Zensursulas Traum

Via Real Life von Torsten Kleinz (Sorry, das ist zu gut, dass musste ich jetzt ganz übernehmen)

“Guten Tag. Verdachtsunabhängige Kontrolle”
“…Tag.”
“Darf ich bitte Ihre IP-Adresse und Ihren E-Ausweis sehen?”
“Sicher, Herr Wachtmeister…”
“Unter Ihrer IP wurde vorgestern illegales Filesharing betrieben…”
“Das war ich nicht. Wie Sie sicher in ein paar Millisekunden feststellen können, habe ich eine dynamische IP-Adresse.”
“Nun gut. Sind Ihre Windows Updates und die Anti-Viren-Software auf dem neusten Stand?”
“Sicher. Heute morgen erst hat mein PC automatisch neu gestartet und eine Stunde Arbeit gelöscht.”
“Sie sollten öfter abspeichern!.”
“Ja, ich weiß das jetzt auch. Gibt es sonst etwas?”
“Wie ich sehe, haben Sie da einen Werbeblocker.”
“Der ist völlig legal. Ich kenne meine Rechte!”
“Sicher, sicher. Aber bedenken Sie, wenn das jeder machen würde…”
“Würden Sie bitte ihre Arbeit machen?”
“Öffnen Sie doch bitte Mal Ihren Cookie-Speicher…”
“Ist das wirklich nötig?”
“Wir haben Hinweise auf illegale Downloads in Ihrem IP-Bereich. Also stellen Sie sich nicht so an”
“Also gut. Aber nur unter Protest…”
“Na, was haben wir denn da: chefkoch.de, Google, Amazon, Gayromeo?”
“Stimmt etwas nicht?”
“Da sind zwei Cookies von Rapidshare…”
“Na und?”
“Sie wissen schon, was das ist?”
“Ja, ein völlig legaler Service”
“Was haben Sie denn da heruntergeladen?”
“Das geht sie nun wirklich nichts an.”
“Sie wissen schon, dass ich ruck-zuck eine Festplattenvisitation beantragen kann?”
“Ich habe nichts unrechtes getan. Wenn Sie etwas vorzuweisen haben, tun Sie das. Wenn nicht…”
“Schon gut, schon gut. Sie dürfen weitersurfen. Und denken Sie daran: beide Hände auf’s Keyboard!”
“…”




Pellwormer Ebbe für Heimatlose

Pellworm

Die Ebbe auf Pellworm eignet sich hervorragend als Metapher für das Innere meiner Geldbörse. Vielleicht hätte ich einen der Berufe ergreifen sollen, die es hier gibt: Reetdachdecker, Mauermann (für Maurer), Deichsticker (vermutlich Deichbauer?), Seehundjäger und Jagdaufseher, Fischer, Kapitän, Bernsteinsammler. Doch jetzt zu etwas ganz Anderem.

PellwormPellwormPellwormPellwormPellwormPellworm

Morgen verlassen wir diese gastliche Insel. Ich habe mir die Kirche hinter der Ruine des Friesendoms und den Friedhof noch einmal angeschaut. Dort stehen eine Arp Schnitger Orgel aus dem Jahr 1711 und allerlei Tafeln, die die Kontinuität der Prediger dokumentieren, sowie einen uralten Beichtstuhl. Wer’s mag. Auf dem Friedhof namenlose Gräber von Toten, die das Meer angespült hat – „Heimat für Heimatlose“. Die Fotoausstellung über Pellwormer Personen in der Alten Kirche ist an interessantesten.

Es war nett hier. Falls ich aber mal absolute Ruhe brauchte, um einen Roman fertigzustellen, dann würde ich auf eine Hallig fahren.

Pellworm

Nachtrag: Irgendwo an der Straße von Ostertilli nach Waldhusen gibt es ein paar der üblichen Gedenksteine für die Toten der beiden Weltkriege. Aber hier ist noch etwas, das meistens fehlt – ein Gedenkstein für die Gefallenen der Revolution 1848/49. Löblich.




