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Texte sollen "korrekt, verständlich, angenehm und anregend sein, fordert "Deutsch für Kenner." Wenn Sie also wissen wollen, wie man es nicht machen soll, lesen Sie eine aktuelle Pressemitteilung des DJV vom 10.03.2006: "DJV richtet journalistische Bildungsarbeit neu aus" (Das "J" steht für "Journalisten"!).
Der Autor dieser unmaßgeblichen Zeilen, das sei dem zufällig vorbeisurfenden Publikum verkündet, ist bekanntlich solidarisch und kollegial wie die Schweizer bei Asterix: Er prügeln auf das Dumme, Unwahre, Böse und Hässliche ein, verbindet aber danach die Wunden. Schreiben kommt nicht aus dem Bauch, sondern ist ein Handwerk, das erlernt werden kann und muss. Der Lehrling sollte nur exakt das tun, was der Sprachpapst alias Wolf Schneider befiehlt, zum Beispiel in "Deutsch für Profis". Kaum ein Journalist wird sich trauen zuzugeben, das Buch nicht zu kennen, aber nur sehr wenige scheinen es gelesen zu haben. Man muss ja nicht gleich den Ehrgeiz entwickeln, das Sprachgenie eines Heinrich Heine oder gar eines Lichtenberg zu imitieren! Der schrieb - an Pressesprecher gerichtet: "Der Respekt gegen Dichter, die man nicht versteht und doch erreichen will, ist die Quelle unserer schlechten Schriften."
Noch etwas, zugunsten des Pressesprechers des DJV: Pressesprecher können bekanntlich nicht schreiben, sonst wären sie Schriftsteller oder Journalisten. Es heisst bewusst: Pressesprecher. Pressesprecher wird man, wenn man als Freelancer finanziell nicht zurechtkommen will oder nicht weiß, wie das in freier Wildbahn geht. Aus diesem Grund werden Rechtsanwälte oft auch Verbandsanwälte, oder, wenn es intellektuell noch nicht einmal dazu reicht, "Mitgliederbetreuer".
Was will der DJV? Seine Bildungsarbeit qualifiziert neu strukturieren. "Qualifiziert" ist kein Adverb, das dem hässlichen Unwort "strukturieren" zu einem bunteren Kostüm verhülfe. Wer wollte das Gegenteil vermuten? Etwa eine unqualifizierte Durchführungs- und Ausführungsverordnung für das Umstrukturieren? Die Möbelpacker strukturierten die Wohnung dergestalt neu, dass sie die Möbel qualifiziert hinaustrugen.
Munter geht es mit dem sinnfreien Bürokratensprech weiter: Was will der DJV? Seine Bildungsarbeit mit neuen Inhalten versehen. "Versehen" ist das zweitschwächste Verb, das einem hier einfallen könnte. Schlechter wäre nur der Satz: Der DJV tut seine Bildungsarbeit ändern. Der Bauer versieht seinen Acker mit Saatgut, und der Ackergaul versieht den mit frisch gesäter Saat versehenen Acker mit Pferdekacke. Der Mann hat die Frau mit einem Kuss versehen, die wiederum versah die Backe des Mannes mit einer Ohrfeige. Mit neuen Inhalten also - nicht mit unqualifizierten Inhalten oder womöglich gar keinen? Das wollen wir nicht hoffen.
Der Leser ist noch nicht aus dem ersten (!) Satz entlassen; der quält sich holpernd weiter: "...den veränderten Rahmenbedingungen in der journalistischen Weiterbildung Rechnung tragen." Drei Mal endet ein Wort - in einem Nebensatz- mit ung: Eine reife Leistung! Das Politbüro des Zentralkomitees hätte es nicht besser ausdrücken können. "Rahmenbedingungen", gar die veränderten, ist Blähdeutsch, Wortgeklingel, von dem Wolf Schneider sagt: "Wahrscheinlich ist überhaupt nichts gemeint." Was wären die Bedingungen ohne ihren Rahmen? Und was bedingt was? Der Satz hat keinen Rhythmus, keinen Klang, er hört sich gesprochen fürchterlich an. Das soll jemand mit Vernügen lesen?
Wie könnte man es besser machen? Wir müssen die Nomen zertrümmern und durch Verben ersetzen. Alles ist anders geworden ("veränderte Rahmenbedingungen")? Kann man also weglassen. "In Rechnung tragen" meint "erwägen", "bedenken". Also: Wir können Weiterbildung nicht mehr so betreiben wie bisher. Es ist alles anders geworden, und das müssen wir bedenken. Wer hätte das gedacht?
"Die Weichen dazu wurden heute..." Das ist kein deutscher Satz. Redet so ein normaler Mensch, dem der Mund gerade gewachsen ist? Den Arsch habe ich mir abgewischt. Den Hut setzte der Vater auf. Keine Ahnung hat der Pressesprecher von Sprache und Stil. Vermutlich stammt die verdrechselte Wortstellung aus den Nachrichtenagenturen: Journalisten schieben zwanghaft das, was sie für wichtig halten, nach vorn, ganz gleich, ob das den Satzbau durcheinanderwürfelt oder nicht. Man fürchtet offenbar, dass der Leser nur den Anfang des Satzes aufnimmt und den Rest überliest. Aber nur dann, wenn man langweilig und wurstig schreibt und Satzpolypen erzeugt!
