1436983 500 554 Euro Staatsschulden, berichtet die FAZ. Grund genug, sich mit den Weltläuften, die nur nerven, eine kleine Weile nicht zu beschäftigen, sondern sich dem Privatleben zu widmen. Erstaunlich, wie in der Rückschau die Jahrzehnte zusammenschnurren in Personen, die wichtig waren.
Da war die Studenten-WG in der Charlottenburger Knesebeckstraße, zwei Frauen, zwei Männer, zwei Katzen, immer ein gedeckter, riesiger Tisch à la Kommune I, drei Hochbetten und ein Klavier. Wenn ich mich recht erinnere, exakt zwischen 1977 und 1982. Staatsexamen, ein halbes Jahr südamerikanische Anden zwischendurch, Gründung eines Taxibetriebes. Anne ist jetzt schon zweifache Mutter. Kinder, wie die Zeit vergeht.
Ende der Siebziger: Bettina, die Schöne mit dem Pali-Tuch, die Zeit, in der man sogar Liebesbriefe mit politischen Parolen versah (unten). Fernbeziehung nach Hamburg: Spaziergänge an der Alster, Urlaub an der Nordsee mit dem VW-Bully.
Ich habe mal gerade gezählt, da zur Zeit in den Hausmitteilungen ohnehin alte Lieben auftauchen (vielleicht habe ich nur gerade meine melancholischen Frühjahrs-Wochen): Bettina, das sind schon 28 Jahre her. Und sie ist aktiv und zielstrebig wie immer. Jaja, höhere Tochter, und jetzt double income, one older kid outside, Eigentumswohnung. Und natürlich kein Pali-Tuch mehr. Ach ja, die Erinnerung kommt wieder: da war doch noch eine Nacht in Hamburg, viel, viel später. Aber wenn man sich einmal geliebt hat, dann liebt man sich immer, nur vielleicht auf eine andere Art. Und manchmal wird man auf die erstere Art auch rückfällig. Aber mit dieser Lebensweisheit werde ich bei den geneigten Leserinnen und wohlwollenden Lesern vermutlich kräftigen Widerspruch ernten. Oder etwa nicht?
Wie ist das, wenn so genannte Prominente ihre Biografien schreiben (lassen): in welcher Form tauchen die Ex-LebensabschnittsgefährtInnen dort auf? Ich lese derartige Bücher nie, da ich mit Homer, Wolfram von Eschenbach, Goethe und Thomas Mann aufgewachsen bin, zumindest seit dem Studium. Werden auch Fotos abgedruckt - wie dieses (rechts), das ich immer noch süß finde? Braucht man dazu die Erlaubnis, oder wird ein Mensch, der im Intenet erwähnt wird, dadurch automatisch eine Person des weltöffentlichen Interesses? Das wäre lustig, aber Juristen würden mich mit allergrößter Wahrscheinlichkeit teeren, federn und anderweitig verhackstücken.
Und wenn ich die Zeit Revue passieren lassen, fällt mir auf, dass ich irgendein unerklärbares Faible für widerborstige Mädchen habe, die manchmal finster dreingucken. So wie das Mädchen gerade im TV, in Tiger and Dragon. Aber wo begegnet man in Kreuzberg einer chinesischen Schwertkämpferin? Mann: "Ich will dein Lehrmeister sein! Auf die Knie!" Frau: "Niemals!" Und zieht das Schwert. Das sind Beziehungsdiskussionen, wie man sie sich wünscht.
Da wir, liebe unbekannte Surferin und lieber anonymer Surfer, ins Plaudern geraten: Neulich dachte in an das Buch, das mich in meiner Kindheit am meisten politisch beeinflusst hat: "Die Chronik des Staates Neulati" von Lother Sauer, das später als "Die Jungen von Neulati" neu aufgelegt wurde. Ich habe es mit elf oder zwölf Jahren gelesen, ja verschlungen, viele Male. Ein paar Freunde gründen einen "Staat", sie lesen auf der Suche nach einem Namen Italien rückwärts und entscheiden sich dann für Neulati - eine Demokratie, mit gewählten Funktionsträgern. Sie bauen sich eine "Hauptstadt" im Wald und entdecken dabei einen unterirdischen Gang. Ihre "Gegner" sind Jungen, die sich von einem autoritären Anführer leiten lassen. Es kommt natürlich zum "Krieg", zwischendurch explodiert noch eine Fliegerbombe, aber die Demokraten, obzwar in der Minderzahl, gewinnen gegen die mit dem Führerprinzip. Das ist irgendwie immer noch aktuell.
Dann war da noch Susanne aus dem Siegerland, die in München studierte. Wir haben uns in einem Hotel in Mexiko kennengelernt und sind dann drei Jahre später zusammen kreuz und quer durch Mittel- und Südamerika gereist - meine zweite Reise in meine zweite Heimat. Das Bild zeigt uns (o höheres Wesen, wie sehe ich denn da aus?!) 1982, zusammen mit einem Freund aus Quebec, der uns damals etwas von der kanadischen Separatistenbewegung vorschwärmte. Heute alles olle Kamellen.
Wo war das eigentlich, der junge Mann und das Meer? Wenn ich mich recht erinnere, auf dem autofreien Baltrum. Keine Ahnung, wieso wir 1981 da hingefahren sind. Sieht aber gut aus. Vielleicht würde Klaus Theweleit das Foto angemessen deuten können - und dessen tiefenpsychologischen Konnotationen: Ein Mann, unruhiges Wasser, Plastik? Sagt uns das was? Wenn ja, dann habe ich das seit der Lektüre der Männerphantasien vergessen. In diesem Sinne: Guten Abend!
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