Man sollte nicht alles glauben, was in der Zeitung steht. Das weiß jeder. Und was online publiziert wurde, kann genau so gelogen sein. Insbesondere, wenn es um emotional besetzte Reizthemen geht. Als da wären: Kinderpornografie, Neonazis, Drogen. Hier setzen der Verstand und die kühle Analyse aus und werden durch einen quasi-religiösen Metadiskurs ersetzt. Recherche und Fakten zu pädagisch verquasten Textbausteinen.
Letzter Aufguss: ein Brite soll sich zu Tode gekifft haben. So schreibt das investigativeste alle Nachrichtenmagazine. Die Quellen werden wie gewohnt nicht verlinkt. Das holen wir hier nach. Es sind Stories im Daily Mirror, dem Telegraph oder dem Daily Record. Alle schreiben mehr oder weniger den gleichen Unsinn voneinander ab. Der Brite Lee Maisey, 36, soll 24000 Joints in elf Jahren geraucht haben. Macht sechs am Tag. Fakten? Fehlanzeige. Todesursache, durch Gerichtsmediziner untersucht und bestätigt? Pustekuchen.
Der Telegraph zitiert "This type of death is extremely rare," Prof John Henry, a toxicologist at Imperial College, London, said after the inquest at Haverfordwest, west Wales." Ein "high level of cannabinoids in his blood" sei gefunden worden.
Wie gefährlich Cannabis sein könnte, wird auf unzähligen Websites diskutiert: "Kann Cannabis tödlich sein? Nein. Eine tödliche Überdosis wie bei Alkohol oder Heroin gibt es bei Cannabis nicht. Der Grund: Der Hirnstamm, der die Grundfunktionen des Körpers kontrolliert, spricht auf das THC kaum an. Möglicherweise kann Cannabis aber bei vorbelasteten Menschen - Herzkranke und solche mit Bluthochdruck - Herzprobleme auslösen, im schlimmsten Fall einen Infarkt. Die Höhe des Risikos ist unbekannt, bis jetzt hat es sich auch in grossen Studien nicht messbar niedergeschlagen. Mit Sicherheit ist das Risiko viel geringer als bei Kokain oder Amphetaminen." Das muss nicht stimmen. Hört sich aber genauso seriöse an wie die "Drogenexperten".
Eine medizinische Website berichtet: "Todesfälle nach Cannabisvergiftung sind nicht beschrieben. Die mediane tödliche Dosis bei Ratten lag je nach Art zwischen 800 und 1.900 mg orales THC pro Kilogramm Körpergewicht. Bei Studien mit Affen traten selbst nach den höchsten verwendeten Dosen von 9.000 mg/kg orales THC keine Todesfälle auf." Andere medizinische Fachzeitschriften, um nur eine zu nennen, berichten über die heilende Wirkung der Pflanze.
eingeordnet - als Propaganda. Der von den meisten Medien - auch Spiegel online - zitierte "Drogenexperte" Philip Guy hat zwar einen netten Artikel publiziert, der sich mit der rassistischen Komponente in der Drogenpolitik beschäftigt, ist aber bisher nicht durch qualifizierte Statements, die Wirkungen von Cannabis betreffend, aufgefallen.
Aber um Fakten geht es gar nicht. Die netten Grusel-Geschichten über Cannabis sind nur dazu da, eine Anti-Drogen-Kampagne der englischen Regierung zu ventilieren: "The Government is to launch a £1million advertising campaign on Thursday highlighting that the drug will remain illegal despite the forthcoming law change." Spiegel Online und andere Medien widerkäuen das, was seit den siebziger Jahren auch von Heroin behauptet wird: "Suchtexperten warnen schon länger, dass der Griff zum Joint unterschätzt werde. Forschungen zufolge drohen bei Cannabis-Konsum Gedächtnisausfälle und langfristige Hirnschäden." Stimmt nicht. Oder nur soviel wie der Satz auf den Zigarettenschachteln: Baden während der Schwangerschaft erhöht den Meeresspiegel.
Diese "Forschungen", deren Ergebnisse und empirische Zahlen möchte ich zunächst sehen, bevor ich auch nur ein Wort glaube. Wie fragwürdig die sind, ist oft genug dokumentiert worden. Fazit: Ausser pädagogisch vorgeblich wertvollem Metadiskurs wieder nichts gewesen. Quod erat demonstrandum. Und: gebt mir mehr Links! Ein Königreich für mehr Links!
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