Aufbau Ost einmal anders: in Torgelow investiert die Porno-Industrie. Die
Wenzel Media GmbH aus Berlin will 100 Arbeitsplätze schaffen: Mecklenburgerinnen und Mecklenburger sollen einschlägige Filme synchronisieren. Das Land gibt 2,5 Millionen Euro dazu, berichtet der NDR. "Phönix aus der Förderasche" titelte eine Fernsehzeitschrift stilistisch brilliant.

Die Neue Westfälische schreibt gewohnt investigativ: "Hardcore-Pornos selbst produzieren wird der Fernseh-Profi allerdings nicht. "6-plus" zeigt ausschließlich Lizenz-Versionen bekannter und unbekannter Produzenten im In- und Ausland. Da mehr als 50 Prozent der eingekauften Streifen englischsprachig seien, benötige "6-plus" entsprechende Synchronsprecher- und -sprecherinnen. "Außerdem müssen wir in dem ein oder anderen Fall allzu harte Passagen herausschneiden und entschärfen", so der Medienmensch."

Nackte Tatsachen werden in diesem kleinen frauen- und familienfreundlichen Forum eher nur am Rande betrachtet. Nur dann, wenn es um medientheoretische, ja metatheoretische Aspekte geht, schauen wir genauer hin. Der so genannte Vollerotikdienst sollte zuerst Pro6 heißen. Da PRO 7 höchstens für Halberotik zuständig ist, bestand Verwechslungsgefahr. Also werden Penisse, Brüste und Vaginas unter dem Logo 6 plus in den Satelliten eingespeist. Detail am Rande: Laut einer Pressemitteilung der Landesmedienanstalten soll die Altersprüfung unter anderem per Fingerabdruck erfolgen. "Zur Authentifizierung des Nutzers bedient sich die Anbieterin eines Bestell- und eines Jugendschutz-PIN-Codes, wobei auch die Übermittlung biometrischer Daten über einen Fingerprint-Sensor vorgesehen ist."

Die Netzeitung ist wie gewohnt völlig link- und bilderfrei, berichtet jedoch, eines der drei Programme sei für Homosexuelle - ob auch Lesben damit gemeint sind, wird leider nicht verraten. Die Schwulen interessieren sich aber weniger für Sex, sondern für das, was unsere linkfreien und so genannten Online-Magazine selbst hätten thematisieren können: das Geld. "Wenzels frühere Firma, die HDO-Muttergesellschaft EMG, kam während der Wende dank guter SED-Kontakte zu einem Darlehen der PDS in Höhe von 18,4 Millionen DDR- und 5,8 Millionen Westmark sowie einem Haus in der Berliner Rosenstraße".

Und jetzt die üblichen Verdächtigen, denen selbstredend Focus online Raum gibt: "CDU und FDP finden die geplante Subvention unmöglich. FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper sagte: 'Das ist schon eine harte Nummer.' Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) 'sollte vor Scham so knallrot werden wie seine Partner von der PDS'. Auch Eckardt Rehberg, CDU-Chef in Mecklenburg-Vorpommern, hält die staatliche Förderung des Projekts für falsch. Für bestimmte Branchen sollte es Ausschlusskriterien geben, verlangte er."

Sex sells. Sex ist der kommerzielle Motor des Internet. Ohne Sex und harte Nummern gäbe es die Menschheit gar nicht mehr. Was fällt den Deutschen dazu ein? Eine Jugendschutz-PIN und eine Fingerabdruckerkennungsmaschine. Und deutsche Online-Medien bebildern das vollerotische Thema mit nur halberotischen Bildern. O tempora, o mores. Wir zitieren einen x-beliebigen Blogger: "Wussten Sie, dass "Oahhhh, oahhhhhh, oahhhhhhh, oh God" aus dem Englischen stammt und in Deutsch übersetzt "Oahhhh, oahhhhhh, oahhhhhhh, oh Gott" heißt?" Noch schöner aber lamentieren die Verehrer höherer Wesen: "Mehr denn je zuvor denke ich, Deutschland ist dem Untergang geweiht." Sag ich doch: das Ende ist nahe. Armageddon - das ist Mecklenburg-Vorpommern.

Die Abbildungen zeigen arbeitslose Mecklenburgerinnen beim Casting für den Aufbau Ost.

BURKS ONLINE 31.08.2004
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