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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
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Wohnort: Berlin-Neukoelln

BeitragVerfasst am: 29.11.2003, 19:53 Antworten mit ZitatNach oben

Im Land der Miskito

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In La Ceiba schifften wir uns ein. Die Reise soll an der Atlantikküste von Honduras, dem Gebiet der Garifuna entlang bis in den äussersten Osten gehen, zum Gebiet der Miskito. Ohnehin wird die östliche Küste von Honduras und Nicaragua, ungeachtet der Staatsgrenzen, Mosquitia oder Moskito Coast genannt, nicht nach der Insektenart, sondern nach den Bewohnern, den so genannten Miskito-"Indianern".

Im kleinen Hafen von La Ceiba ankerte die Baltimore, ein Schiff, das in Abenteuerromanen vermutlich Seelenverkäufer genannt worden wäre. Der rostige Kahn mit Holzaufbauten wollte die Dörfer der Garifuna und Moskito ansteuern, zu denen keine Straßen aus dem Landesinneren führten. Wir wurden mit dem Kapitän, einem Miskito, schnell einig. Wir mussten nach Puerto Lempira, um nach Nicaragua einreisen zu können. Schon am nächsten Tag ging es los. Überall auf den Planken waren Benzinfässer verstaut, und die zahlreichen Reisenden quetschen ihre Habseligkeiten irgendwo hin.

Aus meinem Reisetagebuch: "Die Passagiere sitzen auf Brettern, die auf die Fässer gelegt worden sind. Versuche mit der Hängematte schlagen fehl: sobald wir abgelegt haben, schaukelt es wie in einer Achterbahn. (Bild o., 3.v.l.) Das winzige "Aussenklo" wirft einen so umher, dass man auch ein Raumfahrer-Training in ihm absolvieren könnte. Ein kleiner Junge kotzt überall hin. Der Rest der Passagiere tut es ihm spätestens am Morgen gleich. Die Baltimore fährt nur wenige Kilometer entfernt vom Ufer, immer schön parallel zu den recht hohen Wellen. Der Chef an Deck ist ein Garifuna: er schielt, ist strohdumm, aber stark wie Herkules. Während zwei der Matrosen ächzend einen Mehlsack aus der Ladeluke wuchten, schwingt er sich einen ganz allein auf die Schulter. Der Koch hat nur noch Fetzen am Leib und ist gleichzeitig Maschinist, denn er wechselt von der offenen Kochstelle zur Maschine und zurück. So sieht er auch aus. Das Essen ist grottenschlecht. Die Matrosen schlitzen einfach die Säcke der Ladung auf - Mehl, Zucker, Reis - und stehlen die Mahlzeiten zusammen. Der pampige Reis ist total versalzen. Ich kriege keinen Bissen hinunter und ernähre mich von Apfelsinen."

In den nächsten Tagen fahren wir in Sichtweite der Küste. Die Bewohner der Dörfer senden, wenn sie uns erspähen, ihre besten Boote aus. Die müssen gegen die Brandung ankämpfen. Für zwei bis drei Kilometer brauchen sie manchmal fast eine Stunde. Ich bewundere die Ruderer: der älteste sitzt immer hinten und kommandiert, der stärkste vorn und gibt mit seinem Paddel die entscheidende Richtung an. Textilien sind hier in der tropischen Hitze nicht so wichtig. Ein Boot kommt mit acht Ruderern längsseits, und alle acht tragen jeweils ein Superman-T-Shirt, vermutlich eine Spende eines US-Geheimdienstes. Es ist eine wahre Kunst, ohne Flaschenzug die Fracht in die Boote zu bekommen, zumal die Wellen das Boot an der Reling wie einen Aufzug hoch- und niedersausen lassen. (Bild o., 2.v.r.)

"In den lauen Nächten schlafen wir auf der hinteren Ladeluke. Der Dieselgestank der Pumpe dringt durch die Ritzen, der Lärm des Motors und die Gischt der See. Wir binden uns mit unseren Gürteln an der Reling fest, um nicht im Schlaf zur Seite und ins Meer zu rollen." Am dritten Tag bin ich richtig hungrig und trotz der traumhaften Kulisse sehr schlecht gelaunt. Ich nehme einen der Matrosen beiseite und frage ihn aus, wem das Schiff gehöre. Die Frage bewirkt Wunder. Offenbar denkt man, der vermeintlich reiche Ausländer hätte irgendeinen Einfluss. Nur eine halbe Stunde später kommen zwei durchaus genießbare und sogar warme Mahlzeiten, Käse, Reis und Kochbananen. Der Kapitän schickt nach mir, bittet mich neben das Steuerrad und fragt mir Löcher in den Bauch. Ich schenke ihm eine mit Plastikfolie überzogene Karte der Küste von Honduras und bin ab sofort hermano ("Bruder") und werde mit allergrösster Hochachtung behandelt."

