Die europäische Raumsonde Huygens ist auf dem Saturnmond Titan gelandet und schickt Daten und Bilder zur Erde. Und die wollen die geneigten Leserinnen und wohlwollenden Leser natürlich sehen. Anlass für eine kleine nörgelnde Presseschau der Online-Medien über das Thema. Spiegel online ist vorbildlich: Animationen, Bilder, am Inhalt ist nichts auszusetzen. Und auch die berühmt-berüchtigten Links ins Internet sind ausnahmesweise vorhanden, zum Beispiel zur European Space Agency (ESA).
Das Publikum liebt den Service, deshalb hier noch ein Verweis zur deutschen ESA mit allen Details, die man wissen will und muss. Auch die hervorragende Linksammlung der ESA: "das Beste im Netz zum Weltraum in Deutschland" habe ich mir für's Surfen vorgemerkt. Die von Spiegel online nur erwähnte, aber nicht verlinkte University of Arizona verrät noch andere interessante Fundstellen, zum Beispiel die Website der NASA, interessant wegen des Sounds des Titan. Selbstkritisch muss ich anmerken, dass ich auf die NASA auch hätte selbst kommen können, ohne den digitalen Umweg über Arizona.
Nun zu etwas ganz Anderem, zu anderen deutschen "Online"-Medien. Die Netzeitung als Kontrapunkt verzichtet auf alle Links. Was will sie uns damit sagen? Weg mit dem Internet - zurück zum Papier? So etwas muss man sich als Surfer nicht zumuten. Die Welt glänzt mit klarer Sprache und Aussage, ohne Schnickschnack und verwursteten Sätzen. Aber wo sind die Links, wo Multimedia? Fehlanzeige. Warum sollte ich also die Website der Welt aufsuchen, geschätzte KollegInnen der Online-Redaktion?
Die Zeit, link- und fotofrei, beginnt mit einem weißen Schimmel: die Mission ein Erfolg. Das wussten wir schon: wenn das Gerät nicht abgestürzt ist und Daten sendet, ist alles im grünen Bereich. Und wissenschaftliche Daten sind immer "kostbar". Das muss man mir nicht mitteilen. Auch die Komparative sind überflüssig: ob das Projekt nun eines der "größten" ist, erschließt sich nur dann, wenn irgendwann vom einem "der kleinsten" der Rede wäre. Wenn das "Green Banks Observatorium erwähnt wird, dann will ich, mit Verlaub, auch einen Link - den findet man in zehn Sekunden, verehrte alte Tante Zeit. Das Handelsblatt: ohne Links und mit der Botschaft, dass es einen ESA-Direktor "umgehauen" hätte. Das haut mich um. In die Tonne. Die Süddeutsche: informativ, gute Fotos, aber wieder keine Links. Auch finde ich gewohnt mäkelnd uninteressant, wie die Beteiligten sich fühlen: "begeistert", "hervorragende Teamarbeit". Geschenkt. Alle Wissenschaftler waren total enttäuscht und pöbelten sich gegenseitig an?
Deutsche Welle: entzückend - Bilder, Links und puristischer Text, hübsche Überschrift. Also: öfter hinsurfen! Nur die übertriebene journalistische Vorsicht irritiert: die Sonde sei "offenbar wohlbehalten auf dem Saturn-Mond" gelandet". Offenbar? Wenn nicht, wer sendet denn die Daten? Die Aliens vom Titan? Pompeji komplett zerstört, überall Tote, Asche und schwarzer Rauch - offenbar ein Vulkan-Ausbruch?
Ausgezeichnet auch die Website der Tagesschau. Die Öffentlich-Rechtlichen voll im Trend: Multimedia, Bilder, und sogar ein Weblog! Und dort erfahren wir mehr als nur Halleluja und Amen: "Trotz des großen Erfolges der Huygens-Mission gibt es heute Abend auch enttäuschte Gesichter: Bei der Datenübertragung von Huygens an Cassini ist Kanal A der Muttersonde ausgefallen. Am härtesten trifft dies Michael Bird, Chefwissenschaftler des Dopplerwind-Experiments von der Uni Bonn. 'Ich konnte mir nicht vorstellen, dass dies passiert. Aus einem dummen Grund wurde der Empfänger für den Kanal A nicht hochgefahren', sagt er mit enttäuschter Stimme." Weiter so, WDR! Und natürlich habe ich mir den erregenden Sound nach der Landung auf Titan angehört, obwohl der wie ein vertontes Testbild der ARD klingt. Dennoch: ich war zehn Minuten auf eurer Seite! Und das will etwas heißen. Heute kriegt ihr den ersten Preis!
Zum Schluss ein Blick in die Provinz, zur Kölnischen Rundschau. Der Blick des internetkompetenten und kritischen Publikums wird vom URL des Artikels abgelenkt, der mehrere Kilometer lang ist und daher analysisert werden muss, bevor man ihn übernimmt (done). "Wir sind Zeugen eines einmaligen Projektes in der Raumfahrt", sagt die zuständige Ministerin. Wer hätte das gedacht. Will ich weder lesen noch hören. In die Tonne. Die Kölner Zeitung setzt, im Gegensatz zur "Net"zeitung, schüchtern einen klitzekleinen Link: "www.esa.de". Irgendwie süß und immerhin ein Anfang. Weiter so, liebe Provinz! Und nicht so zurückhaltend! Wenn euer Content Management System so lange URLs produziert, dann traut euch auch bitteschön, ein paar Verweise mehr ins noch viel längere Wörld Weit Wepp zu setzen!
Fotos: ESA. Unten: Titan, aufgenommen vom Hubble-Teleskop
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