Geben wir dem Wetter die Schuld. Wenn die Wolken miesepetrig herumhängen, kann keine Stimmung aufkommen. Ich war vorgestern, in angenehmer Begleitung der Dame meines Herzens, auf dem Kreuzberger Kreuzberg. Dort stehen zu Zeit Jahrmarkbuden herum. Motto: "Kreuzberger Festliche Tage" - ein so genannes "Volksfest".

Ich wollte schon immer wissen, was eigentlich das "Volk" ist - und seine Feste. Nun gut, "Bevölkerungsfest" hört sich blöd an. Zugunsten der Veranstalter nehmen wir an, dass diese sich des kleinen Unterschieds nicht bewusst waren. Ich kenne für die Art von Events aus meiner Kindheit nur zwei Worte: Kirmes oder das noch ältere "Kirchweih". Damit assoziiere ich Wirtshausschlägeereien und eine Atmosphäre wie beim Schützenfest: Ein großes Bierzelt, grölende Männer und Schrummtata-Musik. Kurz gesagt: Grauenhaft.

Das vorgestrige "Volksfest" fand, des Wetters wegen, so gut wie ohne Volk statt. Bonjour tristesse: Ein paar Leutchen saßen da herum und lauschten einem tapferen Alleinunterhalter, der gar nicht schlechte Country-Musik von sich gab.

Nebenan aus den Buden der winzigen Achterbahnen und anderen Blechgefährte, die Leute in irgendeiner Art und Weise umherschleudern, ertönte Rockmusik. Vor dreißig Jahren wäre das noch anders gewesen. Damals hätte man Heino hören können und andere "Volksmusik", die einem die Zähne im Zahnfleisch lockert und die heute ohne Gewissensbisse insbesondere vom MDR in die Weltgepustet wird. Im Beitrittsgebiet hat man es, wenn es um Kultur geht, gern ungehobelt. Musik für den White Trash, wie man das in den USA nennt.

Ich habe mir ganz volkstümlich eine Bratwurst gegönnt. Zwei kleine Mädchen radelten den Kreuzberg hinunter. "Das ist verboten" schrie natürlich jemand hinterher. So ist das deutsche Volk eben.

BURKS ONLINE 08.09.2006
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