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 [Dokumentation] Interview mit Christian Worch Teil 1 Nächstes Thema anzeigen
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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
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BeitragVerfasst am: 18.03.2004, 22:45 Antworten mit ZitatNach oben





















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DUKUMENTATION: INTERVIEW MIT CHRISTIAN WORCH TEIL I

"Ein Prozent der Menschheit befindet sich auf meinem intellektuellen Niveau"

Von Burkhard Schröder


Man muss seinen Gegner kennen, um ihn bekämpfen zu können. Die Neonazi-Website in-das-licht.com - "Freie Nationalisten Bremen" wurde vor einiger Zeit abgeschaltet. Ein ausführliches, autorisiertes und aufschlussreiches Interview mit dem Neonazi Christian Worch wäre verschwunden gewesen. Die Archivfunktion von archive.org. half jedoch weiter - dort konnte man dieses "historische" Dokument noch finden. Burks.de dokumentiert das Interview ungekürzt, weil es keinen Grund gibt anzunehmen, dass irgendjemand bei der Lektüre zum Neonazi, Antisemiten oder Rassisten wird. Das Interview mit Worch in Spiegel Reporter Nr. 10, Oktober 2000, ist online nicht erhältlich.

Rechtschreibung und Diktion wie im Original. Kursive Stellen sind Kommentare im Original auf in-das-licht.com. Die Links wurden von mir nachträglich eingefügt.



Folgendes Interview wurde dem Science Fiction Magazin Andromeda entnommen, dessen Herausgeber zu Beginn der 80er eine Zeitlang Briefkontakt zu Christian Worch, während dessen Inhaftierung unterhielt. Christian war in den 70ern bis Mitte der 80er fester Bestandteil der Science Fiction Szene. Er war nicht nur Herausgeber eines Fanzines, sondern auch Autor etlicher Geschichten dieses Genres. Die beiden Interviewer, die eher dem linken Spektrum zuzuorden sind, mußten sich herber Kritik ihrer Szenepolizei unterziehen, wie sie es denn wagen konnten mit der Nazi-Koryphäe Worch ein Gespräch zu führen, dieses zu publizieren und obendrein auch noch die Frechheit besitzen, einem wie ihm, Kuchen statt Prügel anzubieten. Das Gespräch wurde im Jahre 1994 geführt und 1996 veröffentlicht.


Im Gespräch mit Christian Worch

[Biographie] [Die Familie] [Der Weg zum Nazi] [Intellektualität] [Literatur und Fandom] [Neue und alte Geschichten] [Quadratur des Kreises] [Fantasy & Faschismus] [König von Deutschland] [Kontinuität & Karriere] [Legalismus] [Überflüssig?] [Ziele] [Anti-Antifa] [Langen] [Richtig deutsch?] [Über Schwule] [Drogen & Musik] [Liberal?]

Vorgeplänkel

Frage: Ich habe versucht, anhand der Briefe und der vorhandenen Literatur Fragen zusammenzustellen...
Worch: Hast du eine Checkliste? Gibt es irgendwelche Fragen, die du mir stellen willst?
Frage: Ich habe das Geburtsdatum irgendwo rausgelesen. 14. März 1956, Du bist also rein rechnerisch 38.
Worch: Korrekt.
Frage: Ich weiß, daß Du mit 22 das erste mal inhaftiert worden bis, zu zwei Jahren und drei Monaten.
Worch: Das ist nicht ganz richtig. Das erste mal inhaftiert worden bin ich 1979, kurz vor meinem 23. Geburtstag, das waren sechs Wochen U -Haft wegen des Verdachtes, ich würde einige Fememorde begehen wollen. Anschließend kam der STERN noch mit der lustigen Geschichte, ich hätte den damaligen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Stoltenberg mit Hilfe einer Rohrbombe in einem Blumenkübel bei einem öffentlichen Auftritt in die Luft sprengen wollen.
Frage: Bitte?
Worch: Doch. Der STERN hat diese Geschichte gedruckt. Die stand allerdings nicht im Haftbefehl. Im Haftbefehl stand nur "Vorbereitung von zwei Fememorden an abtrünnigen Kameraden", und das ganze dauerte sechs Wochen, und dann nahm sich der Bundesgerichtshof dieser Angelegenheit an, und der setzte den Haftbefehl sofort außer Kraft. Anschließend wurde das Verfahren eingestellt. Dann bin ich Anfang 1980 wieder in den Knast gekommen, das war dann für drei Jahre, fast exakt drei Jahre.
Frage: Waren's nicht zwei Jahre und drei Monate?
Worch: Nein. Exakt drei Jahre. Das heißt, ich habe 14 Tage zuwenig eingesessen. Aufgrund eines Rechenfehlers der Staatsanwaltschaft. Die haben mich am 24. März 1980 eingeknastet, und drei Jahre, das wäre dann der 23. März 1983. Die haben aber darauf bestanden, mich am 9. oder am 10. März 1983 rauszulassen. Ich habe sie auf den Irrtum hingewiesen, aber sie waren der Meinung, sie würden besser rechnen als ich.
Frage: Im Urteil stand damals ein schöner Satz über dich: "Er ist der Typ eines völlig uneinsichtigen und unbelehrbaren Überzeugungstäters."
Worch: Das stand unter anderem, denn es war genau genommen mehrere Urteile zu einer Gesamtstrafe. Da kamen so ungefähr zehn Fälle zusammen: verfassungsfeindliche Propaganda, staatsfeindlicher Hetze, Verstoß gegen das Bannmeilengesetz, Beleidigung von Lebenden und Toten...
Frage: ... Tragen von uniformähnlichen Kleidungsstücken
Worch: Ja, also, Verstöße gegen das Versammlungsgesetz in Form von Teilnahme an unangemeldeten Kundgebungen, unbefugten Tragen von Uniformen. Unbefugten tragen von Waffen auf Versammlungen hatten wir nicht, deswegen bin ich sogar schon mal freigesprochen worden. Aber es stand zumindest mal in der Anklage drin, und außer dem einen Satz, den du eben zitiert hast, stand da auch noch der nächste Satz drin: "Aufgrund seiner Intelligenz und Beredsamkeit stellt er vorwiegend für jüngere Menschen eine Gefahr dar, sie gleichfalls zu politisch motivierten Straftaten zu bewegen."
Frage: Und: "Das Streben nach politischer Macht ist ersichtlich des Angeklagten einziger Lebensinhalt."
Worch: Das stand auch drin, aber es stimmt nicht ganz.
Frage: Das war aber in dem Urteil drin.
Worch: Drin stand es. Kann ja nicht alles stimmen, was in so einem Urteil steht.

