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 [Mythos RAF 7] Interne und externe Isolation Nächstes Thema anzeigen
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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
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BeitragVerfasst am: 27.10.2003, 00:04 Antworten mit ZitatNach oben

Der Text ist Teil der Diplomarbeit "Die Rote Armee Fraktion und die Reaktion des Staates", Institut für politische Wissenschaft; Universität Hamburg 2002. Abdruck mit freundlicher Erlaubnis von Jana Kunath. Die Diplomarbeit gibt es auch bei www.diplom.de.

Die Haftbedingen der RAF-Gefangenen



Bevor die Haftbedingungen und ihre Folgen dargelegt werden, wird allgemein die Behandlung von RAF-Mitgliedern bei der Festnahme und eine Gegebenheit beim Prozess gegen Peter-Jürgen Boock vorgestellt, um - über die Haftbedingungen hinaus - die Behandlung mutmaßlicher Terroristen zu thematisieren.

Nach der Verhaftung Ulrike Meinhofs wurde versucht, mit Gewalt - mittels Narkose - Fingerabdrücke zu nehmen. Aus Angst vor einer Narkose gab sie schließlich nach. Nachdem man Fingerabdrücke genommen hatte, wurde ihre Kaiserschnittnarbe zwecks angeblicher weiterer Identifizierung durch gewaltsame Entkleidung und Festbinden der Arme begutachtet. Ebenso wurde sie wiederum gefesselt, geröntgt. Sie wurde erneut gefesselt und geröntgt, um die Narbe eine Kopfoperation, der sich Meinhof in den 60er Jahren unterzogen hatte, nachzuweisen. Dieses Röntgen kann durchaus als Körperverletzung gewertet werden, da es in keinem Verhältnis zum Zweck stand, zumal zuvor bereits zwei erkennungsdienstliche Maßnahmen getroffen worden waren. So heißt es auch in Artikel 104 Abs.1 des Grundgesetzes: "Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden".

Erst nach vier Tagen durfte Meinhof ihren Anwalt sehen. Das widerspricht § 137 StPO, der besagt, dass jedem Verhafteten in jeder Lage der Beistand eines Verteidigers zusteht. Oliver Tolmein schildert, wie Irmgard Möller bei ihrem Prozess im März 1978 zwangsvorgeführt wurde: "Irmgard Möller selbst wurde zwangsvorgeführt, wobei sie vorher mit Gewalt von männlichem Wachpersonal ausgezogen und durchsucht wurde. Am 16. März erlitt sie auf Grund der Mißhandlungen einen Kreislaufkollaps und mußte ins Krankenhaus gebracht werden. Ein ärztliches Gutachten stellte innere Verletzungen fest und warnte vor der Gefahr einer lebensbedrohlichen Embolie. Irmgard Möller wurde für verhandlungsunfähig erklärt. Trotzdem lud das Gericht sie am 20. März vor und ordnete Zwangsmaßnahmen gegen sie an, so daß sie an einen Rollstuhl gefesselt dem Gericht vorgeführt wurde."

Während des Prozesses gegen das mutmaßliche RAF-Mitglied Peter- Jürgen Boock wurde der Angeklagte Boock von einem Anklagevertreter schon vor dem Urteil als Mörder bezeichnet. Nach Artikel 6 Abs. 2 der europäischen Menschenrechtskommission dürfen Strafverfolgungsbehörden zunächst jedoch nur von einem Beschuldigten sprechen, der hinreichend verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben. Erst mit der Verurteilung durch ein legitimiertes Gericht ist es erlaubt, jemanden zum Beispiel als Mörder zu bezeichnen. Vorher muss die Unschuldsvermutung gelten. Es ist daher nicht zulässig und stellt eine Straftat bezüglich übler Nachrede dar, einen Angeklagten als Mörder oder Spion zu bezeichnen. Diese Beispiele zeigen m. E., dass es häufig zu Rechtsbrüchen bei der Behandlung von RAF-Gefangenen durch staatliche Behörden gekommen ist.

Die Entwicklung der Haftbedingungen

In den früheren 70er Jahren wurden bereits von Richtern Maßnahmen für die Unterbringung von RAF-Gefangenen angeordnet, diese wurden nach § 119 StPO getroffen, jedoch mit einer breiten Auslegung.

