Ich grüße alle ganz herzlich. Nicht nur hier auf spiggel.de, auch die Menschen, die sich in Hannover an der Marktkirche, am Steintor, auf dem Messegelände und in der Christuskirche beherzt geweigert haben, höhere Wesen zu verehren. Sie sind hierher ins Internet gekommen, um Burks' Weblog mitzuerleben und bloggend zu gestalten. By the way: Bundespräsident Horst Köhler will eine Wertediskussion. So etwas fordert man stilsicher am Buß- und Bettag oder auf dem Reichsparteitag der Evangelen.

Für die wohlwollenden Stammleserinnen und geneigten Stammleser dieses kleinen frauen- und familienfreundlichen Forums kommt das nicht überraschend. Herr Köhler hat sich zu Werten des Kapitalismus schon oft genug einschlägig geäußert: "Der Sinn von Unternehmen ist aber, Gewinne zu erwirtschaften." Man kann das altertümelnd marxistisch formulieren: Der Menschheit geht es gut, wenn die Kapitalisten Profite einstreichen. Den Indianern freuten sich auch, als Kolumbus sie entdeckte: das stärkte ihre Handelsbeziehungen nach Übersee. Wenn Unternehmer mehr Geld verdienen, zündet der Proletarier eine Kerze an, huscht ein Lächeln über das Gesicht der Kinder, fangen alle Katzen an zu schnurren und auch die Sonne scheint merklich heller.

Solche Allgemeinplätze in pathetischem Ton unters Volks zu streuen, ist der Job Köhlers - dafür wird er bezahlt. Auch die anderen üblichen Verdächtigen predigten auf dem so genannten Kirchentag ähnlich. Die Welt berichtet: "Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann als Gastgeberin forderte Unternehmer auf, ihre soziale Verantwortung wahrzunehmen und nicht nur nach Gewinn zu streben." Leider wird nicht verraten, ob Horst Köhler ihr ins Wort gefallen ist und sie berichtigt hat. Liebe Frau Käßmann, die Sie sich immer fotogen mit offenem Mund fotografien lassen und die Sie, wie auch der Autor dieser unmaßgeblichen Zeilen, eine gewisse Heiterkeit lieben: ja was denn nun?

Gewinn macht jeder nur auf Kosten anderer, selbst beim Lotto. Sozial verantwortlich ist jemand, der einem Bettler Geld gibt. Da schneiden die Christen ganz schlecht ab: sie können Almosen, also von ihrem Gewinn etwas abgeben, müssen es aber nicht. Deshalb werden sie von Bischöfinnen ermahnt. Die Muslime jedoch sind verpflichtet, den Armen etwas abzugeben (At-Tauba 9,103): "Diese erste Art von Almosen bedeutet eine Abgabe in nennenswerter Höhe, die alle Muslime an die Gemeinschaft oder an den öffentlichen Haushalt entrichten, um die Solidarität zwischen den sozialen Klassen zu garantieren." Lieber Evangelen-Tag, auch wenn es schmerzt: Vom Islam lernen heißt Solidarität lernen!

By the way: welche Werte hätten wir denn noch zu diskutieren? Mit den Werten ist es wie mit den Lichterzügen und Fackelketten: Hört sich gut an, sieht gemütlich aus, bringt aber nichts. Gesetzt den doch unwahrscheinlichen Fall, in einem kontroversen Disput über die Werte (das, was man tut oder lässt) ließe sich ein Konsens zwischen Horst Köhler und dem Autor dieser Zeilen erreichen - was wäre dann mit dem restlichen Dissens? Zum Beispiel mit der hiesigerseits schon mehrfach und vehement aufgestellt These, dass sich die deutsche Leitkultur und die PISA-Ergebnisse zum Guten wandeln würde, verbannte man die Verehrer höherer Wesen und ihre frommen Märchen und Legenden aus den Schulen, wie in Frankreich, und verböte man den Kirchen - als Kompromissvorschlag -, auf den Theologie-Unterricht in der Universität Einfluss zu nehmen, wie in Finnland.

Die gewohnt linkfreie Netzeitung zitiert Köhler mit den Worten: "Mit Gottes Segen geht es uns besser." Das grenzt schon an Amtsmissbrauch. Der Bundespräsident ist zur Neutralität verpflichtet und zur Überparteilichkeit. Er darf keineswegs Atheisten und diejenigen diskrimieren, die sich der Vernunft verschrieben haben und die Existenz von Göttern und anderen Hirngespinsten leugnen. Macht er aber.

Die doch sehr kühne These, mit dem Segen Gottes ginge es uns besser, muss daher entrüstet und entschieden zurückgewiesen werden. Das hatten die Kreuzritter, Konquistadoren und andere christliche Mörderbanden auch schon auf ihre Fahnen geschrieben. Deus non volt. Gott ist tot! Und das sollte Köhler ganz neutral auf dem nächsten Atheistentag zur Freude der Heiden verkünden.

BURKS ONLINE 25.05.2005
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