Tatort Internet: „Journalismus“ à la ZDF

Die lustige Nonsens-Meldung bei Heise: „Polizeigewerkschaft: Internet ist der ‚größte Tatort der Welt'“ habe ich mit Vergnügen und mit Vorfreude auf die Leser-Kommentare gelesen. Ärgerlich wurde ich aber dann, als klar wurde, dass die Mainstream-Medien diese inhaltlich völlig blödsinnige PR-Sprechblase der Polizei-Lobby kritik- und recherchelos übernommen haben. Besonders ekelhaft wird das in der ZDF heute-Sendung vom 14. August 2009:

„Wo es besonders gefährlich ist, sollte die Polizei eigentlich Präsenz zeigen. Doch am größten Tatort der Welt, dem Internet nämlich, kann davon keine Rede sein. Dabei betreiben dort immer mehr Betrüger, Kinderschänder und Rechtsradikale ihr Unwesen. Die Polizeigewerkschaften fordern deshalb jetzt mehr Internet-Fahnder.“

Im Heise-Forum las ich ein paar Kommentare, die durchaus journalistische Qualität besaßen. Auf den korrekten Hinweis: „ZDF – heute Sendung 19:00 – das ist Schmierenkomödie, ich sollte das nicht mehr ansehen – die haben doch tatsächlich diese Verlautbarung „Internet ist der größte Tatort der Welt“ so übernommen“ antworte jemand: „Klaus-Peter Siegloch vom ZDF ist Mitglied des Kuratoriums der Bertelsmann-Stiftung. Damit ist eigentlch alles erklärt.“ Ein weitere Leser gab den Hinweis, den man den Journalisten beim ZDF um die Ohren schlagen sollte: „Erst vorgestern die Diplomarbeit über den Einfluss der Bertelsmann Stiftung gelesen, worin auch erwähnt wurde wer da vom ZDF ebenfalls Mitglied bei der Stiftung ist.“

In dieser Diplomarbeit heisst es: „Die Stiftung hält ihren zielgerichteten ideologischen und praktischen Einfluss auf die Reformen im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich weitestgehend bedeckt, um ihr Image als neutrale Vertreterin gesellschaftlicher Interessen nicht zu gefährden. So schafft sie es, sich ihrer Verantwortung für und einer Auseinandersetzung über die gesellschaftlichen Folgen der von ihr forcierten Reformen zu entziehen. Sie muss sich nicht demokratisch legitimieren lassen, ihre Aktivitäten sind nicht an Legislaturperioden gebunden und sie muss vor keinem Parlament oder Rechnungshof Rechenschaft über ihre Vorhaben und deren Finanzierung ablegen, nur vor ihrem Stifter. Wenn es für die Durchsetzung ihrer Konstruktion von Gesellschaft notwendig ist marginalisiert, ignoriert und hintergeht sie demokratische Entscheidungen und Entscheidungsprozesse sogar.“

Genauer in Anmerkung 77: „Auch die öffentlich-rechtlichen Sender sind mit Bertelsmann verbandelt. So sitzt z.B. der stellvertretende ZDFChefredakteur Klaus-Peter Siegloch im Kuratorium der Bertelsmann Stiftung. So auch der frühere ZDF Intendant Dieter Stolte, der z.B. 1999 eine kritische Reportage über die Rolle Bertelsmanns im Dritten Reich verhinderte. Der Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios, Peter Frey, ist ‚Fellow‘ des von Bertelsmann getragenen Centrums für angewandte Politikforschung (CAP). (Vgl. Lieb 2007: o. S.).“

Das ZDF hat somit alle Grundsätze des Journalismus mit Füßen getreten, weder recherchiert noch irgendetwas nachgeprüft, sondern sich von der Polizei-Lobby missbrauchen lassen. Es dient der Moraltheologie und dem typisch deutschen kulurpessimistischen Diskurs: Es wird immer alles schlimmer, besonders im Internet. Widerlich. Das ist Schmierenjournalismus vom Feinsten.

Nachtrag: Lesenswert auch das Posting Udo Vetters: „Ich habe gerade dem Hessischen Rundfunk in einem Interview gesagt, die Forderung nach 2.000 zusätzlichen Cybercops, die im Internet auf Streife gehen, erinnere mich an Ostberlin, Teheran und Peking.“




Die Bösen nutzen das Internet, 234tes Update

Heise verbreitet heute ungefiltert die Agitation und Propaganda (aka Agitprop) der Jugendschutzwarte bzw. deren Lobbyorganisation jugendschutz.net. „Neonazis haben im vergangenen Jahr ihre Aktivitäten im Internet erneut verstärkt.“ (By the way: „Aktivitäten“ gibt es im Deutschen nicht, „Aktivität“ ist schon die Summe mehrerer Aktionen.)

Die Meldung, dass die Nazis das Netz aller Netze immer öfter nutzten, hatten wir schon vor fünf Jahren. Und dazwischen auch schon 234 Mal. Mindestens. „1707 Angebote weltweit recherchierte jugendschutz.net nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr.“ Nach eigenen Angaben – wieviele unabhängige Quellen sind das, von denen ein Journalist mindestens zwei haben sollte, bevor er etwas in die Welt hinausposaunt?

