STUDIE: PROLETARIAT NICHT LINKER ALS ALLE ANDEREN Ein Fünftel aller Gewerkschaftler sind braune Kameraden Von Burkhard Schröder
Ganz verschämt kommt die Meldung daher. Im Videotext von Kabel1, direkt neben dem Hinweis auf lesbische Nacktfotos und andere journalistisch hochwertige Produkte des Privatsenders. (Spiggel.de ist dafür bekannt, gesellschaftlich relevante Informationen bildlich etwas prägnanter aufzubereiten als gemeinhin - hier: im Videotext bei Kabel1 - üblich.)
Nur das Hamburger Abendblatt und die Welt publizieren sie: "Jedes fünfte Gewerkschaftsmitglied denkt rechtsextrem." Diese These wird hiesigerseits und aus aktuellem Anlass natürlich erfreut rezipiert.
Wenn man genauer hinschaut und die schlampig hingeschmierten Textbausteine weglässt, ist das Ergebnis der Studie interessant. Sie wurde von den Gewerkschaften selbst in Auftrag gegeben, ist also nicht affirmativ oder verharmlosend. Die Welt schreibt: " Besonders verbreitet seien solche Einstellungen vor allem unter einfachen Arbeitern (34 Prozent). Unter denjenigen jedoch, die keiner Gewerkschaft angehörten, hätte hier nur in 18 Prozent der Fälle Rechtsextremismus festgestellt werden können,..." Noch einmal ganz langsam von vorn: Arbeiter, die einer Gewerkschaft angehören, sind öfter Rassisten und Antisemiten als Gewerkschftler. Hätten Sie's gewusst?
Leider verrät und niemand etwas über die Kriterien des so genannten "Rechtsextremen". Man muss das Schlimmste befürchten, wenn schon Michael Fichter, ein Mitarbeiter der Studie, das Unwort "Ausländerfeindlichkeit" in den Mund nimmt - begriffen haben die Herrschaften also nichts. (Wieso können die Redakteure unserer "Online"-Medien uns diesen Link nicht anbieten, damit die geneigte Leserin und der wohlwollende Leser sich selbst ein Bild machen können, wer da zitiert wird?)
Ich hätte es übrigens gewusst. Das Hamburger Abendblatt zitiert als einzige Quelle Details: "Überrascht hat noch ein anderes Ergebnis. Bei der Mittelschicht gibt es eineinhalb Mal so viele rechtsextreme Gewerkschafter wie Nichtmitglieder, nämlich 19 zu 13 Prozent. Bei Unter- und Oberschicht dagegen sind die Nicht-Organisierten extremer. Zur Mittelschicht zählen die Forscher Facharbeiter und höhere Angestellte. Sie sind für die Gewerkschaften sehr wichtig, da sie die Hälfte der Mitglieder und viele Funktionäre stellen. "Die Leute haben Abstiegsängste. Sie können die Veränderungen nicht so schnell mitmachen", sagte Volker Roßocha, Referatsleiter beim Bundesvorstand des DGB."
Die ernst zu nehmende Forschung sagt das ohnehin schon seit langem: Diejenigen, die etws zu verlieren haben, sind anfällig für rassistische Ideen. Rassismus ist das Versprechen, nach irrationalem Gutdünken gesellschaftliche Hierarchien zum eigenen Nutzen neu festlegen zu können. Die Verlierer eher nicht. Der öffentliche Diskurs "argumentiert" anders: Dort werden "die Arbeitslosen" mit "Rechtsextremismus" in Verbindung gebracht. Das war schon immer ein Irrtum und ein Vorurteil - aber eben deshalb wird es nicht verschwinden.
By the way: nein, Herr Heitmeyer hat nicht Recht: hier geht es nicht um die so genannten Modernisierungsverlierer, die zu braunen Kameraden werden. Das Begriff ist affirmativ, weil er eine fiktive Teleologie des Kapitalismus (der angeblich "modern" wird) enthält. Das ist jedenfalls strittig.
Jetzt stellen sich jedoch zwei ungelöste Menschheitsfragen: Sind Journalisten linker als Arbeiter? Und: Wenn nicht, was jeder zugeben wird, dann muss man - ganz ohne Studie und Empirie - behaupten: Jedes fünfte Mitglied einer Journalisten-Gewerkschaft denkt vermutlich "rechtsextrem". Ich lasse mich gern um ein paar Prozentpunkte herunterhandeln.
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