In § 119 StPO sind die Regelungen zur Gestaltung der Haftbedingungen in der Untersuchungshaft allgemein gehalten. Durch § 119 Abs. 6 können die Haftbedingungen für einen Untersuchungsgefangenen durch richterliche Anweisung gesondert geregelt werden. Den Untersuchungsgefangenen dürfen jedoch nur insoweit Beschränkungen auferlegt werden, als diese dem Zweck der Untersuchungshaft bzw. der Ordnung der Vollzugsanstalt dienen.

Die Behandlung der RAF-Häftlinge umfasste folgende Maßnahmen: "Strenge Einzelhaft, tägliche Einzelfreistunde unter Abschirmung von alle anderen Gefangenen, Ausschluß von allen Gemeinschaftsveranstaltungen [...], laufende Kontrolle - auch nachts - durch den "Spion" in der Zellentür, Leerstehen der Zellen neben, über und unter der Zelle des Gefangenen, Post- und Besuchsverbote" Diese Maßnahmen wirkten auf die Gefangenen wie ein "Gefängnis innerhalb des Gefängnisses". Bakker Schut bezeichnet diese Maßnahmen als Isolationshaft.

Im Folgenden werden die Maßnahmen an zwei Beispielen eingehender beleuchtet. Das RAF-Mitglied Margit Schiller wurde folgenden Maßnahmen unterworfen:

  1. Strenge Einzelhaft,
  2. Fesselung der Hände auf dem Rücken auch während der Bewegungsstunde,
  3. Dauerbeleuchtung in der Zelle bei Tag und Nacht,
  4. Entzug aller Einrichtungsgegenstände,
  5. Anstaltskleidung anstatt privater Kleidung,
  6. Am Abend auch Entzug der Anstaltskleidung.
Als Begründung für diese Maßnahmen wurde die Flucht- bzw. Verdunklungsgefahr angegeben, die durch die U- Haft gebannt werden soll.

Holger Meins unterlag ähnlichen Bedingungen wie Margit Schiller. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs verfügte 1973 "besondere Sicherheitsmaßnahmen für den U- Haft- Gefangenen Holger Meins": Dort heißt es unter anderem: "4a) Besucher des U- Gefangenen Meins - auch Rechtsanwälte - werden nur nach ausdrücklicher Weisung des Inspektors für Sicherheit und Ordnung - falls dieser nicht erreichbar, nach Weisung des Inspektors vom Dienst - zum Besuch zugelassen. [...]
5a) Besucher des U Gefangenen Meins - auch Rechtsanwälte - werden vor der Zulassung zum Besuch einer körperlichen Durchsuchung (Mantel und Jacke ausziehen, Taschen der Kleidung entleeren und Abtasten über der Kleidung) sowie einer Durchsuchung der mitgeführten Behältnisse (Taschen pp.) unterzogen."
Die anderen Verfügungen gleichen denen von Margit Schiller. Auch bei Meins wurde als Begründung für die Maßnahmen die Flucht- bzw. Verdunklungsgefahr angegeben.

Die besondere Betonung der "Ordnung der Untersuchungshaft" stellt somit eine legale Grundlage für diese Isolation dar, so dass auch Rechtsanwälten die Möglichkeit entzogen wurde, gegen diese Maßnahmen erfolgreich vorzugehen. Die Maßnahmen zielten darauf ab, die RAF-Gefangenen innerhalb der Anstalt zu isolieren, auch der Umgang mit anderen Gefangenen wurde ihnen untersagt. Somit waren die Justizbediensteten die einzigen Kontaktpersonen für sie. Der § 60 UVollzO definiert jedoch diese Maßnahmen als eine deutliche Ausnahme: Sie darf nur angeordnet werden, wenn eine "erhebliche Verdunklungsgefahr" besteht - und auch dann nur für eine begrenzte Zeit. Jedoch wurden für die Begründung durch die zuständigen Richter, für die Annahme der Verdunklungsgefahr keine Tatsachenbeweise erbracht.