Biographie

Frage: Du hast Rechtsanwaltsgehilfe gelernt?
Worch: Genau genommen habe ich Notarargehilfe gelernt; In Hamburg ist das ein kleiner Unterschied. Da habe ich meine Lehrzeit nach zwei Jahre, erfolgreich abgeschlossen. Pikanter Weise unter anderem, beim damaligen Bürgermeister Dr. Voscherau. Er war einer meiner Lehrherren.
Frage: Warst Du bei der Bundeswehr?
Worch: Nein. Die wollten mich im Sommer 1974, kurz nach meinem 18. Geburtstag. Da haben sie mir einen Einberufungsbescheid geschickt. Ich hab's damals vorgezogen eine Ehrenrunde auf dem Gymnasium zu drehen und habe ihnen dann mitgeteilt, daß mir unter diesen Umständen die Einberufung etwas ungelegen kommt. 1976 habe ich die Schule verlassen, genauer genommen wurde ich relegiert und nicht mehr zum Abitur zugelassen.
Frage: Aus welchen Gründen?
Worch: Leistungsverweigerung. Danach habe ich dem Kreiswehrersatzamt Mitteilung gemacht, ich habe jetzt die Schule verlassen und bemühe mich um eine Ausbildungsstelle, aber wenn ihr schneller seid, kriegt ihr mich zuerst, aber wenn die schneller sind, dann reden wir mal, wer mich zuerst kriegt. Da war ich schneller als die und habe ihnen mitgeteilt, ich habe jetzt zwei Jahre Lehrzeit vor mir, ihnen eine Kopie des Lehrvertrages geschickt, und dann haben sie mich zurückgestellt. Und Anfang 1978, als ich die Lehre beendet habe, da haben sie mir einen Zurückstellungsbescheid bis zum 31. März 1983 geschickt. Ich habe mich später mal darum bemüht, den Grund dafür in Erfahrung zu bringen, aber den wollte oder konnte mir dann keiner beim Kreiswehrersatzamt miteilen. Und das Zurückstellungsdatum war so gewählt, daß es nach meinem 27. Lebensjahr lag, wo sie mich dann nicht mehr einziehen konnten. Du kannst also daraus interpretieren, die Bundeswehr hat mich, weil ich Ende 1977 anfing, politisch aktiv zu werden, nicht genommen, weil sie Angst hatte, daß ich zu subversiv wäre. Sie dachten, so KBW-mäßig: "Soldat, die Richtung, in die das Gewehr zeigt, bestimmst Du." Und: "Soldat, nimm dein Gewehr, auf wen du schießt, bestimmst du."
Frage: Der Versuch der Kommunisten, in die Bundeswehr zu gehen? (Anm. d. Tippers: Das war damals eine Taktik des Kommunistischen Bundes Westdeutschland, KBW. Damals haben überhaupt viele kommunistische Gruppierungen die "Infiltrierung" der Bundeswehr propagiert.)*
Worch: Der KBW hat das gemäß der Kommunistischen Volkszeitung ganz bewußt gemacht, seine Leute dahingeschickt. Wir haben unsere Leute nicht bewußt dahingeschickt, sondern unsere Leute waren ja von sich aus geil drauf. Gehört ja zumindest ein bißchen zur Mentalität und zur Ideologie.
Frage: Du heißt mit zweitem Vornamen Friedrich!
Worch: Richtig.
Frage: Du hast früher auch unter Pseudonym geschrieben, angeblich im Fandom: Friedrich Könning und Martin Neumann. Wir haben nichts gefunden unter den Namen.
Worch: Das waren nur ein oder zwei Geschichten, aber das stimmt.
Frage: Du bist inzwischen geschieden.
Worch: Nicht ganz. Theoretisch hätte vorgestern mein Scheidungstermin sein sollen, aber der ist um einen Monat verlegt worden.
Frage: Deine Frau Ursula war ja auch aktiv.
Worch: War und ist - ja.
Frage: Du hast mal geäußert, daß Du aus Sicherheitsgründen kinderlos bist.
Worch: Ja.
Frage: Du bist Halb-Waise?
Worch: Nicht ganz. Genaugenommen bin ich Anderthalb-Waise. Ich bin Adoptivkind. Mein Adoptivvater hat, als ich sechs Jahre war, meine Stiefmutter und mich verlassen, weil er es vorgezogen hat, anstelle seiner Arztpraxis in Hamburg zu betreiben, lieber in Rom mit einer Patientin zusammen Bildhauerei zu machen. Das ging zwar auch nicht gut, aber die Ehe war damit zu Ende.
Frage: Deine Mutter ist die Frau Worch, die in Hamburg wohnt das war deine Postadresse.
Worch: Nein, die wohnt nicht mehr in Hamburg, die ist gestorben im Februar 1990. Du hast vielleicht das wunderschöne STERN - Zitat in Erinnerung aus den späten 70er Jahren: "Christian Worch, der eitle Jung-Nazi, schützt seine penibel gepflegten Hände bei Demonstrationen immer mit Handschuhen, wohnt bei seiner Mutter in Hamburgs Nobelviertel Pöseldorf und schreibt in seiner Freizeit Science-Fiction-Romane." Das ist irgendwann mal von 1978 oder 1979.
Frage: Aber unlängst wurde die ganze Geschichte wiederholt mit der Science Fiction. Da kam wieder was im STERN, Fantasy - Romane hieß es aber da. Der STERN schrieb auch, die hätten Dich besucht in Deiner Wohnung.
Worch: Es stimmt mit Einschränkungen. Ich gebe dem STERN seit 1987, keine Interviews mehr. Ich habe aber ein Interview gegeben, einem freien Journalisten, für die Hamburger Rundschau. Der war tatsächlich bei mir, und da der STERN eine Geschichte über mich bringen wollte, hat der wohl als erstes "hier!" geschrieen.
Frage: Und vor, daher kommt also die Geschichte: "Wir stehen bei Christian Worch vor der Wohnung, die Tür ist vierfach verriegelt" und so weiter.
Worch: Die haben nicht richtig hingeschaut. Eine Videoüberwachungsanlage habe ich nicht. Aber der Rest stimmt ungefähr.
Frage: Du hast kein richtiges Klingelschild.
Worch: Auch das ist richtig. Allerdings nicht aus Sicherheitsgründen, sondern weil die Verwaltung und ich uns seit fünf Jahren darüber streiten, wer es erneuern muß. Die Verwaltung denkt ich, und ich denke die Verwaltung.
Frage: Bist du seit 1983 noch einmal eingesperrt worden?
Worch: Ja, ich bin 1985 verhaftet worden. Anfang 85 habe ich sechs Wochen in Lüneburg in Untersuchungshaft gesessen und kriegte dann anschließend einen Prozeß, wurde zu vierzehn Monaten verurteilt, mangels Fluchtgefahr entlassen und habe das Urteil mit einer Revision angefochten. Die Revision wurde im Herbst 1985 verworfen. Ich habe auf den 30. Januar 1986 meinen Gestellungsbefehl bekommen, habe dann vom 30. Januar bis Ende September 1986 in Lübeck eingesessen und bin dann zu meiner Überraschung auf zwei Drittel entlassen worden.
Frage: Warum?
Worch: Das war eine Richterin, die wahrscheinlich blauäugig war.
Frage: Oder sie hat das Urteil nicht gelesen.
Worch: Denkbar.
Frage: Und seitdem?
Worch: Seitdem hat's einmal einen Strafbefehl gegen mich gegeben, 2000 oder 3000 Mark Geldbuße.
Frage: Bist du sonst festgenommen worden, bei Demonstrationen oder so?
Worch: In unseren ganz aktiven Jahren, so ab Herbst 77 bis zu Kühnens Verhaftung da sind wir durchschnittlich einmal die Woche festgenommen worden, bis Sommer 1978. Seit dem in etwas unregelmäßigeren Abständen, aber... Festnahmen habe ich nicht mehr gezählt, so zwanzig, dreißig Stück vielleicht. Auch bayerischen Unterbindungsgewahrsam habe ich schon einmal erlebt.

