Volksverhetzung und gleichgeschaltete Medien

Der Deutschlandfunk interviewt Winfried Hassemer, den ehemaligen Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts. Hassemer ist mit dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts („eine Ausnahme vom Verbot des Sonderrechts für meinungsbezogene Gesetze“) nicht zufrieden:

„Die Gegner der Freiheit, solange sie nur ihren Mund aufmachen, meine ich, müssten durch einen Diskurs der Gesellschaft bedient werden, wenn es irgendwie ginge, und eben nicht durch das Strafrecht.“

Ja, ich teile seine Meinung. Der Volksverhetzungsparagraf gehört in seiner jetzigen Form abgeschafft. (Vgl. mein Posting vom 1.11.: „Holocaust-Leugner nicht bestrafen“).

Ich finde Hassemers Argumentation politisch und juristisch bestechend. Ich wundere mich um so mehr, dass alle Medien Deutschlands das Urteil des Bundesverfassungsgerichts begrüßt haben – so einhellig, als seien sie gleichgeschaltet. Das kann doch in einer pluralistischen Gesellschaft nicht sein?! Kein deutscher Journalist teilte die Meinung Hassemers? Oder kamen die, deren Meinung nicht dem Mainstream entsprachen, nicht zu Wort? Da staunt der politische Laie und der Blogger wundert sich.

[FAZ, Zeit, Tagesschau, Frankfurter Rundschau, Süddeutsche, taz]

Im Parteiprogramm der Piratenpartei heisst es schon zum Thema „Bildung“: „Der freie Zugang zu Information und Bildung ist jedoch nicht nur im Hinblick auf die gesellschaftliche Entwicklung notwendig, sondern auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung unserer Gesellschaft.“

Ich überlege, ob ich nicht Leute suche, die mit mir zusammen einen Antrag beim nächsten Bundesparteitag stellen, das Parteiprogramm zu ergänzen: „Die Piratenpartei lehnt alle Gesetze ab, die politische Meinungen zensieren. Gesetze, die das Gewaltmonopol des Staates missbrauchen, um missliebige politische Meinungen zu unterdrücken, gehören überprüft und notfalls abgeschafft.“ Zensur (auch der Volksverhetzungsparagraf ist Zensur) widerspricht dem freien Zugang zu allen Informationen, auch zu widerwärtigen und falschen.

Ich fürchte aber, dass ich für eine derart libertäre Haltung in Deutschland, der Heimat des Obrigkeitsstaates, noch nicht einmal in der Piratenpartei eine Mehrheit fände. Deutsch bleibt eben Deutsch, da helfen keine Pillen. Ich fühle mich aber als kleine radikale und extrem demokratische Minderheit, zusammen mit einem Verfassungsrichter, ganz wohl.