WAS MAN GELESEN HABEN MUSS Die fünf gefährlichsten Bücher der WeltVon Burkhard Schröder Die Überschrift springt einem ins Auge wie ein verirrter Tennisball: Die zwölf schädlichsten Bucher der Welt! Nun gut, es handelt sich um eine US-amerikanische Website, die nur das 19. und 20. Jahrhundert meint. Der Grund ist klar: die Bibel soll außen vor bleiben. Die erste Reaktion des obrigkeitsfeindlichen Bürgers ist natürlich: Man schaut in den eigenen Bücherschrank, ob man auch alle besitzt und nicht eines vergessen hat zu kaufen.
"Kommunistisches Manifest": selbstverständlich. By the way, liebe Amerikaner; das ist gar kein Buch, sondern nur eine Streitschrift, die heute als längeres Flugblatt oder im Feuilleton auftauchen würde. Aber, liebe wohlwollende Leserin und lieber geneigter Leser, das Manifest gehört zum humanistischen Bildungskanon - allein wegen der Wucht seiner Sprache. Das muss man einfach laut vor sich hinsagen:
"Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus. Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet, der Papst und der Zar, Metternich und Guizot, französische Radikale und deutsche Polizisten. Wo ist die Oppositionspartei, die nicht von ihren regierenden Gegnern als kommunistisch verschrien worden wäre, wo die Oppositionspartei, die der fortgeschritteneren Oppositionsleuten sowohl wie ihren reaktionären Gegnern den brandmarkenden Vorwurf des Kommunismus nicht zurückgeschleudert hätte?
So formuliert man Flugblätter! Es muss reinknallen, die Leute müssen erzittern oder begeistert jubeln und zu den Waffen eilen und gegen die jeweils Bösen richten! Adelante, obreros, el pueblo, unido, jamas será vencido! Und nicht: "Wir sind gegen Sozialabbau", gegen "Umstrukturierung" und wie die sinnfreien Sprechblasen sonst noch heißen. Aber die Deutschen haben eben kein Pfeffer im Hintern wie die Latinos. Sie setzen sich lieber an Runde Tische und wälzen staubige Akten.
"Mein Kampf" - sollte jeder gelesen haben, der schon einmal eine Lichterkette getragen hat. Sonst weiß man ja nicht, wogegen man ist. Die Deutschen sind die Einzigen, die das Machwerk wirklich für gefährlich halten - dort bekommt man es nicht. Auch wieder guter protestantischer Bildersturm: Wer Bücher verbre..äh...verbietet, glaubt daran, dass diese die Gedanken zum Schlechteren oder Besseren wenden könnten. Das gilt aber nur für gute Bücher, und Mein Kampf gehört definitiv nicht dazu, nicht nur wegen des erbärmlichen und durchweg schwachsinnigen Inhalts.
"Quotations from Chairman Mao" - Chairman hört sich im Englischen gemütlich an, außerdem sah man Mao oft auf Fotos in einem Sessel sitzen, daneben ein Spucknapf. Mal im Ernst: in der Liste ist das garantiert das harmloseste Buch. Nach dem Motto: "Damit unser Land reich und mächtig wird, sind einige Jahrzehnte harten Kampfes notwendig; zu diesem gehört unter anderm, dass man beim Aufbau des Landes den Kurs "Fleiß und Genügsamkeit" einhält, das heißt ein strenges Sparsamkeitsregime durchführt und gegen Verschwendung kämpft." Von Hans Eichel? Vom wirtschaftspolitischen Sprecher der CDU? Nein, von Mao - und gehört über die Tür des Bundestags genagelt. Und dem Genossen Gerhard Schröder kann man nur empfehlen, "Über die richtige Behandlung der Widersprüche im Volke" zu studieren.
"Kinsey Report" - selbstredend: no sex please, we are Calvinists. Oder auch: Die spinnen, die Amis. "Democracy and Education" von John Dewey. Hüstel. Nie gehört. "... rejected traditional religion and moral absolutes." Aha. Wer Religion ablehnt, ist für die Amerikaner ohnehin automatisch des Teufels. Also sympathisch.
Feminismus und Nietzsche: mögen sie offenbar auch nicht. Warum aber der positivistische Auguste Comte oder gar der doch recht harmlose Keynes harmful sein soll, erschließt sich mir nicht. Es wurde übrigens "a panel of 15 conservative scholars and public policy leaders" befragt. Kein Wunder, dass Karl Marx dann gleich zwei Mal genannt wird und auch Mao nicht gut wegkommt.
Die Überschrift verleitet natürlich, eine eigene Hitliste zu erstellen und schädlich durch das wertneutrale "gefährlich" zu ersetzen: Gefährlich kann auch das Gute sein, wenn es in die falschen Hände gerät, zum Beispiel Das Kapital in die Hände deutscher Realsozialisten oder die sinnfreien Spüche und "Lebensweisheiten" Maos in die Hände Pol Pots.
Mein Kapital - genauer: die Werkausgabe der so genannten "Blauen Bände" - ist schon etwas sehr zerfleddert, jedes zweite Wort angestrichen und gespickt mit Zettelchen. Daran sind die siebziger Jahre schuld. Damals war ich während des Philosophie-Studiums, das ich als Hobby neben den seriösen Fächern (weil berufstauglich) betrieb, Tutor in zahlreichen exegetischen Kapital-Kursen. Darauf bin ich nicht stolz, nur darauf, dass ich es damals geschaft habe, mich als bekennender Maoist in einer Gruppe anderer Tutoren des damaligen Professors Wolfgang Fritz Haug durchgesetzt zu haben. Alle anderen sympathisierten mit dem realen Sozialismus der DDR und waren mehr oder minder offen Mitglied der SEW, einem Ableger der SED, oder ihrer Tarnorganisationen. Und die mochten mich ungefähr so wie Luther Thomas Münzer sympathisch fand. Mit anderen Worten: sie verabscheuten mich, wurden mich aber nicht los, weil ich mich ganz gut auskannte und auch nicht auf's Maul gefallen bin - eine Situation, die sich irgendwie immer zu wiederholen scheint.
Gefährlich sind Bücher dann, wenn die Leserinnen und Leser nach der Lektüre geneigt sind, zu einem jihadistischen Kreuzzug aufzubrechen, um ihre Mitmenschen, die andere Bücher lesen, zu massakrieren. Deswegen sind die Juden per definitionem aus dem Schneider: die Christen und Moslims haben ihre heiligen Bücher zwar alle von den Juden abgeschrieben, aber im Original fehlt der christliche Befehl: "gehet hin in alle Völker" und belästigt sie mit einer Botschaft, die nur euch selber froh stimmt. Und die Aufforderung zum muslimichen Jihad. Das heißt: die Verehrer höherer Wesen der jüdischen Art lassen alle anderen in Ruhe - für Christen und Muslime schier unvorstellbar. Und deswegen empfehle ich, die Bibel und den Koran in die Liste der höchst gefährlichen und schädlichsten Bücher aufzunehmen.
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