Die Familie

Frage: Es gibt eine Aussage über deine Situation, daß Du reich geerbt hast und deswegen nicht darauf angewiesen bist, zu arbeiten und Dein Geld in deine Aktivitäten, also voll in die Bewegung, stecken kannst.
Worch: Diese Aussage ist richtig. Aber fragt mich nicht nach Einzelheiten, solange Ihr eure eigene Einkommensteuererklärung nicht mitbringt.
Frage: Wäre ja auch eher peinlich...
Frage: Wie gesagt, es gibt - und deswegen frage ich nach - eine gewisse Darstellungspolitik, die Dich immer wieder gerne schildert als den vaterlos aufgewachsenen, armen, fehlgeleiteten, jungen Neonazi, ein verwöhntes Kind aus reichem Elternhaus, welches das nötige Geld hat, das alles zu betreiben, und das klingt dann immer wieder so als Hobby durch. Das ist eine gewisse Journaille, die das so schildert und die dich meiner Meinung nach sehr verniedlicht.
Worch: Das ist nicht ganz richtig. Wenn man sich mit den tiefenpsychologischen Gründen, warum jemand ultraradikale Politik betreibt, befaßt, gibt es natürlich eine ganze Menge potentieller Antworten. Der Umstand, daß ich mehr oder minder vaterlos auf gewachsen bin, hat mir ein Instrumentarium an die Hand gegeben. Meine Durchsetzungsfähigkeit ist - lebensgeschichtlich gesehen - besser entwickelt worden als das bei Kindern der Fall ist, die mit einem Vater und mit Geschwistern aufwachsen. Aber das treibt einen nicht zwangsläufig dazu, radikale Politik zu machen... Zur konkreten lebensgeschichtlichen Situation, kann man sagen: Der Finanzstatus meiner Familie war über fast hundert Jahre hinweg sehr wechselhaft. Während des Ersten Weltkrieges haben wir unser ganzes Vermögen verloren, nach dem Motto "Gold gab ich für Eisen"...
Frage: Du sprichst von deiner Adoptivfamilie?
Worch: Ja. Von meiner Adoptivfamilie. Zu meiner biologischen Familie habe ich keinerlei Beziehung, kenne ich auch gar nicht, habe dem nie nachgeforscht. Also, "Gold gab ich für Eisen", da war das Vermögen dann erst mal weg, dann wurde es in den zwanzigern und frühen dreißiger Jahren wieder aufgebaut, durch ein urgroßväterliches Patent. Nach dem Krieg sah es ein bißchen schlechter aus, weil vor allem auch der männliche Zweig der Familie erst einmal in "automatic arrest" saß und mein Vater, sprich mein Adoptivvater, der saß zusätzlich ein halbes Jahr in Lübeck, bis er wegen Simulation einer Geisteskrankheit von den Engländern rausgeschmissen wurde. Er saß wegen Fluchthilfe für Klaus Barbie. (1). Unter all diesen Umständen war natürlich der Einstieg ins Wirtschaftswunder, ich möchte mal sagen, ein bißchen gebremst. Es ging ja vielen Leuten so, die bei der SS oder bei Verteidigungsstellen waren. Was vom Familienvermögen übrig geblieben ist, war ein Haus in der Hamburger Innenstadt und das haben wir nach dem Tod meiner Großmutter ganz günstig verkaufen können, weil damals die Preise explodiert sind.
Frage: Ist das nicht ein Widerspruch für Dich, nie nach der eigenen Familie zu suchen? Eure Ideologie ist doch sehr an Wurzeln orientiert, ja, genetisch. Ist vielleicht ein bißchen ein böses Wort...
Worch: Ach, genetisch ist doch ein relativ harmloses Wort; andere Leute sagen dazu rassistisch.
Frage: Guter Satz...
Worch: Nach dem Motto "wir wollen es lieber von Dir selbst hören, wir wollen es nicht als erster aussprechen", nicht wahr?
Frage: Nein, darum ging's jetzt gar nicht. Ich denke, wenn man so einen Begriff benutzt, dann unterstellt man dem anderen sehr leicht etwas. Ich denke, ich weiß, wie ich Dich politisch einzuschätzen habe, aber ich muß diese Begriffe nicht benutzen. Ohne etwas aufzuwerten oder abzuwerten oder was auch immer.
Worch: Es ist folgendes: Ich betrachte mich nicht im eigentlichen Sinne als Rassisten. Demzufolge interessieren mich die Details meiner biologischen Herkunft gar nicht sonderlich. Ich weiß zufälliger weise, daß meine beiden leiblichen Elternteile Hanseaten waren, sprich also Hamburger der dritten Generation, ich weiß zufälligerweise auch, daß sie beide Jurastudenten waren, möglicherweise ist meine Neigung für die Jurispudenz also vererbt und nicht allein lebensgeschichtlich oder wegen irgendwelcher Adrenalinausschüttungen bedingt.
Frage: Noch mal lebensgeschichtlich: Du sagtest vorhin, Dein Vater war in der Partei? Als SS-Offizier?
Worch: Nein, er war Arzt, war allerdings bei der Waffen-SS, als Truppenarzt. Da er SS-Arzt war, kam er eben in "automatic arrest". Er kam allerdings schneller raus als mein Onkel, denn der war Feldwebel bei der Waffen-SS.