Nach einer Woche erreichen wir den winzigen Hafen von Puerto Lempira (Bild o., 3.v.r.). Der Ort liegt sozusagen am Gesäß der Welt. Auf dem Dach unserer Hospedaje ("Herberge", Bild o.r.) versammeln sich die Aasgeier. Eine rostige Tonne schmückt den Vorhof. Wir treiben uns in den wenigen Spelunken des Ortes herum. Endlich gute Musik: Radio Cayman sendet beschwingte karibische Rhtyhmen. Wir knüpfen Kontakt mit einem Chinesen, der mit allem und jedem handelt. Er will in den nächsten Tagen mit seinem Jeep nach Leimus in Nicaragua, was zufälligerweise auch genau unser Ziel ist.

Wir starten mitten in der Nacht. Die Strasse führt durch endlose Kiefernwälder und würde in Deutschland als Waldweg der unteren Kategorie durchgehen. Am Nachmittag erreichen wir den Rio Coco, den Grenzfluss zwischen Honduras und Nicaragua. Die Situation ist brenzlig. Noch vor wenigen Monaten (1982) gab es hier bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den Sandinistas, der Armee aus Honduras, Miskito-Milizen und irgendwelchen Banden, die auf eigene Rechnung morden und plündern. Ein Mann der honduranischen Geheimpolizei (steht auf seinem T-Shirt, und er hat eine Pistole) taucht auf und fragt, ob wir eine Erlaubnis der Immigracion in Puerto Lempira hätten. Haben wir nicht, aber ich erzähle ihm was vom Pferd, und er lässt sich zum Glück beeindrucken.

Eine halbe Stunde sitzen (Bild l., 3.v.o.) wir im Gebüsch und spähen über den Fluss. Der Chinese ist verschwunden, und wir warten, ob sich auf der anderen Seite etwas regt. Dann steigen drüben zwei Mädchen in einen Einbaum und paddeln zu uns herüber.

Endlich - wir sind in Nicaragua, im Jahr zwei der Revolution. Überall bis an die Zähne bewaffnete Männer und Frauen im Che-Guevara-Look. Es gibt ein oficina de imigration. Dort ist man uns nicht wohlgesonnen. Offenbar sehen wir wie Spione der USA aus, und die würden die Sandinistas vermutlich gleich standrechtlich erschiessen. Erst das Visum des Konsulats von Nicaragua in Deutschland hellt die Mienen auf. Unsere Rucksäcke werden bis auf die letzte Wäscheklammer auseinandergenommen. Die Karte von Nicaragua erregt wieder Argwohn, so eine haben sie selbst nicht. Der comandante will sie konfiszieren, ich bitte um eine Quittung. Dann muss der Vorgesetzte entscheiden. Und am Schluss kriege ich sie doch zurück und schenke dem comandante eine Zigarre, die ich noch in Ecuador gekauft hatte und die ohnehin schon ramponiert ist. Das bricht das Eis völlig. Wir werden sofort eingeladen zu einem comida international ("internationales Essen"), das sich als Spaghetti mit Tomatensoße entpuppt, und sitzen am Tisch der jungen revolutionären Garde Nicaraguas. Niemand trennt sich von seiner Waffe, es ist wie im Western. Wir plaudern ein paar Stunden über die allgemeine und besondere Weltlage. Was dazu führt, dass der comandante von Leimus uns einen Militärjeep samt Fahrer und Soldaten zu unserem Schutz zur Verfügung stellt, der uns bis zur Küste nach Puerto Cabezas bringt. In den Miskito-Dörfern halten wir an, aber die Leute machen einen verschüchterten Eindruck. Eine Frau lädt uns dann doch zum Tee ein.

Am Abend treffen wir in Puerto Cabezas ein. Zum ersten Mal sehe ich revolutionäre Propaganda in der Sprache der Miskito (Bild links unten). "Taski lulkapra" heisst auf spanisch "no botas basura" und auf deutsch: Keinen Müll herumwerfen.

Fortsetzung folgt.

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29.11.2003
©BurkS


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