Zensur heisst jetzt Zugangserschwernis

Im Appell des hessischen SPD-Landesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel heißt es: „Die Netzsperren sind erwiesenermaßen ineffektiv und zudem mit hoher Wahrscheinlichkeit grundgesetzwidrig. Sie berücksichtigen nicht, dass Kinderpornographie im Internet fast ausschließlich in geschlossenen Nutzergruppen wie Foren oder Chat-Systemen verbreitet wird. In der Antwort auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion hat das Wirtschaftsministerium bestätigt, dass die Bundesregierung keine Erkenntnisse über die internationale Verteilung von Webseiten mit kinderpornografischen Inhalten hat. Auch liegen keine Informationen vor, in welchen Staaten Kinderpornografie nicht verfolgt wird.“ Dann gibt es noch die Heise-Meldung: „Bundesdatenschützer will Kinderporno-Sperrliste nicht überwachen“.

Wer ist eigentlich für Zensur, die jetzt „Zugangserschwernis“ heißt? Zum Beispiel Martina Krogmann, eine ehemalige Journalistin. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. „Martina Krogmann gilt als eine der Initiatoren der IT-Gipfel der Bundesregierung und gehört der Arbeitsgruppe 1 ‚IKT-Standort Deutschland‘ des Gipfelprozesses an.“

Natürlich hat die aktuelle Diskussiion um Internet-Zensur nichts mit der Realität zu tun, sondern kann als pädagogisch wertvolles Beispiel für die Nachgeborenen diesen, wie sich das kollektive Krankheitsbild Hysterie wie Mehltau auf den öffentlichen Diskurs legt und ihn vernebelt auf dem Boden der protestantischen Bigotterie aufs Trefflichste gedeiht. Vergleichbar ist der gegenwärtige Hype mit der Prohibition in den USA, deren Basis ja auch das gut Gemeinte war, in paternalistischer Manier die Untertanen vor dem Bösen schützen zu wollen.

Gegen Hysterie ist kein argumentatives Kraut gewachsen. Mir fällt auch nichts mehr dazu ein. Ich habe am 21.09.2003 – also vor sechs Jahren – schon alles dazu gesagt: „Der permanente Medien-Hype zum Thema „Kinderpornografie im Internet“ zeigt beispielhaft, wie in Deutschland mit Tabus umgegangen wird und welche Folgen das für den öffentlichen Diskurs hat. Rationale Argumente zum Thema muss man mit der Lupe suchen, Fakten sind nicht gefragt, und pressure groups machen sich die weit verbreiteten irrationalen Ängste zunutze, um ihr eigenes Süppchen zu kochen. So schreibt der Deutsche Kinderschutzbund auf seiner Website: ‚Die Bereiche, in denen Kinderpornographie massenhaft vertrieben wird, sind vielfältig: WWW-Sites…‘ Das ist schlicht frei erfunden. Im World Wide Web wird Kinderpornografie nicht vertrieben noch sind derartige Abbildungen „massenhaft“ vorhanden. Wer so etwas behauptet, muss sich vorwerfen, entweder ahnungslos oder zynisch oder beides zu sein. Das gilt auch für ein ebenso weitgehend faktenfreies Zitat von Petra Müller von jugendschutz.net auf einer Tagung im Mai 1998 in Mainz: ‚Aufgrund der aus Belgien bekannten Ereignisse kann man „Kinderpornographie“ als einen Bereich anführen, über den eine internationale Vernetzung der Strafverfolgungsbehörden zum Schutz von Kindern und Jugendlichen beschleunigt vorangetrieben wurde. Gerade in diesem Bereich werden einschlägige Straftaten nicht selten über das Internet vorbereitet..'“

Ich bin übrigens am Samstag in Berlin dabei.