Und jetzt alle zusammen: Melden, durchführen, verbieten. Bei Zypries heisst das „Dreiklang aus Beobachtung, Löschung und Aufklärung“. (Ung, ung, ung. In der Hoffnung auf Erlösung vom Nominalstil.) „Verbreitung unzulässiger Inhalte über ihre Dienste auch eigeninitiativ zu verhindern“. „Inhalte über ihre Dienste auch eigeninitiativ zu verhindern“. Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, ergänzte: „Damit das Medium weiterhin Demokratie und Toleranz fördern kann, muss Rechtsextremen in sämtlichen Diensten die Rote Karte gezeigt werden.“ Die üblichen sinnfreien Sprechblasen eben, die man in Deutschland so hört. „23 Prozent stufte jugendschutz.net als jugendgefährdend ein. Neonazis würden dabei verstärkt wieder ausländische Dienste in Anspruch nehmen.“ Verstärkt. Immer öfter. Immer mehr.

Ich kann das Geschwurbel, auch das von Spiegel online, einfach nicht mehr hören. Kommentieren auch nicht. SpOn schämt sich nicht, direkt Werbung zu machen die Zensurfreunde und Jugendschutzwarte und das für das Melden, Durchführen und Verbieten: „Auf jeden Fall sollten Internetbenutzer, die auf rechtsextreme Webseiten stoßen, diese weiterhin melden. „Entweder bei der Polizei, beim Provider oder über das Formular bei uns auf der Seite.“




Pellworm: It’s only Rock’n Roll

Pellworm

Gestern waren wir mit einem kleinen Tuckerboot auf der Hallig Oland, deren Existenz mir vorher noch nicht bekannt war. Die Insel ist mit einer putzigen Selfmade-Eisenbahn mit dem Festland und mit der Hallig Langeness (vgl. Skyline großes Foto) verbunden. Die Lok konnte und kann vermutlich immer noch mit einem Segel betrieben werden, fährt aber normalerweise mit Benzin (im Notfall Handbetrieb wie eine Draisine). Die Hallig hat nur wenige Einwohner und nur drei Websites – diese, diese und diese, die alle in mein Blog passen. Eine Kneipe (sehr schnuckelige Aushilfskellnerin), eine Kirche (etwas kleiner als meine Wohnung in Berlin) mit einem uralten pseudo-heidnischen Grabstein (Swastika?), einem halben Dutzend superidyllischer Häuser (Wappen mit friesischem Wahlspruch, aber auf niederdeutsch: „Lieber tot als Sklave“), die sich um den Süßwasserteich gruppieren, und den einzigen mit Reet gedeckten Leuchtturm Europas, der aber nicht höher ist als ein einstöckiges Wohnhaus.

Auf dem Friedhof heißen fast alle Petersen. Der Grabstein des Helmut Andreas Petersen überraschte mich. Er wurde nur 36 Jahre alt. Auf der Rückseite steht eingemeißelt: „It’s only Rock’n Roll“. So etwas auf einem Hallig-Friedhof? Ich wurde neugierig und fragte am Abend, als wir – wieder in Pellworm – bei einigen Bierchen versackten, woran dieser Petersen gestorben sei? Da hier jeder jeden kennt, hatte der Wirt sofort eine Antwort parat: Petersen, selbstredend Mitglied der freiwilligen Feuerwehr in Oland, Vater mehrerer Kinder, sei an einer Alkoholvergiftung gestorben (also kein Trinker, sondern ein Unglücksfall) und dafür bekannt gewesen, dass er gern Rockkonzernte besucht habe. Requiescat in pace.

PellwormPellwormPellwormPellwormPellwormPellwormPellwormPellwormPellwormPellwormPellwormPellworm




Friesendom, turmhoch, Platt

PellwormPellwormPellworm

Man muss sich erst daran gewöhnen, mit UMTS-Flatrate zu surfen. Es flutscht nicht ganz so wie mit DSL. In Pellworm, so erzählten uns Einheimische, gebe es nur zwei Telefonleitungen von der Insel aufs Festland. Hochgeschwindigkeitsinternet auf friesisch eben. Aber die Friesen können nichts dazu. Ausserdem sprechen die hier nicht friesisch, sondern niederdeutsch aka Platt.

