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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
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BeitragVerfasst am: 09.11.2004, 22:28 Antworten mit ZitatNach oben


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Mein neunter November

Von Burkhard Schröder

Revolutionen haben viele Vorteile, aber immer einen gravierenden Nachteil: wer an einer teilnimmt, merkt es kaum. Am 9. November 1989 war alles wie immer in Kreuzberg. Abendessen am großen Tisch der Wohngemeinschaft, schon wieder irgendwelche fremden Leute zu Besuch, die Fabrikeetage im ehemals größten Getreidespeicher Europas bedurfte dringend einer Putzkolonne, wieso wäscht wieder niemand ab? Der Blick aus dem vierten Stock (roter Pfeil) schweifte über die Oberbaumbrücke. Drüben waren die Ossis, die damals noch nicht so hießen, sondern Bürger der DDR. Die Brücke durften nur Fußgänger passieren, die Bewohner der selbständigen politischen Einheit Westberlin. Die Einheit war gar nicht selbständig, sondern hing am finanziellen Tropf.

Kurz nach Mitternacht rüttelte jemand an meiner Schulter und schreckte mich aus dem Schlaf. "Die Mauer ist auf." - "Du spinnst. So ein Quatsch." - Doch! Schau doch aus dem Fenster! Die kommen alle rüber!" In der Tat - da liefen zahlreiche Menschen gen Westen. Also raus aus den Federn. Die anderen sind schon zum Brandenburger Tor. Rein in die Hosen, rein ins Auto, ab zur Mauer. Da stehen sie zu Tausenden oder sitzen gar auf der Mauer. Meine Mitbewohnerin und ich tun es ihnen gleich. Wie sind offenbar schon zu spät dran, der Platz vor dem Tor ist leergefegt, obwohl die West-Berliner die Mauerkrone dicht besetzt halten, die Fuße baumeln lassen und durcheinander schreien.

Wir schauten uns nur kurz an, nickten, und sprangen hinunter. Zögernd, mit kleinen Schritte, wie jemand, der von einer Lähmung genesen ist, tappten wir bis unter das Tor, schauten ungläubig nach oben. Auf der anderen Seite waren Schutzgitter, dahinter drängten sich auch die Volksmassen und winkten und riefen nach Westen. Irgendwie fühlten wir uns in Gefahr. Warum schießt keiner auf uns? Warum verhaftet uns niemand? Wo sind eigentlich die Vopos oder die Grenztruppen der DDR? Also hin zu den Ossis. Ein lächelnder Volkspolizist öffnete uns das Gitter. Wir waren in der DDR, umgeben von Menschen, die etwas freudig erwarteten. Aber was? Kam jetzt ein Posaunenchor aus Jericho - und die Mauer wurde einfach umfallen?

Zurück ging es nicht mehr. Verboten. Also mussten wir uns durchfragen, wo der Westen und die Oberbaumbrücke sei. Erst in diesem Moment fiel mir ein, dass man mir schon den siebziger Jahren ein Einreiseverbot den der DDR ausgesprochen hatte. Linksabweichung fanden die gar nicht gut. Und, wie oft in historischen Momenten: mein erster Gedanke war banal - ich hatte zudem noch meinen Ausweis vergessen. Würde man mich jetzt nach Sibirien schicken? Oder einstweilig erschießen? Drohten Bautzen oder die Straflager in Rüdersdorf?

Wir marschieren quer über Unter den Linden. Da war das Rote Rathaus. Dann die Fischerinsel. Den Rest des Wegs habe ich vergessen. Aber wir erreichten die Oberbaumbrücke dann doch. Polizisten standen dort ein wenig ratlos herum. Mir fiel nur die Wahrheit ein: keine Reisedokumente vorhanden. Und dann streifte uns doch der Mantel der Geschichte. Ein Grenzer entgegnete auf unsere hilfloen Gesten cool: "Heute ist alles möglich. Geh'n Sie mal wieder rüber in den Westen." Ich war sprachlos - das kommt nur selten vor.

Am nächsten Tag muss ich den Freunden in "Westdeutschland" am Telefon erklären: ich bin gestern über die Mauer am Brandenburger Tor geklettert, ohne gültige Papiere und trotz Einreiseverbots. Das glaubt mir doch keiner.....

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BURKS ONLINE 09.11.2004
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