Der Weg zum Nazi

Frage: Ich frage deswegen, es gibt immer einen Punkt in der Biographie, den kann man nicht fixieren, aber das ist der Punkt, an dem es sich entscheidet, in welche Richtung man geht. Und den kann man wegen mir erblich bedingt herleiten, was ich für blödsinnig halte, oder man kann ihn von der Erziehung und Sozialisation herleiten. Ich habe einen ähnlichen Hintergrund beispielsweise, mit Weltkrieg und so, und hab? mich Für die andere Seite entschieden. Der Punkt ist doch: Warum hast du dich für diese Seite entschieden? Also: Wie kam es, daß Du Dich in diese Richtung entwickelt hast?
Worch: Ich kann das an zwei Punkten Festmachen. Erstens habe ich mich schon als sehr junger Mensch für Militärgeschichte interessiert. Mein erstes Interessengebiet war das Römische Imperium, und als ich das dann durchhatte, war mein nächstes Interessengebiet der Zweite Weltkrieg. Das man sich gerade als Deutscher unter diesen Umständen gewissermaßen automatisch mit der eigenen Seite identifiziert, liegt auf der Hand. Es gibt so 'ne schöne Definition von Michael Kühnen, der sagte: "Das eigene Volk oder die eigene Nation ist die größte Gemeinschaft, zu der man noch ein spontanes Gefühl der Zugehörigkeit automatisch empfindet." Und dann habe ich mir irgendwann die Frage gestellt: Wenn unsere militärischen Leistungen, gerechnet auf unsere Einwohnerzahl, gerechnet auf unsere Wirtschaftsstärke, gerechnet auch auf die Zahl unserer Feinde und deren Ressourcen, an und für sich so bemerkenswert waren, dann muß es andere Faktoren geben, abgesehen von den rein militärtechnischen, von den rein militärwissenschaftlichen und militärhistorischen. Und da habe ich in dieser Richtung nachgeforscht und bin dazu gekommen, daß es im Endeffekt nicht nur eine Frage von Waffen und Massen und Qualität der Waffen ist, sondern eben eine Frage der Motivation. Damals waren ja gerade auch die militärischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten, wo sich dann die Parallele aufdrängte: Denn wie hat der Judenstaat es geschafft, sich mit drei Millionen Menschen gegen hundert Millionen Araber siegreich Durchzusetzen? Sich also nicht nur zu behaupten, sondern die in allen Kriegen, egal, welche Seite den nun gerade angefangen oder das provoziert hat, tatsächlich schon fast vernichtend zu schlagen.
Frage: Du meinst Yom Kippur, 1974!
Worch: Ja. Das ist ja doch ein Phänomen, das mit mathematischen oder materialistisch-statistischen Grundlagen überhaupt nicht erklärbar ist. So bin ich also zur Frage der Motivation gekommen und habe festgestellt, daß offensichtlich damals im deutschen Volk eine Art von kollektivistischem Prozeß statt gefunden hat, der bei allen anderen Völkern der moderneren Geschichte, zumindest der europäischen oder westlich geprägten, in dieser Weise nicht bekannt ist. Höchstens natürlich bei den Asiaten, wie die Japaner, das war ja eine relativ parallele Entwicklung. Man hat die ja nicht umsonst die Preußen Asiens genannt. Von daher also eine Beschäftigung mit diesem Thema, und ich will jetzt nicht sagen, eine richtige vollständige Identifikation, aber doch zumindest mal ein relativ positiver Ansatz. Den zweiten Anstoß, ungefähr mit dreizehn Jahren, haben ausgerechnet in meiner Klasse drei oder vier Möchtegern-Marxisten geliefert, die damals anfingen, das, was sie als Marxismus verstanden, uns nahe bringen zu wollen. Natürlich ein bißchen unausgegoren, dafür aber mit um so mehr gutem Willen. Ich habe die Feststellung gemacht, das die traditionellen Autoritäten gar nicht imstande waren, damit adäquat umzugehen. Nun war das so, daß was war an den sehr rudimentären marxistischen Thesen, die da rüberkamen, das hat mich aber dann eher gefühlsmäßig abgestoßen. Da war diese Vorstellung von - quasi - Gleichmacherei, die mir nicht gefiel. Und dann habe ich mir überlegt: "Wenn die derzeitigen Autoritäten nicht imstande sind, damit intellektuell klarzukommen, dann ist - unabhängig von den realen Machtverhältnissen - das ja eine Sache, die sich unter Umständen durchsetzen kann. Auch wenn es eine Minderheit ist: Wenn der Gedanke durchschlagskräftig genug ist, dann nützt die reale Macht ja nichts, um ihn aufzuhalten. Als Beispiel aus der Geschichte kannst du hier das Christentum nehmen. Demzufolge habe ich nach einer Gegenstrategie gesucht, und diese Gegenstrategie hat mir ein kurzer Blick ins Lexikon gebracht. Ich habe mir gesagt: Es gibt ja eine weltanschauliche Richtung, die schon einmal in Deutschland in einer innenpolitischen Auseinandersetzung über den Marxismus klarer Sieger war. Nicht nur nach Punkten, sondern durch technisches K.O. könnte man sagen. Dann habe ich angefangen, mich näher damit zu beschäftigen und "Mein Kampf" zu lesen, das bei meiner Mutter im Bücherregal stand.
Frage: Und das war also der Beginn für dich - dich für Adolf Hitler zu interessieren. War das eine Art Hitler-Faszination?
Worch: Nein. Die Person Hitler selber war für mich gar nicht unbedingt so faszinierend. Obwohl er einen Anstoß gegeben hat, und es ist fraglich, ob ohne ihn diese Entwicklung auch in dieser Geschwindigkeit hätte stattgefunden. Ich persönlich glaube, daß es hätte stattfinden können. Er war ja auch nicht der eigentliche Erfinder des Nationalsozialismus, da gab es andere, teilweise ja zwanzig oder fast dreißig Jahre vor ihm. Diese Denkschiene, diese Verbindung der beiden großen Denkschienen des ausgehenden 19. Jahrhunderts, des Nationalismus und eben des aufkommenden Sozialismus, die lag schon irgendwo auf der Hand. Das Bürgertum, das hatte sich an und für sich durch Inzucht und durch alles mögliche erledigt. Die gesellschaftliche Umwälzung war vonnöten, das konnte ja nicht ewig so weiter gehen.

