POLITIK | | Aktuell | 29.Dezember 2003 |
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BETTINA RÖHL UND DIE SIPPENHAFT FAZ über den Löffel balbiertVon Burkhard Schröder |
Niemand wird bestreiten, dass Bettina Röhl die Tochter Ulrike Meinhofs ist. Meinhof war eine Terroristin. Für die meisten Menschen wäre es eine Beleidigung, schlösse man daraus etwas. Manfred Rommel hatte einen Vater, der sich mit Panzern einigermaßen auskannte. Von seinem Sohn ist nur der Hang zur Oberbürgermeisterei bekannt. Die Vorliebe für Afrikafeldzüge scheint sich nicht vererbt zu haben. Auch Mord und Bombenbau sind nicht genetisch programmiert. Wenn das so wäre, hätte Röhl auch vermutlich die Vorlieben ihres Vaters für rechte Postillen, rote Porsche und nackte Frauen auf Zeitschriftentiteln geerbt und würde sich - wie der - zu Fasching als Luftwaffengeneral Harris verkleiden. Davon ist jedoch nichts bekannt. Auch hat noch niemand gewagt, die Journalistin "Sexpostillen" zu nennen, was nur zu konsequent wäre. Bettina Röhl hat denn auch gegen die FAZ eine einstweilige Verfügung erstritten, die der Zeitung untersagt, sie Terroristentochter zu nennen. Aus dem Urteil:
"Die Bezeichnung der Antragstellerin als offenbar traumatisierte Terroristentochter ist unzulässig [...]weil sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin rechtswidrig verletzt. Sie enthält einen tatsächlichen Teil, nämlich die Mitteilung, dass die Antragstellerin Tochter einer Terroristin sei. Diese Mitteilung muss die Antragstellerin nicht dulden. Grundsätzlich muss sie überhaupt nicht dulden, dass ihre Abstammung von Ulrike Meinhof herausgehoben wird. Die konkrete Formulierung hat aber zusätzlich schmähenden Charakter. Sie weckt Bezüge in Richtung auf die Antragstellerin, nämlich solche zur RAF und zum Terrorismus, für die nicht die geringsten Anhaltspunkte bestehen." Typisch Juristen. Das war auch nicht gemeint. Der sippenhaftende Begriff Terroristen-Tochter suggeriert jedoch etwas, das Journalisten nicht allzu fern liegt: eine Person nicht nur zu beschreiben, sondern deren Motive analysieren zu wollen. Jeder, der schreibt, ist ein verhinderter Schriftsteller, Psychologe, Theologie, Ethnologe und was es an -logen sonst so gibt.
Alexander Smoltczyk hat das Problem, Bettina Röhl zu "dechiffrieren", in wenigen Sätzen genial zusammengefasst. In einem Artikel für Spiegel Reporter 3/2001 schrieb er: "Bettina Röhl ist keine Systemumstürzlerin. Sie mag Franz Müntefering." Mehr muss man dazu nicht sagen. Damit ist klar, dass Röhl nicht die geringste Neigung verspürt, das System als solches auch nur ansatzweise in Frage zu stellen. Und zur Person: "Bettina Röhl redet schnell und schnoddrig und so leidenschaftlich, wie das in hanseatischem Tonfall möglich ist. Es liegt ein Reiz in dem Kontrast von ihrem verhangenen Blick und dem Mund, der kein bisschen nachgibt und jedes Lächeln unterdrücken kann. Dieser Frau erzählt man gern etwas. Zumal als Linker."
Natürlich gibt es eine Ähnlichkeit zwischen Ulrike Meinhof und Bettina Röhl: "Es gibt einen Traum, den Journalisten mit dem Anarchisten teilen. Es ist der Traum, allein gegen alle zu stehen. Bewaffnet nur mit der Wahrheit, doch deswegen auch allmächtig." Das ist jedoch eine Gemeinsamkeit, die nicht aus irgendeiner biologischen Tatsache rührt. Jeder, die die Realität für andere "aufbereitet", neigt zum Zynismus: man erkennt die Zwänge, das wer wen - und wäre moralisch indifferent, setzte man das Erkannte nicht endlich in politisches Handeln um. Es gilt aber die Maxime Hanns-Joachim Friedrichs': "Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten..." Wer Bambule gelesen und gesehen hat, erkennt das Prinzip wieder: Wirklichkeit gegen Wahrheit - was ist das eine, was das andere? Und sind beide identisch?
Bettina Röhl greift, wenn sie die Wahl hat, lieber zum verbalen Vorschlaghammer denn zum Florett. Das hat einen hohen Unterhaltungswert, ist aber nicht jedermanns Sache. Auf ihrer Website steht zu lesen: "Wer davon nicht loskommt, dass ich die Tochter von Ulrike Meinhof bin, wie dies für all die Austes, Leyendeckers und so weiter gilt, hat in seinem eigenen Oberstübchen aufzuräumen und bis das geschehen ist, was offenkundig noch dauert, den Mund zu halten." Und, in einem Interview: "Ich habe meine Mutter vor 27 Jahren zum letzten Mal gesehen...Es ist doch Irrsinn, jemanden, der sein ganzes Leben in Blankenese verbracht hat, plötzlich zu sagen: Du hast ja einen Baader-Meinhof-Komplex."
Vor diesem Hintergrund sind die Thesen der Kollegen in "Leichenteile im Pappkarton" und "Bettina Röhl krampft weiter" mehr als gewagt. Zum Thema Fischer versus Röhl versus Fotografen, dessen Aufnahme den heutigen Aussenminister in - je nach politischer Sozialisation des Betrachters - mehr oder weniger vorteilhafter Hooligan-Pose zeigen, ist in diesem kleinen familienfreundlichen Forum alles Nötige geschrieben worden ist. Fazit: Röhl darf die Fotos zeigen. Das meldet auch die taz. Und die Süddeutsche war so fair, sich zu entschuldigen (vgl. Abbildung].
Die wahren Konsequenzen der Medienschelte, die Röhl über sich ergehen lassen musste, sind weniger Berichte in den Zeitungen, deren Qualität und Aussage die medienkompetenten Leserinnen und Leser ohnehin selbst einschätzen können. Aber - die Netzeitung schrieb am 27.01.2001:
"Kiepenheuer & Witsch hatte ursprünglich vor, im Frühjahr den Titel «Sag mir, wo Du stehst» auf den Markt zu bringen - ein Buch Röhls über den «Terrorismus als bloßes Phänomen grausamer, linker Dekadenz». Doch nach der Auseinandersetzung um die von Röhl in Umlauf gebrachten Fotos aus der Sponti-Zeit von Außenminister Joschka Fischer nahm der Verlag von dem Projekt Abstand und bezichtigte die Autorin, eine Kampagne gegen Fischer zu veranstalten. Der Außenminister und Ex-Sponti publiziert seine Bücher ebenfalls bei Kiepenheuer & Witsch."Schön distanziert formuliert. Ein Schelm, wer auch hier einen Zusammenhang sieht. Wer Bettina Röhl eine Terroristentochter nennen will, muss auch behaupten, Fischer hätte bei Kiepenheuer direkt oder indirekt interveniert, um Röhls Buch zu kippen. Oder auch nicht. Verschwörungstheorien überlassen wir lieber denen, die sich damit besser auskennen. Oder auch nicht.
Anmerkung "balbiert" ist ein alter Ausdruck für "barbieren", also auch frisieren - und damit wären wir schon wieder beim Thema.
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