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Immer noch kein Urteil: Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg will erst in den nächsten Tagen entscheiden, ob die Einstweilige Verfügung gegen den Verein Wikimedia bestehen bleibt. Ich gehe davon aus, dass die medienkompetenten Leserinnen und wissenden Leser sich ohnehin schon über das Geschehen informiert haben.

Der Heise Newsticker hat am 31.01. ("Wikipedia-Prozess wegen Tron-Artikeln: "Volkstribunal" vs. "Meinungsfreiheit") und am 02.02. ("Juristisches Tauziehen um Wikipedia.de geht weiter") ausführlich berichtet. Eine kurze Vorgeschichte des Falls findet man auf Wikipedia; dort bahnt sich schon der nächste Edit War an, da offenbar die Versionsgeschichte gelöscht worden ist. Auch der Pressespiegel ist noch da. Der an Juristerei Interessierte sollte im Berlin Blawg den Kommentar zum BGH-Urteil zum Persönlichkeitsrecht studieren.

Ich war bei der Verhandlung anwesend und wette darauf, dass das Gericht die einstweilige Verfügung aufheben wird, Wikimedia also Wikipedia problemlos verlinken darf. Der Name "Boris Floricic" wird ohnehin weiter in dem betreffenden Artikel über den verstorbenen Hacker genannt werden.

Thorsten Kleinz schreibt bei Heise: "In der mündlichen Verhandlung am Dienstag hatte das Gericht eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts durch den Wikipedia-Artikel verneint, da dort keine ehrverletzenden oder verfälschenden Angaben gemacht werden. Der Anwalt des Vaters Friedrich Kurz hatte daraufhin mit der Verletzung des Persönlichkeitsrechts seines Mandanten argumentiert, da dieser der einzige Träger seines Nachnamens in Deutschland sei und in den vergangenen Wochen wiederholt von anonymer Seite belästigt worden sei." Dem ist nichts hinzuzufügen.

Ich bin im Gegensatz zu vielen Postern im Heise-Forum Amtsgericht

und im de.org.ccc der Meinung, dass Friedrich Kurtz, der Anwalt der Eltern, seine Sache aus juristischer Sicht gar nicht schlecht macht. Die Frage war zunächst: Gilt das "postmortale Persönlichkeitsrecht" hier und fällt die Nennung des Namens darunter? "Gegen die Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts durch Dritte, die rechtswidrig und schuldhaft das Ansehen des Verstorbenen verletzt haben, können nur nahestehenden Angehörige vorgehen (Aktivlegitimation)."

Das so genannte Gründgens-Urteil a.k.a "Mephisto-Entscheidung" ist vergleichbar. Nur sah das Gericht im Fall Trons keine Angriffe gegen den Verstorbenen. Der Anwalt der Kläger stand nach meinem subjektiven Eindruck von Anfang an auf verlorenem Posten - und wusste das. Daher versuchte er, das Persönlichkeitsrecht des Vaters zusätzlich ins Spiel zu bringen und argumentierte, der Name "Floricic" sei so selten, dass der vater ein Recht darauf habe, den zu schützen. Eine eidesstaatliche Versicherung wurde vorgelegt, dass nach Wissen des Vaters er der Einzige sei, der in Deutschland diesen Namen trage. Der ist in Kroatien nicht selten, es gibt sogar einen Ort Florici .

Die Forderung, Wikipedia solle sich an den deutschen Pressekodex halten, ist eher abwegig. Warum sollte man sich überhaupt daran halten? Und wenn, dass gälte der für Presseerzeugnisse und nicht für Online-Lexika. Konventionalstrafen, wenn man den Kodex missachtet, gibt es ohnehin nicht. Der Pressekodex ist im juristischen Sinn so wertlos wie ein Disclaimer.

Wie geht es jetzt weiter? Der Name, um den es geht, ist bekannter als je zuvor. Vor diesem Hintergrund würde auch eine Klage gegen das Buch "Offenbarung 23", das den Mythos Tron schamlos und ohne Not ausnutzt, wenig Erfolg versprechend sein. Der Richter hat den Streitwert des Verfahrens auf 1000 Euro heraufgesetzt - Berufung ist also möglich.
Amtsgericht

Ein Gutes hat das juristische Gezerre: Die Wikipedia-Community wird sich Gedanken darüber machen müssen, was "Neutralität" oder "Objektivität", zumal bei noch lebenden Personen, heissen kann. Die Naivität der scientific community zu Urzeiten des Usenet wiederholt sich: Auch damals glaube man, über bloße Appelle an die Netiquette erledigte sich das Troll-Unwesen von selbst. Das war aber nicht so. Demnächst werden sich also die üblichen Verdächtigen, auch Politiker, jeweils einen eigenen Autor halten, der die Einträge im größten Online-Lexikon der Welt überwacht und so subtil umschreibt, dass das, was dort steht, in seinem Sinne ist. Vermutlich ist das ein Beruf der Zukunft und eine Option für die Werbebranche, die einzelne prominente Kunden betreut: "Wikipedia-Umschreiber".

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