Tilman Schweigers Pressephobie

Same procedure like every year – Eine Bemerkung zu Tilman Schweigers Pressephobie

Von Katharina Dockhorn, Vorsitzende des FA Freie im DJV Berlin

Wow, dem Regisseur Til Schweiger ist ein künstlerisch und ästhetisch herausragender Film gelungen. Meint er zumindest selbst. Er hat „Schutzengel“ als deutschen Kandidaten für die Verleihung des Oscars für den Besten Nichtenglischsprachigen Film vorgeschlagen. Bei der Sichtung konkurrierte er mit Publikums- und Kritiker-Lieblingen wie „Barbara“ oder dem Dokumentarfilm „This ain´t California„.

Das Vertrauen des Regisseurs in sein Werk weckte die Hoffnung bei den deutschen Filmjournalisten, nach langer Zeit wieder einen Film des Regisseurs vorab für die kritische Berichterstattung zu sehen. Seit dem Start von „Keinohrhasen“ tilman schweigerwurden alle Filme Schweigers der Presse nicht oder nur einem handverlesenen Kreis von Berichterstattern rechtzeitig gezeigt. Die Mehrheit der Journalisten wird ausgeschlossen, die kritische Auseinandersetzung mit dem Werk verhindert.

Die Hoffnung wurde enttäuscht. Die Pressestelle des Warner Bros. Filmverleihs bestätigte auf Nachfrage, dass keine regulären Pressevorführungen zum „Schutzengel“ geplant sind. Gezeigt wurde er – so besagt es die Gerüchteküche – nur ausgewählten Journalisten.

Die Ausgeschlossenen sind natürlich verärgert, auch weil sie von ihren Chefs unter Druck gesetzt werden, die Previews in der Nacht vor dem Start
wahrzunehmen, um den Film dann doch besprechen zu können.

Schweiger kann sich diese PR-Kampagne leisten. Journalisten sind auch eitel. Redaktionen fordern Berichte um jeden Preis. Sie übersehen, dass sie sich damit selbst zum Teil von Schweigers PR-Strategie machen. 2009 wurde der damalige Film Schweigers dem „Focus“ gezeigt, dem „Spiegel“ nicht. Trotzdem veröffentlichte das Hamburger Nachrichtenmagazin ein mehrseitiges Interview mit dem Hauptdarsteller und Regisseur, in dem er ausführlich seine Pressephobie erläutern durfte. Dessen Ziel war erreicht: Die Aufmerksamkeit für seinen Film war geschaffen.

Denn der Dominoeffekt geht weiter. Kaum ein Verantwortlicher einer Filmredaktion kann es sich leisten, den Film nach solcher Publicity zu ignorieren.

Die großen Nachrichtenmagazine dürften „Schutzengel“ nun wohl alle gesehen haben. Auch die Journalisten, die mit Schweiger reden durften, haben wohl den gesamten Film gesehen. Das soll nicht vor allen Junkets der Fall gewesen sein.

Und die Journalistengewerkschaften? Fordern sie Solidarität mit den ausgeschlossenen Kollegen? Sie schweigen seit Jahren zur Causa Schweiger.

Foto: Damien D., Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic license.

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Date posted: Montag, September 17th, 2012 10:23 | Under category: Medien
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