Die Katholen machen ein richtiges Event daraus. "Der Moment, auf den wir alle gewartet haben", dudelt N-TV. Mitnichten. Allerdings muss ich zugeben, dass die Analyse, es handele sich um "eines der letzten Rätsel der Welt" zwar blödsinnig formuliert, aber nicht ganz falsch ist: die Mischung macht's. Archaisch erscheinende Rituale, eine hübsche Männer-Modenschau mit wallenden blutroten Gewändern, Glockengeläut - und Medienpräsenz allüberall. Das ist so kognitiv dissonant, also interessant wie vor 15 Jahren die Meldung: Neonazis nutzen Computernetze, garniert mit Glatzenfotos vor Monitoren.

Das ist der Moment, auf den 1,2 Milliarden Katholiken in aller Welt warten. "Jetzt scheint es doch eine kleine Verzögerung zu geben." Liebe Brüder und Schwestern, dear brothers and sistern. Annuncio vobis. Habemus papam. (Wer ist es denn nun?) Spannung. Josefum. Aha. Ratzingerum oder so ähnlich. Benedikt XVI. Das ist ja niedlich: ein Deutscher. Und - natürlich! - ein Erzreaktionär. Er ist gegen die Theologie der Befreiung und leitet die Inquisition, die sich heute natürlich umbenannt hat. Melden, durchführen, verbieten, exkommunizieren statt zu verbrennen. Wikipedia schreibt: "Als Präfekt der Glaubenskongregation ist er für die Ablehnung des Vatikans von Priesterehen, gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und Verhütungsmitteln mitverantwortlich. Gerade im Zeitalter von AIDS wird dies der römisch-katholischen Kirche von Kritikern als realitätsfremd vorgeworfen." Und ein Burschenschaftler dazu. Hauen, Stechen und Saufen kann er also auch. Sein Vorbild Benedikt XV. trat vehement gegen den 1. Weltkrieg ein - immerhin. Gegen Krieg zu sein macht immerhin Hoffnung, dass der Chef der Katholen nicht nur Unfug von sich gibt.

Dieses kleine heidenfreundliche Singleforum bietet den besonderen Service, auf die dazu passenden Websites hinzuweisen, zum Beispiel den ratzingerfanclub.com (natürlich, weil von Wikipedia verlinkt: "Service Temporarily Unavailable"). Noch hübscher: Ratzinger-Merchandising: schöne Humpen und T-Shirts.

Noch etwas: Endlich ist der Gang nach Canossa gerächt! Wie die historisch gebildeten Surferinnen und Suffer wissen, musste unser König Heinrich IV. vor langer Zeit nach Canossa. Die jetzige Methode ist natürlich viel eleganter: nicht den Vatikan zu erobern und zu verwüsten wie die Vandalen, sondern einen Deutschen aus dem Land Luthers friedlich einmarschieren zu lassen. Aber lange wird es nicht dauern: Ratzinger ist 78. Wenn er aber Konrad Adenauer gleicht, wird er es noch rund zehn Jahre im Vatikan machen. Wird aber nichts mit ad vitam eternam.

Die KollegInnen hatten vermutlich für jede Papst-Version schon einen Artikel vorbereitet: die FAZ war von den Zeitungen zuerst bei news.google.de mit der Meldung online. Chapeau! Wie hat sich die Medienwelt geändert: noch vor fünf Jahren hätte man bis zum nächsten Morgen warten müssen.

BURKS ONLINE 19.04.2005
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