Intellektualität

Frage: Du hast mal den schönen Satz gesagt: "Höchstens zwei Prozent der Kameraden befinden sich auf meinem intellektuellen Niveau."
Worch: Da gehe ich davon aus. Aber ich würde sagen, höchstens ein Prozent der Menschheit befindet sich auf meinem intellektuellen Niveau. Von daher bezieht sich das nicht unbedingt nur auf meine Kameraden.
Frage: Das ist zwar kein Rassismus, aber eine ganz klare Erfassung der Menschen als unterschiedlich wertvoll oder unterschiedlich begabt...
Worch: Das ist richtig. Ich vertrete einen mehr oder minder elitären Gedanken.
Frage: Und das, obwohl du nicht universitär gebildet bist ...
Worch: Nach dem Mauerfall gab es ein gewisses Frühlingserwachen des Revisionismus, wobei sich plötzlich Kreise aktivierten, denen wir das nicht zugetraut hätten, weil wir die als Stubenhocker betrachtet hatten. Da hatten wir ein bißchen Auseinandersetzungen, weil die ziemlich weit von oben auf meinen Kameradenkreis herunterguckten. Auf mich natürlich nicht, weil ich nach alten Kaiserlichen Regeln zwar nicht mal satisfaktionsfähig war... es sei denn, ich hätte einen militärischen Rang in einer illegalen Organisation geltend gemacht, was ich lieber nicht getan hätte. Die Korps-Studenten merkten schon, daß sie bei einer geistigen Auseinandersetzung mit mir nur mit Mühe mithalten konnten.
Frage: Welcher militärische Rang in welcher illegalen Organisation?
Worch: Ich kann es sagen, es ist verjährt. Aber ich habe meine politische Karriere als Sturmführer in der illegalen SA (2) SA begonnen. Das entspricht im militärischen Bereich dem Rang eines Leutnants.
Frage: Noch mal zu den Studenten...
Worch: Wir hatten in Hamburg mal eine Gruppe, die nannte sich Gruppe 146, das waren also Leute, die haben sich auf den Artikel 146 des Grundgesetzes berufen. (Anm. d. Tippers: Im Artikel 146 steht: "Dieses Grundgesetz gilt, bis das ganze deutsche Volk sich in freier Selbstbestimmung eine neue Verfassung gibt." Diese studentischen Kreise wollten eine neue Verfassung - vor dem Anschluß der DDR an die BRD.) Die haben an der Hamburger Universität eine Veranstaltung mit Dr. Oberlercher durchgeführt. Wir hatten eine Art von Vorbereitungstreffen in deren Burschenschaftshaus, und da sprachen die unter anderem davon, daß es einige kleine Störungen geben könnte bei dieser Veranstaltung, und einer von denen sagte ganz locker: "Na ja, das ist ja alles nicht so schlimm, ich nehm' ein paar Kisten Bier und hol' mir die Rocker." So nach dem Motto: "Das Pack kann sich mal für uns schlagen." Bedauerlicherweise hat er das aber nicht geschafft, denn es gab Krawall, und die einzigen die da waren und sich tatsächlich geprügelt haben, das waren neben meinen Kameraden einige Korps-Studenten. Irgendwie hatte der Mann zu den Rockern nicht den richtigen Draht... Wir haben ihm damals noch gesagt: "Stell dir das mit den Jungs bitte nicht so einfach vor. Wenn du da hinkommst, dann mußt du einen gewissen Stallgeruch haben. Die paar Kästen Bier, die können hilfreich sein, aber eher als sekundäres Argument. Entweder kriegst du einen Draht zu den Leuten, dann sind sie auch ohne das Bier bereit, etwas für Dich zu tun, oder aber sie sagen unter Umständen ja und lassen dich dann eiskalt im Regen stehen." Im schlimmsten Fall schmeißen sie ihn mit Prügeln raus, aber das ist sogar bei Rockern eher unwahrscheinlich.
Frage: Weil der wieder unter ihrer Würde steht...