„Wahrzeichen der Insel ist die imposante Turmruine der Alten Kirche – der geziegelte Turm dieses mittelalterlichen „Friesendomes“ stürzte bereits 1611 zu einem großen Teil in sich zusammen, da der weiche Wattboden seinem Gewicht nicht gewachsen war. Der erhaltene Rumpf ragt 26 Meter empor, der ursprüngliche Bau war mindestens doppelt so hoch.“ Da ist der Turm. Und der Leuchtturm ist auch ein Postkartenmotiv.




Klar oder unklar: Die Verwicklung der Geheimdienste

Freitag.de interviewt Manfred Gnjidic,der im Sauerland-Prozess den Angeklagten Attila Selek verteidigt. Er ist außerdem Anwalt von Khaled El-Masri. Leider kann Elsässer nicht interviewen, einige Fragen und Antworten sind dennoch erwägenswert: „Die IJU aber ist doch nichts anderes als ein Bastard des usbekischen und US-Geheimdienstes – oder?“ – „Das gehört zu den großen Fragen, die im Prozess noch zu klären sind.“ In den Mainstream-Medien hat man die Diskussion über diese merkwürdige „Islamic Jihad Group“ schon wieder vergessen…




Der Spion in meinem Browser

Interessanter Artikel in der Technology Review: „Zwei IT-Security-Forscher haben nun mehrere neue Methoden gezeigt, wie sich Web-Nutzer unter Ausnutzung von Lücken im Browser ausspionieren lassen. Die Anfang August auf der Sicherheitskonferenz DEFCON 17 präsentierten Angriffsmuster zeigen auch, dass Datenschutzwerkzeuge, wie sie in immer mehr modernen Browsern stecken, kaum als Abwehrmaßnahme taugen.“ Wer jetzt wieder an meinen Thesen zur real nicht existierenden Online-Durchsuchung denkt, sollte diese Sätze des Artikels nicht überlesen: „Nutzer könnten sich zwar schützen, meint Hansen. Doch das bedinge eine Veränderung ihrer Online-Gewohnheiten. Beispielsweise müsse man sich stets genau ansehen, was die vom Browser vorgesetzten Dialogfenster bedeuten. „Was ist wichtiger, eine einfache Nutzbarkeit oder hundertprozentige Sicherheit und Privatsphäre?“




Internet-Ausweis

Noch mal langsam zum Mitschreiben. Heise: „Das Bundesinnenministerium weiß nichts von einem Vorhaben der Bundesregierung, Netzbürger identifizieren und ihren Online-Aktivitäten besser auf die Spur kommen zu wollen.“ Der aktuelle Spiegel: „Auch ließen sich Surfprotokolle der Web-Besucher anfertigen – Gesetze sind hierfür in Arbeit.“




Verstoß gegen das Waffengesetz: Berufung

Mein Freispruch wird zunächst nicht rechtskräftig werden, da die Staatsanwaltschaft jetzt Berufung eingelegt hat. Ich war wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Waffengesetz vor dem Amtsgericht Tiergarten angeklagt worden. Ich hatte es irgendwie geahnt. Jetzt wird die Sache vor dem Landgericht verhandelt werden. Meinen Rechner sehe ich also auch vorerst nicht wieder. Ich nehme die Angelegenheit so persönlich, wie sie vermutlich gemeint ist. Ich muss die Prozesskosten selbst aufbringen.




Does this Avatar Make Me Look Fat?

gorean Tharlarion

„Virtuelle Diät“ heißt ein kleiner Artikel im aktuellen Spiegel, der mich sehr interessierte. „Wie die US-Forschungsorganisation RTI in North Carolina in einer Studie darlegte, reicht es aus, seinen Avatar schlank und körperlich fit aussehen zu lassen, um sich selbst schlanker und fitter zu fühlen – Internetnutzer neigen dazu, ihren virtuellen Doppelgänger als Vorbild zu akzeptieren (…) In der von Elizabeth Dean durchgeführten Studie (veröffentlicht in der August-Ausgabe des ‚Journal of Virtual Worlds Research‚ wurden Bewohner von ‚Second Life‘ durch Avatare nach ihrer körperlichen Verfassung befragt“. Natürlich muss man sich die Quellen selbst zusammensuchen, Spiegel Online geruht nicht, einen mit Links zu belästigen.

