: „Für diese neuartigen Techniken war leistungsstarke Hardware vonnöten: 35.000–40.000 wassergekühlte Prozessorkerne, 105 Terabyte Arbeitsspeicher und 2 Petabyte Festplattenplatz. Trotz dieser Leistung benötigten einzelne Szenen 48 Stunden zum Rendern, wobei bei einer Filmminute 17,3 Gigabyte Daten anfielen. Angeschlossen war die Serverfarm an ein 10-Gigabit-Netzwerk. Um das Filmmaterial zu bearbeiten, kam das freie Betriebssystem Ubuntu (Linux) zum Einsatz.“ Ich habe zwar auch Ubuntu, aber ein bisschen RAM undsoweiter fehlen mir noch…

Die kulturellen Konsequenzen sind kaum abzusehen, wenn das auf der Ebene von Hard- und Software umzusetzen wäre: Käme überhaupt noch jemand zurück in die reale Welt? Auf jeden Fall sollte man sich den Film ansehen, er gehört schlicht zum Bildungskanon. Einer der besten Filme, den ich jemals gesehen habe. (Der einzige Kritikpunkt: Es gibt keinen Sex, und die Brüste der schnuckeligen Zoe Saldana sind verdeckt.)