Worch: Ja, gar keine Frage. Das ist ja auch eines der Faszinosen des Nationalsozialismus, das war ja auch der systematische Kampf gegen alte Klassenschranken. Das war genauso der Versuch der Verbindung beziehungsweise der gleichwertigen Darstellung des Arbeiters der Stirn und des Arbeiters der Faust. Ich würde den Teufel tun, mich in einem anderen als im intellektuellen Bereich einem ganz normalen Arbeiter als überlegen zu bezeichnen. Ich kann möglicherweise schneller denken als der und bin möglicherweise geeigneter, einen Prozeß zu führen und ein Interview zu geben oder tiefenpsychologische Studien anzustellen oder ein Flugblatt zu entwerfen, aber wenn es darum geht, daß mein Auto in einer Parklücke steht und es da rausgetragen werden muß, weil links und rechts einer davorsteht, dann sind Leute meinesgleichen vielleicht weniger geeignet als vier Möbelpacker. Es auch kann Situationen geben, wo einem der ganze Intellekt überhaupt nichts nutzt, aber wo einem ein paar Muckis auf den Armen mehr was nutzen. Evolutionär gesehen weiß man im Endeffekt ja nie, welche von diesen Leuten überleben - die, die es im Kopf haben, oder die, die es in den Beinen haben, oder die, die es in den Armen haben.

Literatur und Fandom

Frage: Wann hast du mit dem Lesen angefangen?
Worch: Wenn du es ganz zurückverfolgst, dann war es wohl die PERRY RHODAN Serie, so Mitte bis Ende der 60er Jahre. So elf, zwölf war ich da, als ich das erste Heft in den Händen hatte. Ich habe im Laufe meines Lebens an die 3000 Bücher gelesen, Romanhefte mal nicht mitgezählt. Gerade so zwischen zehn und dem Ende meiner Schulzeit habe ich fast alles verschlungen, was ich irgendwie in die Hand kriegte. Da habe ich sogar die Bibliothek meiner Mutter rauf- und runtergelesen, obwohl das meiste davon für mich total uninteressant war, also Romane aus den Fünfziger Jahren.
Frage: Du warst eine Zeitlang aktiv im Fandom?
Worch: Ich habe ungefähr 1975 damit angefangen, und bis 1979 war ich in den Kreisen relativ aktiv, dann flachte das so langsam ab.
Frage: Du warst zuletzt auf einem Con in Hannover, in den 80er Jahren.
Worch: Das stimmt!
Frage: Es gibt diese obskure Behauptung, du wärst in Hamburg mal bei so einem SF-Kostümfest aufgetaucht, und zwar maskiert. Es hieß immer, das wärst du gewesen, aber man konnte sich nicht darauf einigen, weil sich keiner getraut hat, Dich anzusprechen.
Worch: Die Maske war so was ähnliches wie eine Fischkopfmaske, so wie dieses Monster aus den Sümpfen. Frag' mich bitte nicht, wie das im Film heißt, so halb Frosch, halb Fisch, mit so einem grünen Hahnenkamm, also Punk, bevor es Punk gab.
Frage: Ja ja, ich notier mir das mal. Vielleicht kriegen wir so eine Maske aufgetrieben...
Worch: Da mußt du Detlef Harnack fragen, denn aus seinem Fundus stammte sie.
Frage: Können wir machen. Den kennen wir ja auch, der ist immer noch im Fandom. Unter wechselndem Namen...
Worch: Unter mehreren Namen, das ist richtig. Insgesamt, ich glaube, drei, es können auch mehr sein.
Frage: Detlef Harnack, Falk von den Buchen, Henning Duve...
Worch: Ja, mehr Fallen mir im Augenblick nicht ein. Ich würde bei ihm nicht wetten, daß es vielleicht nicht noch zwei, drei mehr gibt.
Frage: Den Club hab' ich noch auf meinem Zettel stehen, diesen Cro Magnon. Hast du zu denen noch Kontakt?
Worch: Zu dem Verein als solchen nicht. Zu Detlef Harnack selber ja.
Frage: Es hieß, deine Frau Ursula sei Mitglied im SFC Cro Magnon.
Worch: Das ist nicht ganz Falsch. Wir sind meines Wissens nie ausgetreten, aber möglicherweise wegen Inaktivität und Nichtzahlung von Beiträgen mal rausgeschmissen worden.
Frage: Wie bist du an unsere Adressen rangekommen?
Worch: Ich weiß nicht mehr genau, von wem, ich mußte rumfragen...
Frage: Wir sind damals nämlich beide kurz vorher umgezogen und waren sehr irritiert... Duwe und Du, ihr wart ja persönliche Freunde, wenn ich mich recht entsinne.
Worch: Wer bitte?
Frage: Duve. Harnack.
Worch: Ja.
Frage: Er hat Dir doch den Umzug gemacht.
Worch: Was hat er?
Frage: Dir beim Umzug geholfen.
Worch: (sichtlich sprachlos)
Frage: Der Geheimdienst funktioniert eben gut.
Frage: Ja. Aber nur, wenn ich ihn anwerfe.
Worch: (lacht)

