Man wundert sich doch sehr, dass es zur "deutschen" Kolonialgeschichte Südamerikas nur drei aktuelle und ernst zu nehmende wissenschaftliche Bücher gibt. Das Problem beginnt aber damit, dass jeder, der von einer "deutschen" Eroberung Venezuelas spricht, sogleich unten den Ideologie-Verdacht fällt. Götz Simmer schreibt in seinem Standardwerk "Gold und Sklaven" (1), dass eine aggressive "Nationalisierung" des Welser-Engagements in Südamerika schon Ende des 19. Jahrhundert begonnen habe. Ein Konzern aus Augsburg als Auftraggeber goldgieriger Glücksritter und Menschenschlächter - und das schon zu Zeiten Luthers: das war offenbar ein heikles und vielleicht zu schwieriges Thema für deutsche Historiker in Ost und West.
Der Historiker Leopold Contzen formulierte 1891: "Einer seiner [Federmanns] Waffengefährten war der tapfere, menschenfreundliche Ritter Philipp von Hutten, der in Venezuela als Opfer des spanischen Nationalhasses gegen die Deutschen erschlagen und der gesammelten Reichtümer beraubt wurde." Nur wenige Historiker nahmen die unstrittige Tatsache, dass die Konquistadoren im Auftrag der Welser ähnlich wie die Spanier unsägliche Gräueltaten verübten und einen schwunghaften Sklavenhandel mit Afrikanern und den eingeborenen Indios betrieben. Nur der längst vergessene Hugo Topf schrieb schon 1892: "Ob solche Abenteurer aus Castilien und Estremadura waren oder aus Bayern oder aus Schwaben, bleibt ganz gleichgültig. Die Konquista von Venezuela beweist das. Niedrige Triebe manifestiren sich eben im Menschen so ziemlich in derselben Weise, welchen Stammes und Volkes er auch sei. [...] Die Deutschen haben in Venezuela nicht anders gehaust als die Spanier."(2).
Juan Friede, der Nestor der Forschung über die Welser in Venezuela und Kolumbien im 16. Jahrhundert, publizierte 1961: "Los Welser en la Conquista de Venezuela (Caracas und Madrid) - eine deutsche Übersetzung gibt es nicht. Auf diesem Buch basierten bis zum Erscheinen des Werkes Götz Simmers fast alle anderen Forschungen. Auch die mir vorliegende Übersetzung der Indianischen Historia Nikolaus Federmanns stammt von Juan Friede.
Prof. Dr. Eberhard Schmitt, den ich während meiner Recherchen zu meinem Roman Die Konquistadoren im schönen Historischen Institut der Universität Bamberg besucht habe, hat - neben zahlreichen anderen - zwei Bücher über Philipp von Hutten verfasst: Das Gold der Neuen Welt und Tod am Tocuyo, zusammen mit Götz Simmer [Kurzrezensionen]. Wer sich für Geschichte interessiert, ein Faible für Lateinamerika hat und erfahren will, wie spannende Wissenschaft aussehen kann, für den sind die drei hier empfohlenen Werke Pflicht.
(1) Götz Simmer: "Gold und Sklaven. Die Provinz Venezuela während der Welser-Verwaltung (1528-1556)", Verlag Wissenschaft und Technik. Berlin 2000, 851 Seiten, ursprünglich eine Dissertation (Bamberg 2000).
(2) Hugo Topf: Deutsche Statthalter und Konquistadoren in Venezuela. Hamburg 1892. Zit. n. Simmer, S.9.
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