Zoff im AK Vorrat

Ich war immer schon der Meinung, dass man auch auf die Guten einprügeln müssen, wenn es der Wahrheitsfindung dient. Es finde es beschämend, dass der Veranstalter, der informelle Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, bewusst lügt über die Zahl der Teilnehmer der Demo am Samstag. Das ist doch Propaganda wie im realen Sozialismus! Wozu soll das gut sein?

Die Fakten: Wieviele Leute an einer großen Demonstation teilgenommen haben, ist immer schwer zu schätzen, weil man auch Passanten und Teilnehmer nicht immer auseinanderhalten kann. Die beste Methode ist, sich an einer engen Stelle an den Straßenrand zu stellen und einfach zu zählen, wieviele vorbeikommen. Ich war von Anfang an dabei und bin auch im letzten Jahre mitmarschiert. Meine erste Demonstration war Ende der 60-er genau hier, die habe ich selbst organsiert – und wir waren mehrere hundert Schüler. Danach bin ich ungefähr 124712563 Mal auf die Straße gegangen. Ein bisschen Erfahrung traue ich mir zu. Ich behaupte: Es waren am Samstag nicht mehr als 20.000 Leute, 5.000 mehr, als die Polizei behauptet. Ich kann mich irren, aber nicht wesentlich – auch wenn es 30.000 gewesen wären, sind das nur halb so viel wie vom Ak Vorrat angegeben werden.

Netzpolitik.org schreibt. „Ob es 100.000 Menschen waren, ist daher unklar. 50.000 Menschen werden aber von den meisten Teilnehmenden als sehr realistisch eingeschätzt. Der Demo-Zug war auf der Straße Unter den Linden etwa 1,5 Kilometer lang.“ Aha. Nehmen wir zehn Demonstranten in einer Reihe (das war der Durchschnitt), deren Kette ca. einen Meter „tief“ ist (das ist schon sehr dicht!), dann sind hundert Leute auf einer Länge von zehn Metern, 10.000 auf einem Kilometer. Quod erat demonstrandum.

Man hat sich offenbar in der informellen „Führungsebene“ des AK Vorrat darauf geeinigt, die falschen Zahlenangaben nicht mehr korrigieren zu wollen. Intern heißt es: „Es gibt sehr gute Gründe dafür, dieses Fass einfach momentan gar nicht mehr aufzumachen. Die reale Zahl, die später erinnert wird, wird sich eh mittelfristig im kollektiven Gedächtnis der Leute, in den Blogs und sonstwo ergeben. Kurzfristig sollten wir auf jeden Fall vermeiden, uns hier in Glaubwürdigkeitsdebatten zu verstricken oder uns gar noch gegenseitig zu wiedersprechen.“- „Die Teilnehmerzahl 100.000 bitte nach außen replizieren,“ postet ein Vertreter des AK Vorrat offenbar wider besseren Wissens. Ja, die Wahrheit muss draußen bleiben, wenn es der „Glaubwürdigkeit“ der eigenen „Partei“ dient. Das ist widerlich.

Die völlig überhöhten Schätzungen stammen unter anderem von Ricardo Cristof Remmert-Fontes, der als „Sprecher“ des Ak Vorrat durch die Medien gereicht wird, der aber vor allem deswegen Sprecher ist, weil er vor jedes Mikrofon springt, das im Umkreis von 100 Metern hochgehalten wird. In der Mailingliste musste er wegen seiner Eitelkeit und „egozentrischen Alleingängen“ schon mehrfach herbe Kritik einstecken. Jemand schrieb zu RCRF: „du kannst die Zahlen gar nicht belegen und willst einer Behauptung durch den Status ‚Demonstrationsleiter‘ Beweiskraft verschaffen, du sagst von dir selbst, dass du als Person nicht glaubwürdig bist, nur als Funktionär. Der erste Punkt zeugt von stark verinnerlichten Strukturen einer Autoritätsgläubigkeit in völlig unkritisch Weise…“

Bettina Winsemann aka Twister schreibt in einem offenen Brief an den AK Vorrat: „Ich halte es für untragbar, dass RCRF weiterhin eine ‚tragende Rolle‘ beim AK Vorrat spielt. Begründung: a) Keine Teamplayerfähigkeit (…) Hier ist auch beim erneuten Alleingang (Kommunikation der Zahl 70.000 usw.) zu sehen, dass Absprachen nicht eingehalten werden und diese Alleingänge schaden. Nachträglich eine kommunizierte Zahl nach unten zu korrigieren ist strategisch gesehen idiotisch. b) Keine Kritikfähigkeit (…) f) Falschaussagen bzw. Missverständnisse (…) g) Gewaltbereitschaft (…) Wenn also tatsächlich Peter in Berlin Prügel angedroht wurden (dies wurde soeben durch padeluun bestätigt) seitens RCRF, dann ist dies auch durch Überlastung nicht mehr zu entschuldigen. So etwas darf nicht passieren.“

In der internen Mailingliste heisst es weiter: „Am 12.10. haben sich in Berlin 15 Menschen aus verschiedenen Ortsgruppen des AK zusammengesetzt. Die meisten von uns waren aktiv an der Vorbereitung und Organisationen der Demonstration beteiligt. Wir haben Ricardo Remmert-Fontes kurzfristig gebeten zu unserem Treffen dazuzukommen. Dort haben wir ihm mitgeteilt, dass es verschiedene aus unserer Sicht wesentliche Kritikpunkte an seiner Arbeit gibt.(…) Daher haben wir vorgeschlagen, dass er die Vertretung des AK in das Öffentlichkeit ab sofort und mindestens bis zum Nachbereitungstreffen in Wiesbaden niederlegt und nicht mehr für und/oder im Namen des AK Vorratsdatenspeicherung spricht.“