Neue und alte Geschichten

Frage: Wir veröffentlichen ja Geschichten von Dir, neue.... Du schreibst immer noch? Wie ging das denn los?
Worch: Man muß sich das folgendermaßen vorstellen: Ich hatte damals eine Saalverhaftung, nachdem die Urteilsverkündung verlesen worden war, wegen sogenannter Fluchtgefahr, und bin ins Untersuchungsgefängnis gekommen. Weil die politische Polizei Hamburg mich nicht sonderlich leiden konnte, haben die auf irgendwelchen Umwegen dafür gesorgt, daß ich erst einmal für ein halbes Jahr Totalisolation erleben durfte. Das muß man sich so vorstellen: kein Kontakt zu Mitgefangenen, keine gemeinsame Freistunde, immer allein im Hof rumlaufen. In diesem Jahr Untersuchungshaft habe ich schätzungsweise tausend engbeschriebene Schreibmaschinenseiten Manuskripte verfasst. Das war da meine Hauptbeschäftigung. Dann kam ich in Strafhaft, das heißt, man hat immer mit einigen Leuten zwei, drei Stunden täglich internen Kontakt. Da war ich nicht mehr so motiviert zum Schreiben, weil es andere Abwechslungsmöglichkeiten gab. Der "Weltenwanderer"-Zyklus ist also in der Untersuchungshaft begonnen worden, mit diesem einen Roman. Dann gibt es einen zweiten, und es gibt eine ganze menge Ansätze, da weiterzumachen, aber ich bin noch nicht hundertprozentig motiviert.
Frage: Im TIME GLADIATOR erschien damals eine Geschichte in Fortsetzungen, in der ging's um einen Helden, von dem schriebst Du mir damals, es sei nicht zufällig, daß der als weißer Söldner in Südafrika gekämpft hat. Es war also schon Anfang der 80er Jahre ein politischer Hintergrund vorhanden.
Worch: Bei dieser Geschichte war ein einwandfreier politischer Hintergrund vorhanden. Diese Gestalt, den du als eine Art Faschist im klassischen Sinne bezeichnen kannst....
Frage: Soweit ich mich erinnere, wehrt er eine Invasion auf die Erde ab. Mit sehr harten militärischen Mitteln, aber erfolgreich. Das war also eine politische Geschichte?
Worch: Das war eine eindeutig politische Geschichte. Geschrieben nicht nur zu meiner persönlichen Entspannung, nicht, um irgendwelche Leute anzuwerben oder sonst was. Mir ging es darum, Leute in eine Konfliktsituation zu bringen: Da ist auf der einen Seite eine Gestalt, die insbesondere wegen ihres weltanschaulichen Hintergrundes ablehnenswert erscheint, die andererseits aber eben durch geistige Überlegenheit besticht. Nach dem Motto: "Du darfst böse sein, aber du musst dabei möglichst intelligent sein."
Frage: Diese Figur des Weltraumhelden - ist das im Prinzip der Christian Worch, wie Du ihn Dir wünschen würdest?
Worch: Nein. Ein Teil davon.

Quadratur des Kreises

Frage: In deiner Story Quadratur des Kreises beschreibst Du im Prinzip den Weg eines Menschen, der vom politischen Aktivisten zum politischen Terroristen wird. Schon damals, als ich die zum ersten Mal las, dachte ich die ganze Zeit: "Im Prinzip schreibt er doch über sich selbst."
Worch: Die ersten zwei Drittel sind eigene Erlebnisse bis ungefähr zum Zeitpunkt der Haftentlassung. Das ist dieser Punkt, wo der Aktivist seine Schreibmaschine wegschmeißt, weil er der Meinung ist, die Zeit für Worte sei jetzt vorbei.
Frage: Diese Geschichte kann ich ohne Probleme, indem ich wenige Worte ändere, in die Geschichte eines kommunistischen Widerstandskämpfers umdichten.
Worch: Das kannst Du genauso gut, wenn nicht noch besser.... Es sei denn, dass du die Angehörigen der RAF oder des 2. Juni als Kommunisten betrachtest, ich betrachte die nicht als Kommunisten. Aber kannst Du lange diskutieren, vor allem, wenn Du mit einem von denen am Tisch sitzt... Im Prinzip zeichnete sich damals schon in den späten 70er Jahren ab, dass unsere Szene oder Teile davon eine ähnliche Entwicklung beschreiben werden.
Frage: Also Terror von rechts.
Worch: Ja... dass Teile der rechten Szene eine ähnliche Entwicklung beschreiben könnten wie jener Teil der APO, der sich abgespalten hat, von sich aus militanter geworden ist und immer stärker in die Militanz hineingedrängt wurde. Das System, mit dem wir es heute zu tun haben, ist identisch mit dem System, mit dem wir es Ende der 60er Jahre zu tun hatten. Die Methoden der Machtausübung sind nach wie vor die gleichen. Und wenn Du eine politische Oppositionsbewegung hast, egal, wie radikal oder wie gemäßigt sie ist, und du willst sie nicht in den sogenannten demokratischen Prozeß integrieren, Du willst sie nicht nach oben kommen lassen, um Deine eigenen Pfründe zu sichern, dann musst Du verfahren nach dem uraltenrömischen System des "divide et impere" - indem du sie einfach zerteilst.
Frage: Divida et impera.
Worch: Mein Latein ist ein bißchen verrostet, das gebe ich zu. Michael pflegte dazu immer zu sagen: "Ich erschlage die Leute mit den Trümmern meiner klassischen Bildung."
Frage: Wenn du von Michael sprichst, meinst du...
Worch: Kühnen.