Abstract: „The Centers for Disease Control and Prevention (CDC) has observed consistently increasing obesity trends over the past 25 years. Recent research suggests that avatar behavior and appearance may result in positive changes to real life individual behavior. Specifically, users may adjust their identity to match that of their avatars. Preliminary results of survey interviews in Second Life support our hypotheses that individuals whose avatars engaged in healthy behaviors were more likely to engage in physical activities in the real world than individuals with less physically active avatars. Furthermore, thinner-looking avatars were associated with lower BMI in real life. One unique feature of interviewing with avatars in Second Life is that researchers have the ability to manipulate environmental factors and interviewer characteristics with a consistency that is absent in the real world. In our preliminary results, respondents were more likely to report higher BMI or weight to a heavier-looking avatar than to a thinner-looking avatar.“

Das ist eine interessante und empfehlenswerte wissenschaftliche Online-Zeitung. In den USA werden virtuelle Welten wie Second Life ernst genommen und erforscht, hierzulande interessiert sich niemand dafür. Das wird sich in einigen Jahren rächen; der Wissens-und Erfahrungsvorsprung der US-Amerikaner wird bei 3D-Welten uneinholbar geworden sein. „Knee-High Boots and Six-Pack Abs: Autoethnographic Reflections on Gender and Technology in Second Life“. „The Gorean Community in Second Life: Rules of Sexual Inspired Role-Play“. „The Constitution of Collective Memory in Virtual Game Worlds“. Von diesem Diskussionsniveau könnt ihr hier nur träumen.
Nachtrag: Aesthetics and gratification: Sexual practices in virtual environments, von Nick Nobel, Trinity University, San Antonio




Keine Kondition

Pellworm

Hier in Pellworm gibt es 5000 Schafe, 1100 Einwohner und maximal 2000 Feriengäste. So sieht es dann auch aus – menschenleer bis auf ein paar versprengte Rentner. Vorgestern starteten wir einen Wanderung rund um die Insel, 27 km. Bei gut 20 Kilometern musste ich dann doch die Geschwindigkeit drosseln und mangels Kondition abbrechen. Meinen gestrigen Geburtstag haben wir hier und später an der Likedeeler Bar verbracht und sind feuchtfröhlich in stockfinsterer Nacht mit den Fahrrädern wieder in unserer Pension angelangt. Im Hintergrund des Fotos ist übrigens Hallig Hooge zu sehen.




Netz mit und ohne Gesetz

„Netz ohne Gesetz! – allein die Überschrift der aktuellen Spiegel-Titelstory ist Unfug. Im „Netz“ gibt es so wenig oder so viel Gesetze wie in der Realität auch. Das Problem, über das die Internetausdrucker hierzulande räsonnieren (meistens ohne Raison) ist ein typisch deutscher: Zensur und paternalistisches Getue, aus der Idee des doitschen Obrigkeitsstaats gespeist, funtkionieren eben nicht, wenn es andere Länder gibt, in denen es dem Staat per definitionem verboten ist zu zensieren. Diese Idee ist so ungeheuerlich, dass die Mainstream-Medien – auch der Spiegel – noch nicht einmal die Courage haben zu fragen, ob dieser Weg gangbar wäre und mit welchen Folgen.

Natürlich beginnt der Artikel mit Kipo. Ein Kommissiar nutzt eine Software, die angeblich in der Lage ist, einschlägige Bilder aufzuspüren. Der erste Mythos – verifiziert wird uns das nicht. Es bleibt der Glaube daran, und ich bin ungläubig. Auch der dramatische Einstieg, die Software habe „Beweismittel für rund 9000 Ermittlungsverfahren geliefert – ich glaube kein Wort davon. Ich erinnere nur an die „Operation Himmel“ aka Operation heiße Luft, von der noch nicht einmal eine leichte Brise übrig blieb. Mit Journalismus hat das nichts zu tun. Das ist moraltheologische Propaganda.

„Kann der Staat das Netz sich selbst überlassen?“ Auch das ist eine lustige Frage. In meinen Seminaren über „Recherche im Internet“ (Nein, nicht im Word Wide Web) gebe ich immer wieder das schon etwas abgedroschene Bonmot zum besten: Wenn die Deutschen das Internet erfunden hätten, gäbe es einen behördlich verwalteten Zentralrechner. Zum Glück waren es die Amerikaner, die das Internet (nein, nicht das World Wide Web) geschaffen haben. „Der“ Staat – hinter dieser Formulierung steckt die Idee, dass das Internet am deutschen Wesen genesen möge. Man hätte ja auch „die Staaten“ schreiben können – aber das hätte die Absurdität des Gedankens gleich bloßgestellt: Deutschland, Saudi Arabien, Nordkorea und China ziehen an einem Zensurstrang – das kann man sich noch vorstellen. Aber ein kleinstes gemeinsames Vielfaches an Gesetzen der Staaten Kongo, Schweiz, Tadschikistan, USA und Burma?

