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ZUM HERRENTAG: WELTLITERATUR AUF SPIGGEL.DE Ein Spalt mit Haaren drumherumVon Henry Miller |
Wir fanden ein wenig Unterhaltung auf dem Bal Nègre, und Joes Gedanken sind zu seiner ewigen Besessenheit zurückgekehrt: Pritsche. Um diese Stunde, wenn sein freier Abend fast zu Ende geht, steigert sich seine Unruhe zum Fieber. Er denkt and die Weiber, die er früher am Abend hat laufen lassen, und an die Unentwegten, die er auf ein Wort hin hätte haben können, wenn er sie nicht satt gehabt hätte. Unvermeidliche fällt ihm seine Georgia-Pritsche ein, sie hat ihn in letzter Zeit verfolgt und gebeten, sie wenigstens so lange bei sich aufzunehmen, bis sie Arbeit fände. "Es macht mir nichts aus, sie dann und wann einmal abzufüttern", meint er, "aber ich könnte sie nicht dauernd bei mir aufnehmen...das würde mir für meine anderen Pritschen alles verderben." Am meisten schmerzt ihn an ihr, dass sie kein Fleisch ansetzt. "Es ist, als nähme man ein Skelett mit ins Bett", sagt er. "Unlängst nahm ich sie nachts - aus Mitglied - mit, und was glaubst du, was das verrückte Luder mit sich selbst gemacht hat? Sie hatte sie sich rasiert - keine Spur von einem Haar daran! Hast du jemals eine Fraugehabt, die ihre Pussi ausrasiert? Es ist abstoßend, was? Und auch komisch. Irgendwie verrückt. Es sieht nicht mehr wie eine Pussi aus: es ist wie eine tote Muschel oder so was." er beschriebt mir, wie er mit erwachter Neugier aus dem Bett stieg und seine Taschenlampe holte. "Ich ließ sie sie aufhalten und richtete die Taschenlampe darauf. Du hättet mich sehen sollen...es war komisch. Ich regte mich so darüber auf, daß ich sie ganz vergaß. Noch nie in meinem Leben habe ich mir eine Möse so genau angesehen. Man hätte glauben können, ich hätte noch nie vorher eine gesehen. Und je mehr ich sie anschaute, desto weniger interessant wurde sie. Es zeigt einem nur, dass gar nichts dahintersteckt, besonders wenn sie rasiert ist. Es ist das Haar, was sie so geheimnisvoll macht. Darum lässt einen eine Staue halt. Nur einmal sah ich eine richtige Möse an seiner Statue - sie war von Rodin. Du musst sie dir mal anschauen....sie hat die Beine weit gespreizt...ich glaube, sie hatte keinen Kopf. Nur eben eine Möse, hätte man sagen mögen. Herrje, sah sie greulich aus! Die Sache ist die - sie sehen alle gleich aus. Wenn man sie mit ihren Kleidern am Leib betrachtet, stellt man sich alles mögliche vor: man verleiht ihnen so etwas wie eine Individualität, die sie natürlich nicht haben. Es ist ganz einfach ein Spalt da zwischen den Beinen, und man gerät darüber in Hitze - man schaut sie die halbe Zeit nicht einmal an. Man weiß, sie ist dort, und denkt nur an das eine, seinen Ladestock hineinzubringen; es ist, als ob der Penis das Denken für einen besorgte. Es ist eine Illusion! Man gerät in Feuer über nichts...über einen Spalt mit Haaren drumherum oder ohne Haar. Sie ist so vollkommen bedeutungslos, daß ich nicht aufhören konnte, sie anzuschauen. Ich muss sie zehn Minuten oder länger studiert haben. Wenn man sie in dieser Weise, gleichsam losgelöst, betrachtet, kommen einem komische Gedanken. Dieses ganze Geheimnis um den Sexus, bis man schließlich entdeckt, dass es nichts ist - nur eben eine Leere. Wäre es nicht ulkig, wenn man eine Harmonika darin fände, oder einen Kalender? Aber nichts ist da - einfach nichts. Es ist widerlich. Es macht mich fast verrückt...Weißt du, was ich danach tat? Ich verpasste ihr rasch einen und kehrte ihr dann den Rücken. Jawoll, ja, ich nahm ein Buch zur Hand und las. Man kann etwas von einem Buch haben, sogar von einem schlechten Buch - aber eine Möse ist einfach reiner Zeitverlust..."
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| Entnommen aus Henry Miller: "Wendekreis des Krebses" (erschienen 1935). Millers Werke galten in den puritanischen USA lange als pornographisch und durften nicht erscheinen.
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