Asthma-Deutsch (Vorsicht: Oxymora!)

„Kinder fangen immer früher an. Mit den Drogen. Mit der Gewalt. Und mit den Handys“, schreibt Spiegel Offline.

Liebe Kinder, wir reden heute über das schöne Thema „Der Satzbau im Deutschen und wie ich in den Leser damit ärgere.“ Ärgern? Doch, hiermit: „Kinder sind süß, Kinder sind eine Bereicherung. Bis sie selbständig ein Mobiltelefon bedienen können.“

Vor langer, langer Zeit gab es einen Herrn Goethe. Der hat viele Bücher geschrieben, die man heute noch für gut hält. Er sagte zum Beispiel: „Wir erschrecken über unsere eigenen Sünden, wenn wir sie an anderen erblicken.“ Er schrieb nicht: „Wir erschrecken über unsere eigenen Sünden. Wenn wir sie an anderen erblicken.“ Warum wohl? Ganz einfach: Er litt nicht an Sprachasthma. Das ist eine Krankheit, die vor allem Journalisten befällt.

Sprachasthma bricht dann aus, wenn der Träger des Erregers keinen eigenen Stil hat, keine Ideen, keinen Esprit, keine Eleganz und keinen Witz, diesem Mangel aber abhelfen will. Der Schreiber hat vermutlich den Wikipedia-Eintrag über Expressionismus gelesen und möchte auch so sein: „Reihungsstil: (Auch parataktischer Stil oder Parataxe) Darunter versteht man die Aneinanderreihung kurzer Hauptsätze, die weder syntaktisch noch logisch miteinander verbunden sind. Das semantisch Disparate dient dazu, die Befindlichkeit des Sprechers auszudrücken, der die angetroffenen Teilaspekte der Wirklichkeit nicht mehr zu einem geordneten Ganzen verbinden kann, sondern dieser Wirklichkeit ratlos gegenübersteht.“

Ja, das sieht man. Aber ob das die richtige Haltung eines Journalisten der Realität gegenüber ist? Ihr ratlos gegenüber zu stehen? (Welcher Trottet hat diesen gespreizten Wikipedia-Artikel geschrieben? Ein Obergermanist?)

Erstens: Das Wort und verbindet etwas, es ist eine Konjunktion. Zweitens: Um Wörter und denen Sinn zu verbinden, hat der Homo sapiens den Satz erfunden: „Ein Satz ist eine aus einem Wort oder mehreren Wörtern bestehende in sich geschlossene sprachliche Einheit“.

„Und mit den Handys“ ist mitnichten eine „in sich geschlossene sprachliche Einheit“, sondern ein eitles Gefasel. (Ich benutze gerade das Stilmittel Oxymoron.)

Ich ahne, welches Problem der Spiegel-Offline-Autor Daniel Hass hatte. Er plante zu schreiben: „Kinder fangen immer früher mit den Drogen, mit der Gewalt und mit den Handys an.“ Das gefiel ihm nicht – zu Recht! Daran ist das Deutsche schuld und das, was Simultanübersetzer in den Wahnsinn treibt: Das Verb anfangen teilt sich wie ein Regenwurm, und die Teile leben munter weiter – fangen am Anfang des Satzes und an kommt am Schluss dahergetrottet, wenn man schon fast vergessen hat, was am Anfang stand. Im Englischen und Russischen ist das einfacher: They start with und dann kann der Autor munter aufzählen.

Ich verrate dem geschätzten Kollegen Hass etwas: Im Deutschen gibt es den Doppelpunkt. Damit bekommt man Sätze hin, die keinen Hustenreiz bei den Rezipienten auslösen. Versuchen wir es alle gemeinsam! „Kinder fangen immer früher an: mit den Drogen, mit der Gewalt – und mit den Handys“. Geht doch, oder? (Ich habe das mit bewusst klein geschrieben.)

Es heißt also: „Kinder sind süß, Kinder bereichern (Wörter mit -ung sind verboten!). Das wird anders, wenn sie selbständig ein Mobiltelefon bedienen können.” Alles klar?