www.burks.de

Manchmal schämt man sich, ein Deutscher zu sein. Vor allem dann, wenn sich wieder auf's Schönste beweist, dass die Demokratie nur wie ein hauchdünner Firnis über dem Staatswesen liegt und ein kleiner Kratzer schon den Obrigkeitsstaat und sein Pendant, den Untertan, zum Vorschein kommen lässt. Besonders ärgerlich, dass das Gesagte in bestimmten Fällen auch für einen großen Teil der Medien gilt. Es muss nur jemand melden, durchführen, verbieten! rufen, dann kuschen sie alle.

So auch hier: Der kackbraune Kamerad Horst Mahler soll nicht nach Persien ausreisen dürfen. Man hat ihm den Pass für sechs Monate entzogen. (Die Märkische Allgemeine hat das jedoch relativiert.) "Der Iran plant eine Konferenz über wissenschaftliche Belege für den Holocaust," schreibt die taz. Bei diesem Meeting wird vermutlich so viel herauskommen, als würden der Papst und Ayatollah Seyed Ali Khamenei ein Symposium über den Atheismus abhalten.

Die juristische Grundlage für den Entzug des Passes steht im Passgesetz, § 7, Absatz 1,1: "Der Paß ist zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, daß der Paßbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet".
Hotte Mahler

Die üblichen Verdächtigen loben die Maßnahme der zuständigen Behörde, des Ordnungsamtes Kleinmachnow.

Ich habe mir alle Medien online angesehen, die über das Thema berichtet haben. Es gibt keine, ich wiederhole: keine kritische Stimme, die fragt, ob es sinnvoll sei, einem Bürger Deutschlands zu verbieten, in andere Länder zu reisen, um dort widerwärtige Ideen zu propagieren. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Der Staat nimmt sich heraus, seinen Bürgern zu untersagen, woanders ihre Meinung zu verkünden. "Erhebliche Belange" - das schmeckt nach Willkür der Obrigkeit. Man riecht sofort die deutsche Beamtenmentalität: Der Pass ist eine Gnade, und der Untertan hat darum zu winseln, dass ihm großzügig etwas gewährt wird.

Wann Mahler, wie man vom ihm gewohnt ist, antisemitische Hetztiraden verbreitet hätte, ist noch nicht einmal klar. "Der Termin der von der iranischen Regierung geplanten Konferenz von Revisionisten aus der internationalen rechten Szene sei noch nicht bekannt, sagte Verfassungsschutzchefin Winfriede Schreiber." (Die taz zitiert die Skandalbehörde Verfassungsschutz - warum? Weil man schon immer so gemacht hat. Man hätte vielleicht fragen können, ob der Verfassungsschutz einige seiner Neonazi-Spitzel nach Teheran schicken will.)

Das brandenburgische Innenministerium, die treibende Kraft hinter der DDR-kompatiblen Maßnahme, fürchtet laut Welt "eine gravierende Beschädigung des Ansehens Deutschlands, sollte Mahler in Teheran den Holocaust leugnen." Das ist ja lächerlich. Als wenn der fanatische Antisemit Hotte Mahler das "Ansehen" eines Staates, bei wem auch immer, irgendwie beeinträchtigen könnte! Außerdem braucht Mahler nicht den Holocaust zu leugnen, das macht der iranische Staatspräsident vermutlich persönlich. Bei dieser Angelegenheit wird wieder hysterisch eine Mücke zu einem Elefanten aufgeblasen, und wahrscheinlich ist Mahler stolz darauf, wieviel Wirbel um seine Person gemacht wird. Aber, Kamerad Schönbohm, der Hang zum Verbieten stellt sich bei Deutschen quasi automatisch ein, wenn man, wie man es von Ihresgleichen kennt, zu oft salonfaschistische Blätter liest.

Die Deutschen sind es noch nicht gewohnt, dass die Werte der Demokratie höher zu achten sind als das moralisch gut Gemeinte. Wenn einem Neonazi die Bürgerrechte verweigert werden, dann findet man niemanden, der das so Hotte Mahler

vehement kritisiert, wie das in den USA die ACLU, die American Civil Liberties Union tun würde. Und deutsche Journalisten sind mehrheitlich staatsfromme Untertanen und Duckmäuser, wenn es darum geht, eine politische Meinung zu vertreten, die sich vom bräsigen Mainstraem und common sense auch nur marginal unterscheidet. Sie trauen sich nichts. Ihr Chef könnte sie ja scheel ansehen.

Also: Lasst Mahler ausreisen! Oder erkennt ihm die deutsche Staatsbürgerschaft ab, wie es bei Linken schnell geschieht. Vielleicht gefällt es Mahler ja unter Seinesgleichen so gut, dass er nicht mehr zurückkommt. Ich würde es vermutlich auch interessanter finden, in der Großstadt Teheran zu leben als in Kleinmachnow. Im Iran könnte man noch Revolutionen anzetteln, im Beitrittsgebiet und unter Deutschen kann man das für alle Ewigkeit vergessen.

------------------------------------------------------------

KOMMENTARE I
für alle Leserinnen und Leser

KOMMENTARE II
nur für registrierte Nutzerzinnen und Nutzer

POLITIK AUF SPIGGEL.DE

Hamas: The Charter of Allah
- Dokumentation

Alles nur Gefasel
- Merkel in Moskau

Hurra! Viva Chile!
- Michelle Bachelet ist neue Präsidentin Chiles

Neonazis quälten Pömmelter
- Wir basteln uns eine Rechtsextremismus-Meldung

Terror-Video
- Macht und Ohnmacht der bewegten Bilder

Jetzt reicht's, Schäuble!
- Rechtsstaatliche Prinzipien? Ganz egal.

Fußfesseln für CDU-Politiker?
- Kampf gegen christliche Hassprediger

Richter Alexander Hold und die Neonazis
- Volkserziehung im TV