AUS ALLER WELT | | Aktuell | 11. April 2004 |
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WOZU GIBT ES EIGENTLICH OSTERN? Warum der Hase zu Pessach Eier legtVon Burkhard Schröder |
64 Prozent der 128 Millionen US-Internetuser nutzen das Internet für religiöse oder spirituelle Zwecke. Das berichtet froh und kritiklos der Heise-Newsticker. Da auch auf burks.de vorwiegend spirituelle Themen verhandelt werden, ist zum christlichen Osterfest gesetzt, wichtige Religionsfragen endgültig zu beantworten. Als da wären: warum die Christen Ostern von den Juden geklaut haben und warum Hasen zu Ostern ganz gegen ihre Gepflogenheit Eier legen.
Unsere armen Kinder werden in den Schulen mit dem frommen Märchen traktiert, der christliche Feiertag Ostern sei im Gedenken an eine historisch umstrittene Person eingerichtet worden, die ermordet, aber dann von den Toten wieder auferstanden sei. Der humanistisch gebildete Mensch wendet ein, zu Jesus (lateinisch für den jüdischen Vornamen Josua), auch Christus (griechisch: "der Gesalbte") genannt, gebe es historische Quellen: Flavius Josephus zum Beispiel. Im Testimonium Flavianum" werden ihm Wundertaten angedichtet, diese Passagen sind aber - so der wissenschaftliche Konsens - später in das Original eingefügt worden. Historisch unumstritten ist die Passage: "Ananos hielt die Gelegenheit für günstig, da Festus gestorben und Albinus noch unterwegs (nach Judäa) war. Er berief eine Gerichtssitzung (des Hohen Rates) ein und ließ Jakobus, den Bruder Jesu, des sogenannten Gesalbten (Christus), und einige andere vorführen. Die Anklage lautete auf Gesetzesübertretung. Er ließ sie zur Steinigung abführen."
Ein Jesus hat also gelebt. Nur weil Ostern ist, sei ausnahmsweise zustimmend ein Theologe zitiert, Rudolf Bultmann. Der erklärte lapidar, die Frage, ob Jesus eine historische Person sei, sei nicht nur unmöglich zu beantworten, sondern auch überflüssig: "...bin ich der Meinung, dass wir vom Leben und von der Persönlichkeit Jesu so gut wie nichts mehr wissen können, da die christlichen Quellen sich dafür nicht interessiert haben, ausserdem sehr fragmentarisch und von der Legende überwuchert sind, und da andere Quellen über Jesus nicht existieren."[Unruhe in der Gemeinde, Zwischenrufe: "Sehr wahr! Hört, hört!"]
Doch wie kommt der eierlegende Hase ins Spiel? Über den österlichen Meister Lampfe sind mindestens genau so viele Legenden im Umlauf wie über den biblischen Josua alias Jesus. Christen interessieren sich in der Regel weder für historische Tatsachen noch dafür, woher ihre Rituale stammen. Ostern ist identisch mit dem jüdischen Pessach-Fest (auch: Pascha). Wir haken hingegen nach. "Bekanntlich sind schon in der hebräischen Bibel selbst zwei zunächst unabhängig von einander bestehende Festelemente verschmolzen worden: Die Schlachtung der Lämmer, Pessach, als Ritual von Kleintierzüchtern und das dem Leben von Ackerbauern entstammende Fest der ungesäuerten Brote, das Mazzot-Fest." [Zwischenrufe aus der Gemeinde: "Burks, was ist denn jetzt mit den Hasen und den Eiern?"]
Religiöse Feste sind immer mit einem Opfer verbunden: wer an höhere Wesen glaubt, verzichtet auf etwas, was ihm kostbar ist, "gibt" es den jeweiligen Göttern und hofft, dass die ihm dann wohlgesonnen sind. Das nennt man "primitive Magie", eine religiöse Verhaltensform, die auch Vegetarier und vor allem Veganer praktizieren - das magische Motiv ist bei Essensgewohnheiten aber in Vergessenheit geraten. [Zwischenrufe: "Buh!", "So ein Quatsch!" "Und die Eier?"]
Volkskundler haben mehrere Theorien, warum Hasen zu Ostern Eier legen: der Hase sei ursprünglich ein gebackenes, aber missratenes Osterlamm gewesen. Logischer klingt die These: "Seit dem vierten Jahrhundert galten die Wochen nach Aschermittwoch als vorösterliche Fastenzeit. Verzichtet werden sollte auf Fleisch, ursprünglich vielerorts auch auf Eier. Das führte, so Moser, regelmäßig zu einem erheblichen Eierüberschuss. Darauf begründet sich der Brauch, verzierte Eier in österlichen Gottesdiensten zu weihen und diese "Ostereier" zum Beispiel an Patenkinder zu verschenken."
Womensnet behauptet, die Sache sei ohnehin heidnisch: die Symbole der "germanischen" Frühlingsgöttin Ostara seien der Hase und das Ei. Das ist aber noch nicht einmal gut erfunden und so wahr wie das fromme Märchen, der dunkelhäutige Simon von Kyrene, der Jesus das Kreuz nachschleppte, sei ein Eierhändler gewesen.
Wiederum für humanistisch Gebildete: es ist komplizierter. Religiöse Fragen sind immer astronomische Fragen - und nur das. Den "spirituellen" Unfug können wir uns schenken. Robert von Rabke-Graves, der leider von halbgebildeten Esoterikern immer wieder missbraucht wird, schreibt in "Die Weiße Göttin" über männliche Halbgötter und Religions-Heroen (zu denen auch der biblische Jesus gehört) [Zwischenrufe aus der Gemeinde: "Burks, seit wann bist du Arianer?"]:
"Der Sohn inkarniert sich in den männlichen Dämonen der verschiedenen von ihr [der Schlangengöttin, B.S] beherrschten Totem-Gesellschaften, die bei den ihr zu Ehren aufgeführten erotischen Tänzen mitwirkten. Die Schlangen, die die Geister der Toten waren, sandten die Winde aus. Der Sohn, der auch den Namen Luzifer oder Phosphoros ["Lichtbringer") führte, weil er als Abendstern dem Lichte des Mondes vorauseilte, wurde alljährlich wiedergeboren, wuchs mit dem Fortschreiten des Jahres heran, vernichtete die Schlange und gewann die Liebe der Göttin. Ihre Liebe vernichtete ihn, doch aus seiner Asche wurde eine neue Schlange geboren, die zu Ostern das glain - das rote Ei legte, das die Göttin verzehrte. So daß der Sohn abermals als ihr Kind geboren wurde."
Das magische Ei zu Pessach alias Ostern ist also Teil eines klassischen astronomischen Jahreszeiten-Mythos. Ostern ist ein Fest der Tagundnachtgleiche. Pessach übrigens auch, denn ein Auszug der "Kinder Israels" aus Ägypten, an dessen Gedenken das "Fest der ungesäuerten Brote" gefeiert wird, hat historisch niemals stattgefunden.
[Unruhe in der Gemeinde, die Bänke leeren sich, Zwischenrufe: "Atheistenpack!" "Warum legt der Hase denn Eier?"] Wie bei spirituellen Fragen üblich, liebe wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser, sind letzte Antworten nicht möglich. Für das, was noch unklar ist, empfehle ich dem medienkompetenten Publikum eine detaillierte Lektüre der berühmt-berüchtigen Links im Internet. Pax!
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BURKS ONLINE 11.04.2004 Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des BurksVEB.
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