Manchmal ergeht es dem ziellos Surfenden wie Rotkäppchen: man begegnet jemandem, von dem man im ersten Augenblick nicht weiß, es ob es sich um das kalte Grauen oder um etwas Niedlich-Kuscheliges handelt. Sylvia Löhrmann ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im NRW-Landtag. So sexy können Titel in der Politik sein. "Sonderbeauftragte des Landes für Dieselrußpartikelfilter" wäre ähnlich hübsch und sehr deutsch dazu.
Die geneigte Stammleserin und der geneigte Stammleser liegen jedoch falsch, wenn sie jetzt, wie gewohnt, eine hämische Attitude vermuten. Frau Lohrmann ist fleißig. "Ich bin ein ziemliches Arbeitstier und mache ungern Fehler."Ziemlich ist ein Modaladverb und bedeutet "fast" oder "annähernd". Frau Lohrmann gebraucht das Wort also nicht nur ziemlich, sondern total falsch. Ausserdem meint sie vermutlich genau das Gegenteil: arbeitet sie nun fast so viel wie jemand, der so viel wie ein Tier arbeitet, oder genau so viel?
Jedenfalls mache sie Fehler, meinen einige ihrer ParteifreundInnen. Nicht wirklich, aber auch die Grünen interessieren sich als gute Protestanten und Deutsche weniger für Fakten denn für Worte und Symbole. Die Grünen wollen, dass Studenten im ersten Semester keine Studiengebühren zahlen sollen. Löblich und volkstümlich und im Sinne potentieller WählerInnen. Wer sich für dieses Thema interessiert, muss aber die Fakten mühsam und investigativ auf der Website recherchieren. "Grüne Studienkonten für freie Zeiteinteilung" heisst das sperrige Motto. Zwei Wortungetüme, dazu eines, das mit -ung endet. Das ist wie der Unterschied zwischen "Feuer frei" und "Durchführung der Schießmaßnahmen." Ich weiß trotz angestrengten Überlegens immer noch nicht genau, was damit gemeint ist.
Die Devise "Auf die Länge kommt es an", sei politisch inkorrekt, grummelt frau und man. In gutes viktorianisches Deutsch übersetzt heißt das: Wer auf sexuelle Dinge anspielt, ist ähbäh und igitt. Wenn das Rudi Dutschke noch erleben könnte! Wie war das noch beim Elbtunnelbau? Auf die Enge kommt es an - oder auf die Tiefe? Hony soi, qui mal y pense. Und: die spinnen, die "politisch" Korrekten.
Politisch völlig korrekt wäre es, wenn die NRW-Grünen in der Lage wären, eine Website anzubieten, die Behinderte nicht diskriminiert. Das ist nicht der Fall. Von Barrierefreiheit scheint man bei den Ökos noch nie etwas gehört zu haben. Wer die E-Card mit dem hübschen Motiv ansehen will, wird streng zurückgewiesen: Kein Javascript erscheint pädagogisch wenig wertvoll. Das wusste ich schon: Wer Javascript ausschaltet, macht das nicht aus Jux und Dollerei, sondern ziemlich, also annähernd bewusst.
Leider wird nicht verraten, wer die behindertenfeindliche Website technisch verantwortet. Das finde ich ziemlich daneben. Es ziemt sich aber nicht, am Sonntag nur zu mäkeln, der Autor hält sich jetzt geziemend zurück und widmet sich ziemlich interessanten anderen Dingen.
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