Es geht so weiter: "...wurde die Auflösung des Vereins (...) beschlossen." Ja, wir hatten im letzten Satz kein ung und vermissten den Nominalstil schon! Ich nahm die Öffnung des Marmeladenglases vor. Lenin fragt: Wer wen? Wer löste auf? Der Deutsche Fachjournalisten-Verband e. V. hat das in seiner Pressemeldung zwar nicht übermäßig elegant, aber verständlich hinbekommen: Das Bildungswerk blabla wird aufgelöst. Das beschloss die Mitgliederversammlung. Und anschließend folgt das Kleingedruckte, das nur die Eingeweihten interessiert.
Es kommt noch ärger: Der erste Absatz der Pressemeldung wiederholt in einem Zitat genau das, was vorn steht, sogar mit den gleichen bräsigen Worten: Rahmenbedingungen, Struktur. Und der letzte Satz hat sage und schreibe 39 Wörter. Dazu scheibt Wolf Schneider in "Deutsch für Kenner": "Beim wievielten Wort setzt in einem gehörten Text das Verständnis aus? (...) Bei siebenjährigen Kindern mit dem achten Wort, bei einem Drittel aller Erwachsenen mit dem elften Wort; bei mehr als der Hälfte aller Erwachsenen spätestens mit dem vierzehnten Wort." Sieben Prozent der Sätze in der Bild haben vier Wörter oder weniger, der Durchschnitt der Wörter ist zwölf. Die Obergrenze der optimalen Verständlichkeit liegt, laut dpa, bei neun Wörtern. Das Johannes-Evangelium der christlichen Bibel und die Buddenbrooks Thomas Manns haben im Durchschnitt 17 Wörter pro Satz.
"...neue Entwicklungen in der Aus- und Weiterbildung". Der Leser fragt sich neugierig: Was entwickelt sich denn da? Der Autor dieser unmaßgeblichen Zeilen hat - rein zufällig - Zahlen und Fakten über das Bildungswerk des DJV vor sich liegen. Die Themen der Seminare waren offenbar nicht so interessant, dass sich genug Journalisten dafür anmeldeten. So einfach ist das.
Doch halt: Es gibt Ausnahmen! Am "Adhoc-Seminar" "Im Fadenkreuz der Regierenden" am 14.12.2005 haben zahlreiche Journalisten teilgenommen. Man nahm sogar nicht jeden. Der Autor bekam, nachdem er sich angemeldet hatte, einen Brief von Volker Hummel, dem Vorsitzenden des Bildungswerks. Man könne die Anmeldung "leider nicht berücksichtigen". "Aufgrund ihrer Erfahrung und Arbeitsweise sind Sie für dieses Seminar 'überqualifiziert'."
Das schmeichelt. Aber waren die Seminare des Bildungswerks nur für die Doofen? Oder nur für Pressesprecher, die "investigativ" nicht buchstabieren können? Leider wissen wir nicht, ob es in Deutschland zu viele überqualifizierte Journalisten gibt und die Zahl der Teilnehmer, die sich in den vergangenen Jahren zum DJV verirrten, daher klein war. Das wäre aber endlich eine gute Nachricht und ließe für die Zukunft des Berufsstandes hoffen.
Verehrtes Publikum! Zum Schluss eine Pressemeldung von Otto Heinrich Kühner, die auch als Rede zu beliebigen Anlässen benutzt werden kann: "Im Namen, willkommen heißen, Ausdruck verleihn, Echtes Bedürfnis, bedanken und Meilenstein; Prioritäten setzen, sich aufdrängende Fragen, Denkanstöße, wesentlich dazu beitragen; Suche nach der Identität, ins Auge fassen, Stellung beziehen und Pläne reifen lassen; Optimale Lösung, Position und Transparenz, Plattform, Entschiedenheit und Konsequenz, Fragenkomplex, Problematik und Kriterium, Zu erkennen geben, Anliegen und Wissen um; Unverzichtbar, weitgehend und beispielhaft, Wichtige Impulse, Initiative, Errungenschaft, Spielraum, dringende Bitte, der Sache dienen, Gegenwärtige Situation. Ich danke Ihnen."
Noch besser ist die kurze Allzweckfassung einer Rede oder mündlich vorgetragenen Pressemeldung von Karl Valentin. Ich habe sie neulich in der U-Bahn gelesen und musste so losprusten, dass die anderen Fahrgäste mich erstaunt ansahen:
"Wehe dem, der sich selbst, wehe dem, dem derjenige nur das ist, was wir uns von diesem erwartet haben. Selbst ist die Frau! Meine Herren! Wenn die Besonnenheit uns von unseren Sorgen, deren wenige ein verblendendes Spiel in uns gesetzt zum Zwecke des Mittels, einen wie bei jedem, wir können nicht das gute Gewissen mit derselben Resignation verknüpfen, der unserem Standpunkt von vorneherein gegenüberstand." | ------------------------------------------------------------ BURKS ONLINE 11.03.2006 Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des BurksVEB.
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