MACH MEHR AUS DEINEM RECHNER Die Entwicklung schreit nach EvolutionVon Burkhard Schröder
Vielleicht stirbt der Personal-Computer aus, während die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser noch leben. Diese Geräte haben etwas Saurierhaftes an sich. Und an einem ruhigen Sonntag, kurz nach dem Frühstück, bei den wunderschönen Klängen von Manu Chao, ist die rechte Zeit, um darüber zu philosophieren.
Was ist ein Computer und zu welchem Ende studieren wir ihn? Wikipedia sagt dazu: Ein Computer /kɔmˈpjuːtɐ/ (englisch compute, latein computare, deutsch [zusammen-]rechnen) oder Rechner (latein computator) ist ein Apparat, der Informationen mit Hilfe einer programmierbaren Rechenvorschrift (Algorithmus) verarbeiten kann (Datenverarbeitung). Der englische Begriff computer, abgeleitet vom Verb to compute (rechnen), entstand im 19. Jahrhundert als Bezeichnung für Volkszähler. Zunächst wurden Arbeiter, die entsprechende Maschinen bedienten, als Computer bezeichnet, später ging der Begriff auf diese Maschinen über.(...) Ursprünglich war die Informationsverarbeitung mit Computern auf die Verarbeitung von Zahlen beschränkt.
Das ist noch viel zu kompliziert ausgedrückt. Ein Computer ist eine Maschine, die das macht, was früher der Homo sapiens allein bewerkstelligen musste, also ein schlichtes Werkzeug. Der Mensch lagert eigene physische Fähigkeiten aus, wie den Hammer, den Speer, den Pflug. Ein klassisches Thema für Science-Fiction-Romane: Ab wann ähnelt das "Ausgelagerte" seiner Quelle - dem menschlichen Original - so sehr, dass es ein Eigenleben entwickelt? Mensch-Maschinen-Schnittstellen gibt es ohnehin schon viele, wie Beinprothesen oder Herzschrittmacher. Es wird nicht mehr lange dauern, und die Chips vernetzen sich mit dem Gehirn. Wieder, muss man sagen, denn die Idee, einen Chip zu bauen, war vorher ohnehin in den Köpfen vorhanden. Die Idee kehrt in materieller Form zu ihrem Schöpfer zurück. Rein kosmologisch-teleologisch gesehen sehr interessant. Aber um das weiterzuspinnen, brauchte ich eine Flasche Wein. Dazu ist es jedoch zu früh.
Der Computer arbeitet wie das klassische Fließband, das in der Industrie insoweit ausgestorben ist, als Roboter in den kapitalistischen Ökonomien die Funktion des Proletariats übernommen haben oder das bald tun werden. Mit dem Rechner verliert der Homo sapiens bestimmte kognitive Fähigkeiten - wie das mühsame Kopfrechnen. Das ist nicht zu bedauern: Wir können heute auch nicht mehr die Odyssee Homers oder das Nibelungenlied auswendig vortragen, wozu einige unserer Vorfahren noch in der Lage waren. Dafür wäre Walther von der Vogelweide schon bei Tetris gnadenlos gescheitert.
Das persönliche Werkzeug wird immer zu einem allgemein verfügbaren, zumal ein geeignetes Ausgabegerät für Daten schon jetzt erschwinglich ist. In der so genannten Dritten Welt ist der mit dem Internet verbundene Rechner weniger Privatsache, sondern eine öffentliche - in Form von Internet-Cafés und dergleichen.
Wohin das führt? Nicht der Rechner ist interessant, sondern das Wissen der Welt in digitaler Form, das die Ausgabegeräte anzeigen. Und davon wird es mehr geben: Die "intelligente" Kleidung ist nur eines davon. Irgendwann werde ich mit meiner Armbanduhr oder mit der Innenseite der brille googeln können.
Und nun zu meinem Ausgabegerät für das Internet. Ich habe mich gestern beherzt entschlossen, von einem E-Mail-Programm auf ein anderes umzusteigen: Vom Thunderbird Mail Client auf Ximian Evolution, beide für Linux. Ich rätsele herum, wie man die Millionen Fliegen, die immer noch um den Outlook Express-Haufen herumschwirren, überzeugen könnte, dass es woanders viel besser riecht. Wer einmal Evolution als MUA (für DAUs: Mail User Agent) genutzt hat, als Organizer, als Terminkalender, der fragt sich, warum man jemals auf die Schnapsidee verfallen könnte, Mikroschrott wie Outlook überhaupt anzufassen.
Sogar das Verschlüsseln der Mails funktioniert automatisch. Nun gut, da ich es gern kompliziert habe (mit Frauen wie mit Computern), habe ich mich auf die Kommandozeilenebene begeben und ein wenig auf den Tasten herumgehämmert. Wobei wieder ein neuen GnuPG-Schlüssel herausgekommen ist. Demnächst mehr in diesem Theater. Übrigens: mein Browser zeigt sogar die aktuellen Schlagzeilen an. Aber ich will es nicht übertreiben. Schleichwerbung ist in aller Munde.
Und nun? Das Wetter [Video, 335 KB, avi-Format] ist klar, nicht zu kalt, nicht zu warm. Sonntägliche Stille liegt über den Kreuzberger Auen, Wäldern und Feldern. Ich werde jetzt die Laufschuhe anziehen, mich fünf Minuten auf mein Rennrad setzen und dann laufen, laufen, laufen. Als Kader einer Journalisten-Gewerkschaft braucht man Kondition. Vor vier Tagen habe ich, nach einer mehrmonatigen Trainingspause, schon die Hälfte meiner normalen zweistündigen Strecke geschafft. Heute will ich auf 80 Minuten kommen. Joschka, ick hör dir trapsen. Vielleicht begegne ich ja einer attraktiven Leserin oder einem sportlichen Leser, wenn ich meinen Wendepunkt am ehemaligen Wachtturm erreiche. Ich werde aber nicht anhalten, weil ich vermutlich ziemlich hechele. |