Das Internet sei ein „Massenspeicher für alle Übel“, schreibt der Spiegel. Bisher waren das die Bücher. Gegenargumement von Zensurula, Stasi, Katholische Kirche und Konsorten: Zum Glück wurde nicht alles gedruckt. Auch das ist falsch: Wo eine Nachfrage ist, ist auch ein Angebot. Man nennt das auch Kapitalismus aka „freie Marktwirtschaft“, die Gesellschaftsform, die wir alle lieben, verehren und bewundern. Man kam an das Böse nur früher nicht so leicht heran. Und deshalb gab es immer wieder Versuche, das jeweils von den Herrschenden definierte Böse ganz ausschalten zu wollten – wie etwa in der Prohibition. Mit den bekannten Folgen, dass das Böse stärker war als je zuvor.

„So ist es technisch möglich, Europa vom Rest der Welt zu isolieren, Jugendliche jedes Alters von der Nutzung beliebiger Inhalte im Netz abzuklemmen, die Identifizierung jedes Nutzers mit Namen, Adresse, Hautfarbe und Einkommen sicherzustellen.“ Potztausend, Spiegel-Redakteure, seid Ihr jetzt von allen guten Geistern verlassen? Wer hat Euch denn diesen groben Unfug eingeflüstert? Das kann man vielleicht bei dümmsten anzunehmenden Nutzern, zu denen offenbar die Journaille großer Nachrichtenmagazine gehört, machen, aber doch nicht bei Leuten, die das nötige Grundlagenwissen für den Internet-Führerschein haben. „Wer in Deutschland (nein – Ihr meint: wer mit der deutschen Google-Suchmaske!) nach Pornos sucht, demn wird vieles vorenthalten, was anderswo zu sehen ist.“ Wer hätte das gedacht: wer in China mit Google etwas sucht, der sieht auch etwas anderes. Habt ihr denn, liebe KollegInnen beim SpOn, schon einmal versucht, google.com aufzurufen? Kriegt Ihr das hin, oder habt Ihr Euch damit abgefunden, immer nur mit google.de arbeiten zu müssen? Zuzutrauen wäre Euch das, wenn man das Geschreibsel über das Internet so liest.

Ja, dann ab und zu schöne Zitate, damit man nicht ganz aufhört, das kulturpessimistische Gejammere des Artikels zu konsumieren: „Manchmal..entsteht Fortschritt durch zivilen Ungehorsam. “ Sehr wahr. „Diese rechtlose (sic!) Gesellschaft ist zuerst in den vereinigten Staaten aufgeblüht. Die neue Welt, in deren Verfassungsordnung die ‚freedom of speech‚ einen noch höheren (sic!) Rang genießt als in Deutschland, war von Beginn an der ideale Nährboden für eine Gegenwelt unter der Flagge der Meinungsfreiheit.“ Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Meinungsfreiheit scheint das gesunde deutsche Volksempfinden, wie es sich im Spiegel-Artikel zeigt, gleichzusetzen mit „rechtlose Gesellschaft“. Ich sagte es bereits: Meinungsfreiheit ist für Spiegel-Redakteure eine so fern liegende Ideen, dass es ihnen die Sprache verschlägt.

Mit welcher Idee sympathisiert der Spiegel? Mit dem starken Staat. „Einem Staat, der die Kontrolle über die Parallelwelt des Internets (sic) zurückgewinnen (sic!) will, bleibt ein letzten Mittel: Ausweiskontrolle. (In Großbritannien gibt es keine Ausweise – auch das ist eine typisch deutsche Idee. Burks) Bevor die Staatsbürger in den Cyberspace abschweben, müssen sie sich mit Name und Adresse identifizieren. Die deutsche Justizministerin, die solche Modell prüfen lässt,…“ Ich kann nicht glauben, dass das Zitierte geschrieben worden ist, ohne das bewusstseinsveränderende Drogen im Spiel waren. Wie soll man sich das technisch vorstellen? So ein Quatsch kommt zustande, wenn man nicht recherchiert, sondern das Getratsche in der Kantine wiederkäut. Nicht die Vorratssdatenspeicherung macht es möglich, „IP-Nummern bis zum Anschlussinhaber zurückzuverfolgen.“ Blödsinn, das war schon immer möglich. „Auch ließen sich Surfprotokolle der Web-Besucher anfertigen – Gesetze sind hierfür in Arbeit.“ Auch das ist der reine Nonsens. Weder ist das möglich noch sind derartige Gesetze in Arbeit.

