KÜNSTLER GEGEN KLINGELTON-ABZOCKE

Die Klingelton-Seuche

Von Burkhard Schröder

Der Mensch an sich ist träge und bewegt sich nicht. Wenn es jedoch an das liebe Geld geht, sieht es schon anders aus. Neulich hatte ich eine Handy-Rechnung von über 130 Euro. Also rund 100 Euro mehr als gewöhnlich. Zudem war das gar nicht mein Handy, sondern das meines sozialen "Söhnchens" (was wiederum meint: nicht biologisch, sondern das Kind meiner Ex). Dem bezahle ich zusätzlich zum Taschengeld auch ein Handy. Muss irgendwie sein. Ich hatte jedoch die pädagogisch wertvolle Belehrung vergessen, dass ein Abonnement schwachsinniger Klingeltöne verboten sei und es zudem nicht opportun, bei jeder "Premium-SMS" zu antworten. Die Belehrung habe ich in strengem Tonfall nachgeholt. Aus Schaden wird man klug. Aber woher soll ein Kind von 12 Jahren wissen, was warum wie oft und wieviel ein Klingelton kostet?

Zum Konzern Jamba habe ich mich in einer Reportage für den Berliner TIP schon einschlägig geäußert. Damals ging es eher um den Umgang mit Mitarbeitern, den Friedrich Engels vermutlich in seiner Abhandlung über "Die Lage der arbeitenden Klasse" lobend erwähnt hätte.

Auf meiner Rechnung standen zwei Abonnements. Die versuchte ich loszuwerden. "Minderjährige können keine Verträge abschließen." - "Es gab keine Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten." - "Warum machen Sie von der Verbraucherschutzzentrale nichts?" Was man so sagt, wenn man auf 180 ist. Und ich kann sehr nachdrücklich sein, wenn ich auf 180 und knapp darüber bin. Die meisten Telefonate endeten schnell im Dissens. Auch das mit einem Anwalt des Berliner Verbraucherschutzes, der mir nicht viel raten konnte, mich aber nach wenigen Minuten darüber aufklären wollte, dass es sich jetzt bei dem Telefonat um eine kostenpflichtige Angelegenheit handele. Dazu war ich gerade in der richtigen Stimmung und habe mich auch dementsprechend klar und deutlich geäußert.

Das Jamba-Abo wurde ich los, weil ich meine Informanten dort heimlich angerufen habe. Dann tauschte ich mit meinem Söhnchen die SIM-Karte, um die Kontrolle zu haben. Mein Zweit-Handy habe ich dann auch noch im Zug liegen und die Karte sofort sperren lassen. Das ist natürlich eine umständliche und auf Dauer auch kostspielige Art, Klingelton-Abos loszuwerden.

Es gibt Firmen, so sagte man mir, die lassen eine Software alle möglichen und denkbaren Handy-Nummern automatisch durch- und ausprobieren und verschicken an die so genannte Premium-SMS". schlappe 3,99 Euro oder so die Antwort. Wenn das nicht Abzocke ist, dann gibt es keine Abzocke. Bei diesem Thema denke ich über die Wiedereinführung der Bastonade nach.

Jetzt hat sich eine Initiative von Künstlern gebildet, die mit Musik gegen die Klingelton-Seuche vorgeht: ringtonetrap.de heißt die Website, die ich hiermit den wohlwollenden Leserinnen und geneigten Lesern empfehle.

"Klingelton-Abos sind Schuldenfallen - hauptsächlich für Kinder. Das Musikfernsehen ist zum Klingelton-TV degeneriert. Die Verbraucherschutzzentralen und Schuldnerberatungen stellen fest, dass Kinder + Jugendliche immer mehr Geld für Klingelton-Abonnements ausgeben. Die Anbieter nutzen legale Spielräume bis an die Grenze aus, um den Kindern und ihren Eltern oft unbemerkt in die Tasche zu greifen. Die Geschäftsbedingungen sind kaum zu verstehen, die Abonnements schwer zu kündigen. Helfen sie unseren Kindern und Jugendlichen das traurige Spiel zu durchschauen!"

Ich empfehle auch Unterrichtshilfe Finanzkompetenz. Ein sperriger Name, den sich auch ein Jugendschutzwart hätte ausdenken können und der vermutlich gut gemeint ist.

Ich gebe es ja zu: Ich gehöre trotz meiner Internet-Affinität zu einer Generation, die naiv denkt, ein Telefon sei zum Telefonieren da. SMS - ein dämlicher Ersatz für Mail, zudem obrigkeitsfreundlich unverschlüsselt und auch noch teuer. Fotografieren? Nun gut, ich habe aber eine Digitalkamera - wozu soll mein Handy grottenschlechte Fotos machen?

Das Problem mit der Klingelton-Seuche per Internet ließe sich natürlich ganz einfach lösen, wenn man ein Gesetz erließe, das die Betreiber verpflichtete, ihr Angebot barrierefrei zu machen. Dann wäre es schwieriger, den lieben surfenden Kleinen ein unverlangtes Abo aufzudrücken. Aber dazu müsste man erst den Kapitalismus abschaffen. Das will noch bekanntlich nicht einmal die WASGPDS.