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IST FASCHISMUS EINE MEINUNG? Braune Jauche, leicht parfümiertVon Burkhard Schröder |
Das Thema kann man wie eine Gebetsmühle behandeln. Man weiß vorher, was vor sich hindudelt. Dürfen Neonazis demonstrieren? Die Keinen Fußbreit den usw.-Fraktion antwortet, wirft man einen Groschen in den Verlautbarungsschlitz: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Neonazi-Aufmarsch verhindern. Der Staat muss härter durchgreifen. Verbieten. Durchführen. Doitsche Leitkultur von links, wie man es gewohnt ist. Die Bürgerrechte gelten nur für die Guten. Im Tenor ist kein Unterschied zu Law-and-Order-Politikern zu erkennen.
Da es langweilig ist, auf die bekanntlich belehrungsresistenten kackbraunen Kameraden einzudreschen, müssen die Guten dran glauben. Wie hier schon oft bekundet, ist gut gemeint fast immer voll daneben. In der aktuellen Ausgabe der Konkret schreibt Gaby Hommel, die publizistisch unstrittig zu den Guten gehört, über die Demonstration der Neonazis in Bochum gegen den Bau der dortigen Synagoge. Man kennt das: Artikel über Neonazis entbehren der journalistischen Distanz, sondern gefallen sich in empörter Attitude in Permanenz. Die Fakten kann man in zwei Sätzen zusammenfassen: das Bundesverfassungsgericht hebt Demonstrationsverbote in der Regel auf. Und das finden die Guten böse.
Die Konkret zitiert den Bochumer Familienrichter Ralf Feldmann: "Braune Jauche, leicht parfümiert, wird bei unseren höchsten Richtern weiterhin offen Türen finden." Das ist hübsch polemisch, aber schlicht falsch. Richter interessieren sich gar nicht für Inhalte,sondern nur für den Artikel 8 des Grundgesetzes: "Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln." Weniger bekannt ist der zweite Absatz: "Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden." Der Deutsche als bekennender Obrigkeitsstaatler mag Bürgerrechte nicht, sondern bekennt sich nur pro forma dazu, um sie anschließend per Gesetz wieder einzuschränken.
Was fordern die Guten also? Für Neonazis soll der Artikel acht des Grundgesetzes nicht gelten. Glasklar, übersichtlich, eindeutig. Nur sagt das keiner. Warum? Weil die einschlägigen Berichte zum Thema wie der auf Hagalil keinen journalistischen Anspruch erheben, sondern moraltheologische Traktate sind. Man weiß im nachhinein nicht, was die Autoren einem sagen wollen.
Vielleicht das, was die Pfarrer immer predigen: Seid wachsam! Das Böse lauert überall - Kinderpornografie, Drogen, Neonazis - worüber sich der Deutsche halt am meisten aufregt, meint er es gut und ist er potentieller Lichterkettenträger wie Ulrich Sander, der Autor des Hagalil-Artikels. Der Bundessprecher der VVN-BdA(1) hat stilsicher "keine genaue Wohnadresse, weil Nazis mich bedrohen". Seit Kaiser Wilhelm heisst es für Deutsche, wenn das Vaterland zur Antifa-Demo ruft oder es gegen die gaaaanz Bösen (Details bitte selbst ausfüllen) geht: Kopf ab zum Gebet. Und nun alle gemeinsam. Melden. Durchführen. Verbieten. Jeder Deutsche ein potenzieller Lagerkommandant.
Meine Gebetsmühle klappert anders und gibt nur ein Wort von sich: Skokie. Aber das wissen die wohlwollenden Stammleserinnen und geneigten Stammleser dieses kleinen nazifeindlichen Familienforums ohnehin schon. Martin Seto schreibt in der Jungle World: "Neben der richtigen Akzentuierung der Antisemitismuskritik bleibt die unlösbare Frage, wie den Aufmärschen der Neonazis vor dem Hintergrund einer immer schlechter funktionierenden antifaschistischen Mobilisierung praktisch begegnet werden kann. Vielleicht gehören dabei eindrucksvolle Parolen zum notwendigen Bestandteil linker Selbstmotivation und -vergewisserung in mauen Bewegungszeiten, sie sind jedoch zumeist gleichzeitig ein Indiz uneingestandener Ohnmacht."
Eindrucksvoll sind Parolen wie "Neonazi-Aufmarsch verhindern" gar nicht. Sie sind nur symbolisch gemeint und dienen ausschließlich der intrinsischen Motivation der Antifa-Kuschelgruppe. Sinnvoll wäre sie nur, forderte man, die Antifa zu bewaffnen. Und dann gnade uns ein höheres Wesen. Dann hieße es hier bald über Burks: "keine genaue Wohnadresse, weil die Keinen Fußbreit den usw.-Hasskappenträger und die Neonazis mich bedrohen". Und das wäre doch bedauerlich.
Ohnmächtig ist die Linke deshalb, weil sie sich noch nicht aus den weltanschaulichen Fesseln der Erziehungsdiktatur zum Guten befreit hat. Wer die Bürgerrechte einschränken will, ist entweder abgrundtief dämlich oder will die Obrigkeit auffordern, widerwärtige Meinungen zu verbieten. Das ist nicht links, sondern rechts.
Der VVN-BDW NRW ist Mitglied der juristischen Glaubensgemeinschaft "Heiliger Disclaimer der letzten Tage (TM)". Der VVN-BdA Bundesverband hat schon seit Jahren auf seiner Website die lustige Meldung: "Herr Schröder unterhält auf seinen Seiten direkte Links zu faschistischen und neofaschistischen Angeboten, denen wir keinen Vorschub leisten wollen. Wir distanzieren uns ausdrücklich von der Vorgehensweise des Herrn B. Schröder und werden den link erst wieder aktivieren, wenn das aktive Angebot zum direkten Zugriff auf Naziseiten nicht mehr existiert." Also wird die VVN mich ungefähr im Jahr 2099 wieder verlinken können.
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BURKS ONLINE 30.08.2004 Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des BurksVEB.
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