Die Verschwörungstheorien habe ich dann nur noch flüchtig überlesen. „Das Bundeskriminalamt darf mit Hacker-Technik (mit welcher, bitteschön? Ich hätte es gern ein wenig genauer!) in die Privatrechner Verdächtiger eindringen, dort heimlich Spitzelprogramme installieren, die jeden Tastendruck mitprotokollieren – etwa um Passwörter und andere Geheiminformationen auszuspionieren.“ Ach ja: Ich habe hier einen Keylogger, von dem ich nichts weiß? Und der ist mir „online“ aufgespielt worden? Ist bei Euch noch alles ganz richtig im Oberstübchen?

Ein Satz ist nett und zeigt die Geisteshaltung des Spiegel: „Es geht nicht. Es muss aber.“ Nein. Es muss nicht. Der Spiegel-Artikel ist gerade gut genug für die Klientel der Von-der-Leyen-Wählerinnen: alt, weiblich, reaktionär und Internet-abstinent. Und die jungen Leute, die den Blödsinn verfasst haben? Die erinnern mich an den Berliner Rabbiner Stein, mit dem ich vor rund 20 Jahren als junger Journalist über das Thema Beschneidung diskutierte. Er riet mir, gar nichts zu schreiben: „Halbwissen ist schlimmer als gar keins.“ Er hatte Recht. Neben der Generation der Internetausdrucker wie Schäuble gibt es noch eine weitere Generation, die für das Internet verloren scheint – die Jungen, die glauben, sie wüssten, was das Internet sei, aber weder den Charakter noch die Zivilcourage haben, kritisch zu fragen, wie man Zensur umgehen könnte und die das ihre KollegInnen lehren könnten.




Deutsche Lebensläufe

PellwormPellwormPellworm

Einer ist schon im 1. Weltkrieg krepiert. Aber seine Nachkommen lernen nichts daraus. Gestutzt habe ich bei „gefallen im Indischen Ozean“, 1944 als U-Boot-Kommandant. Im Indischen Ozean? Hier („Imperial submarines“) findet man: „Departs in company of U-859 under Kapitänleutnant Johann Jebsen.“ Und hier steht dann der Rest: „We have 68 crew names for this boat“. Den Rest überlasse ich den militärhistorisch interessierten LeserInnen.




Schmierentheater und -blatt

Zu dem Spiegel-Artikel über Tauss empfehle ich als Kontrastprogramm Sommerloch doppelplusgut: Tauss, Schmidt, Schwesig, Jung und Lauterbach.

„Update, 22:50 Uhr: Stefan Graunke schreibt, dass SpOn offenbar nachträglich am Artikel rumeditiert.“
„Update, 23:45 Uhr: Nachträglich eingefügt wurde schonmal:
Der Anwalt von Tauss, Jan Moenikes, erklärte gegenüber SPIEGEL ONLINE: ‚Das Ergebnis der Ermittlungen widerlegt die Darstellung von Jörg Tauss nicht und hat nichts Neues zu Tage gefördert. Die nach Auswertung der Datenspeicher gefundene Menge ist szeneuntypisch wenig. Auch nach monatelangen Ermittlungen beschränkt sich der Vorwurf auf den Besitz dreier einschlägiger DVDs sowie der Bild und Video-MMS, die sich im nur wenige Megabyte großen Speicher seines Handys befanden.'“
„Wie man sieht, wurde der Artikel im Laufe des Abends massiv entschärft.“

Der Spiegel ist bei diesem Thema ein erbärmliches und widerliches Schmierblatt, das wesentliche journalistische Grundsätze („audiatur et altera pars“) mit Füßen getreten hat. Beim Thema Kipo heißt es bekanntlich sofort: Kopf ab zum Gebet.




Seele baumeln lassen

PellwormPellwormPellwormPellwormPellworm

Hier auf Pellworm gibt es, ich ahnte es schon, nichts ausser Wiesen, Schafe, Kühe, Deich und Nordsee. Zur Zeit ist noch Kaiserwetter. Es soll aber ab Sonntag kühler werden. Ich lasse die Seele baumeln.




