Wenn ich Schröder wäre

Von Burkhard Schröder

Nein, nein, liebe KommentatorInnen: Es ist ja nicht zum Aushalten. Ihr betreibt Kaffeesatzleserei wie in den Zeiten, als es um die Macht im Kreml ging. Ein Rülpser, und schon plappern alle wild drauf los. Die Welt zum Beispiel hat gehört: "Müntefering bekräftigte zwar die Aussage, Schröder sei der geeignetere Kanzler. Doch auf die Frage, wie sicher er sei, daß Schröder Kanzler bleibe, sagte er: 'Das ist im Moment ungeklärt', wie es auch für Unionskandidatin Angela Merkel unklar sei." Das wussten wir alle schon vorher. Pantha Rhei, wie die alten Griechen sagten: Alles im Fluss.

Daraus machen dann alle eine Meldung darüber, was Münte nicht gesagt habe. Man kann jedoch auch andere Zeitungen lesen. Die Netzeitung über die Folgen des Nachwahl in Dresden: "'Das wird für die Koalitionsverhandlungen, glaube ich, keine Veränderungen bedeuten', sagte SPD-Chef Franz Müntefering am Sonntagabend in der ARD".

Die Süddeutsche behauptet sogar genau das Gegenteil: "Müntefering hält an Schröder fest". "'Wir sind der Meinung, es wäre das Optimalste, das Beste, wenn eine solche Regierung von Gerhard Schröder geführt würde'," (By the way: "optimal" kennt keinen Superlativ. Oder hat den ein zerstreuter Redakteur hineingeschmuggelt?)

So what? Es ist gar nichts passiert. Und das ist gut und lustig so. Schröder (der Kanzler) muss gar nicht abtreten, sondern nur einfach auf seinem Posten sitzen bleiben. Kohl lässt grüßen. Niemand kriegt ihn da weg. Ich würde es genau so machen und mir eins feixen. Wenn keine andere Partei oder Koaliton eine Kanzlermehrheit gebacken bekommt, dann kann man einfach weiterregieren - als Minderheitsregierung. Diese Drohung ist zu realistisch, als dass die CDU sie nicht berücksichtigte.

Das ist nämlich so: Schröder weiß, was Machtpolitik ist. Die nimmt keine Rücksicht auf Befindlichkeiten oder das, was die Presse herbeischreibt. Wenn die CDU nicht klein beigibt, bliebe alles so, wie es ist, oder alle müssten sich auf Neuwahlen einigen. Das Volk, der alte Lümmel (Heine), würde aber nichts anderes wählen als vorher. Eher käme es so, dass die SPD zulegte, wie sich bei den Zweitstimmen in Dresden gezeigt hat.

Tja. Dumm gelaufen für die Bürgerlichen. Merkel hat doch pathetisch verkündet, es werde keine große Koalition geben. Mag sein, dass alle das vergessen - aber nicht die wohlwollenden Stammleserinnen und geneigten Stammleser dieses kleinen obrigkeitsfeindlichen Familienforums. Und noch einmal - die Berliner Morgenpost: "'Eine große Koalition wird es nicht geben', sagte die CDU-Vorsitzende im Interview der Berliner Morgenpost." Schrlöder himself laut SWR: "'Das kriegen Sie nicht hin', sagte er an Merkel gewandt. 'Die Deutschen haben in der Kandidatenfrage eindeutig votiert', so Schröder weiter. Kanzler könne nur er sein. Als er gefragt wurde, ob er sich eine Koalition mit der Union unter seiner Führung vorstellen könne, antwortete der Regierungschef: 'Was denn sonst?'

Fazit: Alles Lüge? Natürlich. Politiker sind darauf spezialisiert, so zu lügen, dass sie bei dem bekanntlich kurzen und schlechten Gedächnis der Medien erst dann ertappt werden, wenn sie vollendete Tatsachen geschaffen haben und ihnen die Empörung der Gutmeinenden am Gesäß vorbeigeht. Meine Vorhersagen könnten also noch eintreffen: Tolerierte Minderheitsregierung oder Stoiber. Aber Merkel wird es nicht. Ich kann nur zustimmend meinen Namensvetter zitieren: Das kriegt sie nicht hin.

Fotomontagen oben und Mitte: Burks