Fantasy & Faschismus

Frage: Zurück zum Thema: Es gibt immer wieder den Vorwurf, dass Fantasy faschistisch sei...
Worch: Western von G. F. Unger sind mindestens so faschistisch wie die Romane um Conan den Barbaren. Wenn nicht noch ein bisschen mehr. Natürlich ist Fantasy bis zu einem gewissen Maße faschistoid, weil das ja Atavismus pur ist.
Frage: ... der starke Held... klassische alte archaische Gesellschaftsstruktur...
Worch: ...sicherlich auch in gewissem Maße sexistisch... obwohl, als ich damals anfing, Fantasy zu lesen, da gab's eben Conan, aber in der Urfassung. Was später dazugeschrieben worden ist, ist ja fast alles schon Müll. Dann gab es die ersten Romane der inzwischen zum größten Teil indizierten Gor-Serie, die Gor-Romane fand ich zum Teil echt spannend. Ich konnte mich bei den Favoriten nicht festlegen, ob es Norman oder Howard war. Was gab's sonst noch? Carter gab's, Lyon Sprague de Camp und so...
Frage: Es gab nur Sword & Sorcery, diese märchenhafte Fantasy gab's damals noch nicht.
Worch: Okay, Tolkien gab's, das ist richtig.
Frage: Die ganze Fantasy war sehr - sagen wir mal - grobschlächtig, vor allem wegen der Sword & Sorcery, und der Vorwurf kam nicht nur aus der linken Science-Fiction-Szene. Auch von der bürgerlichen Presse wurde immer wieder der Vorwurf gebracht, Science fiction und Fantasy, vor allem Fantasy eben, sei Literatur für Faschisten.
Worch: Zum damaligen Zeitpunkt kann man das so sehen. Wenn man sich heute beispielsweise Norman betrachtet, das ist ja Sexismus pur, bei Howard bzw. denen, die später daran mitgearbeitet haben, kam's nicht ganz so deutlich durch. Das Urmoment ist die Durchsetzung mit Hilfe gewalttätiger Instrumentarien, quasi sehr atavistisch.
Frage: Du hast damals geschrieben, Kühnen habe zu Dir gesagt: "Schreib doch völkische Fantasy, mit Fahnen und Symbolen!" Du habest damals gesagt, das eine sei dein Hobby, das andere sei die Politik.
Worch: Das ist richtig.
Frage: Gilt das heute noch? Oder wie sehr galt das damals?
Worch: Das galt damals, das gilt heute im Prinzip genauso. Allerdings mit dem einen Unterschied: Ich komme heute viel weniger in Versuchung, beides zu verknüpfen, weil ich viel weniger schreibe als damals.
Frage: Aus Zeitgründen, denke ich.
Worch: Nicht nur aus Zeitgründen.
Frage: Bist du eigentlich nach wie vor auf dem laufendem im Bereich der Literatur, vor allem Fantasy und SF?
Worch: Ich bin in der früheren Buchhandlung von Loock, ich weiß gar nicht, wer jetzt da der Eigentümer ist, absoluter Stammkunde. Da schau' ich durchschnittlich alle zehn Tage rein und besorg' mir ein paar Neuheiten. Es passiert mir allerdings häufig, öfter als früher, dass ich Bücher anfange zu lesen und dann einfach feststelle, das hab` ich schon mal irgendwie gelesen, in tausend verschiedenen Varianten.
Frage: Welcher Roman hat dich in letzter Zeit beeindruckt?
Worch: Was ich durchgehend gerne gelesen habe, war alles, was aus der Shadowrun-Serie stammte. Das hat mich dermaßen beeindruckt, dass ich mir vor zwei Jahren das erstemal in meinem Leben eines in der Originalsprache gekauft habe. Wird mir vielleicht nach den nächsten zehn irgendwann über, denn dann fängt es an, sich zu wiederholen. Aber diese Grundgedanken, die sind ja doch sehr inspirativ, und die Verquickung ist gelungen.
<b>Frage: Was hältst du von Alpers: ein Deutscher, der Shadowrun schreibt? Hast du den gelesen?
Worch: (lacht) Ich hab den ersten Teil, "Deutschland in den Schatten", vor etwa anderthalb Monaten gelesen, also kurz, nachdem er rauskam.
Frage: Der Alpers wird uns kreuzigen...
Worch: Der bringt euch um, weil ich seinen Kram lese?
Frage: Nein. Nur wenn wir diese Aussagen drucken.
Worch: Das ist natürlich euer Problem. Aber was die Lektüre angeht: Ist das mein Problem?

Teil 2 Teil 3


(1) Dass Worchs Adoptivvater "wegen Fluchthilfe" für Klaus Barbie im Gefängnis gesessen haben soll, erscheint sehr fragwürdig. IDGR zum Thema: "Nach 1947 arbeitete er in den Westzonen für den US-Geheimdienst CIC, dem seine Vergangenheit als Kriegsverbrecher bekannt war. Mit Wissen und wohl auch mit Hilfe des CIC floh Barbie 1951 nach Lateinamerika."
2) Worch meint vermutlich die illegale NSDAP Kühnens.

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BURKS ONLINE 19.03.2004
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