Reif für die Insel

Die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser werden es wohl schon geahnt haben: Ich bin schon lange reif für die Insel. Ab morgen bin ich zen Tage lange genau hier. Die Insel heisst Pellworm.Ich fahren mit guten Freunden da hin. „Pellworm ist die drittgrößte nordfriesische Insel. Ihre Ausdehnung beträgt 7 km in West-Ost- und 6 km in Nord-Süd-Richtung.“ Es gibt nur Kühe, Wiesen und einen Deich ringsum. Und kein richtiges Internet, nur UMTS auf meinen Laptop, wenn ich den zum Laufen bekomme. Vielleicht blogge ich ein paar Fotos…




Geldfetisch

Geld

Gestern war ich bei meiner Bank, um mit meinem Bankchef darüber zu reden, warum meine Kreditkarten immer bis zum Limit überzogen sind. ab und zu möchte er es gern persönlich von mir hören. bevor er sie wieder entsperrt. Er legt Wert auf die individuelle Betreuung der Kunden, und ich weiß es zu schätzen. Zu diesem Anlass fiel mir – Überraschung Karl Marx. „Das Kapital“ ein. Vor drei Jahrzehnten konnte ich es seitenlang aus dem Stegreif zitieren. Während mein Bankchef stirnrunzelnd mein Minus auf seinem Monitor musterte und bedenklich sein Haupt schüttelte, griff ich eine der pro-kapitalistischen Propaganda-Broschüren ab, die da ausliegen. Geld arbeitet nicht und schafft auch keinen Wert. Wer so denkt, der sollte sich vor den Kamin setzen und sich eingehen mit dem „Zins als höchste Form des Fetischismus (Der automatische Fetisch)“ beschäftigen, eine der zentralen primitiv-religiösen Denkformen der Kapitalismus-Gläubigen. „Im zinstragenden Kapital ist daher dieser automatische Fetisch rein herausgearbeitet, der sich selbst verwertende Wert, Geld heckendes Geld, und trägt es in dieser Form keine Narben seiner Entstehung mehr. Das gesellschaftliche Verhältnis ist vollendet als Verhältnis eines Dings, des Geldes, zu sich selbst“. Main Bankchef fragte mich, warum ich so grinste, und ich erklärte es ihm. Und er wusste sogar, worum es ging. Das wiederum hätte ich nicht erwartet. Und war relativ sprachlos, als er zurückgrinste.




Erschröcklich: Neonazis nutzen immer öfter das Internet

So beginnen E-Mail großer deutscher Medien an mich, die um ein Hintergrundgespräch bitten: „Sehr geehrter Herr Burks, Die Bundeszentrale fÃŒr politische Bildung veröffentlicht kommende Woche den Jahresbericht von jugendschutz.net zum Thema „Rechtsextreme im Internet“ und weist auf einen erschreckenden Anstieg rechtsextremer Seiten hin.“ (Alles im Original und selbstredend unverschlüsselt.)

Bevor ich auch nur ein Wort gesagt habe, bin ich also schon auf 180. Aber da es sich um ein etwas Erschröckliches handelt, muss hiesigerseits auch politisch, semantisch, wenn nicht gar philosophisch-moraltheologisch kommentiert werden. Natürlich betreben die Jugenschutzwarte und Zensurfreunde von jugendschutz.net Propaganda. Es geht um Lobbyismus und um Geld. nicht um Inhalte. Und selbstredend ist die PR-Meldung, Neonazis nutzten immer öfter das Internet, sinnfreies Gefasel ohne irgendeinen Informationswert. Wir haben das seit ungefähr 1994 mindestens 4991 Mal gehört. Aber warum das kleine Wort „erschreckend“, das den suggestiven Halb-Komparativ umschlängelt („Anstieg“)? Es fällt mir schwer, mich in die Gedankenwelt dieser schmallippigen Fanatiker hineinzuversetzen, die in ihrer eigenen Traum- und Scheinwelt leben, in der ihrer Meinung nach die Zensur noch hilft. Wer erschrickt, hat es etwas nicht erwartet. Aber da alle Welt immer öfter das Internet nutzt ( außer den weniger extremen Rechten wie Schäuble und von der Leyen), wundert es nicht, das auch die kackbraunen Kameraden das tun. Erschröcklich ist das nciht, und schlechte Werbung zudem, weil uninteressant und eine total ausgeleierte und abgenudelte Phrase.

ich habe mit der Kollegin dann doch kurz telefoniert und gewann den Eindrock, dass meine doch etwas zynische Meinung zum Thema nicht Mainstream-Kompatibel ist und dem normalen Publikum, das das Altgergebrachte und Gewohnte hören und sehen will, nicht zugemutet werden kann, weil es erschröcklich wirkte, wenn jemand sagte: Es wird immer alles besser, weil die Neonazis gegenüber dem Internet auf verlorenem Posten stehen – zu viele gute und wahre Meinungen nur einen Mausklick entfernt von der braunen Kacke. Das wäre zwar wahr, aber die Jugendschutzwarte könnten mit der Wahrheit eben keine Staatsknete abzocken.




A Men’s World

Heute man was Frauenfeindiches…Nicht sonderlich lustig, aber es hat sich jemand richtig Mühe gemacht.