Zum Begriff der Isolation

Die Sicherheitsmaßnahmen, denen RAF-Gefangene ausgesetzt waren, hatten einen deutlichen isolierenden Charakter. Die Rechtsanwälte bezeichneten sie von Beginn der 70er Jahre an als Isolationsfolter. Das in Bezug auf diese Isolation gegründete Komitee gegen Folter übernahm die Bezeichnung der Isolationsfolter. Der Bundesgerichtshof lehnte allerdings den Begriff der Folter ab und legte dar, dass die Haftbedingungen von den Gefangenen provoziert worden seien. Das Ausmaß und die Dauer sei den Behörden erst durch das Verhalten der Angeklagten aufgezwungen worden. Diese Auffassung des Bundesgerichtshofs, der die Haftbedingungen rechtfertigte, interpretiert U. Demens wie folgt: Durch die Kollektivität der RAF-Gefangenen und ihr Ziel, auch innerhalb der Haft die demokratische Grundordnung außer Kraft zu setzen, seien der Staat und seine Bevölkerung gefährdet. Daher müsse der Staat die Haftbedingungen so gestalten, dass diese Gefahr nicht bestehe.
Einige andere Punkte der Haftbedingungen, denen Holger Meins unterworfen war, zeigen exemplarisch, wie weit die Isolation gehen kann:

"8. Die unmittelbar rechts und links und die unter und über der Zelle des U-Gefangenen Meins liegenden Zellen dürfen nicht mit Gefangenen belegt werden [...]
11. Die Essensausgabe, der Kleidertausch, die Abgabe von Reinigungsmitteln u. ä. erfolgt ausschließlich durch Anstaltsbedienstete ohne Beisein von Gefangenen.
12. Der Abteilungsbedienstete der Abteilung 2 hat die Zelle des U- Gefangenen ständig unter Bewachung zu halten. Sobald ein irgendein Gefangener (z. B. Flurreiniger) in der Nähe der Zelle [...] beschäftigt ist, muß der Abteilungsleiter unmittelbar dabei sein [...]
15. Einzelspaziergang mit Bewachung durch zwei Bedienstete. Von diesen ist ein Bediensteter bewaffnet. Er hat die Waffe verdeckt zu tragen. Einer der Bediensteten ist mit einem Funkgerät ausgerüstet. Ferner ist zu dieser Zeit bei der Pforte, bei dem Aufsichtsleiter und bei dem Rundgangbediensteten je ein Funkgerät in Betrieb [...]
16. Der U- Gefangene ist bei der Bewegung im Freien ab Austritt aus der Zelle bis zu seiner Rückführung zu fesseln.
17. Ausschluß von allen Gemeinschaftsveranstaltungen einschließlich Kirchgang.
18. Täglich Zellenkontrolle in Abwesenheit des Gefangenen und Leibesvisitationen [...]
20. Zum Baden wird der Gefangene von zwei Bediensteten in das Bad der Hausvaterei geführt."


Die Anordnungen zeigen, dass die Kommunikationsmöglichkeiten von Holger Meins stark eingeschränkt waren, es fehlte ihm also an sozialer Kommunikation, die jeder Mensch benötigt. Außer den Kontakten zu seinem Verteidiger und zu Angehörigen hatte er innerhalb des Gefängnisses nur Kontakt zu den Anstaltsbediensteten.

Im Folgenden wird Bakker Schuts Differenzierung zwischen interner und externer Isolation näher erläutert.

Interne Isolation

Untersuchungsgefangene werden immer getrennt von rechtmäßig verurteilten Gefangenen untergebracht. Laut § 119 StPO hat der Untersuchungsgefangene ein Anrecht auf eine Einzelzelle. Die Vollzugsanstalten haben zu verhindern, dass es zu Kontakten zwischen Tatbeteiligten und Mittätern kommen kann. Im Gegensatz zu den Gefangenen der RAF muss es Untersuchungsgefangenen grundsätzlich gestattet sein, an Gemeinschaftsaktivitäten wie zum Beispiel, Sport, Filmvorführungen oder Fernsehen teilzunehmen. In einem Fall darf von dieser Regelung abgewichen werden: wenn erhebliche Verdunklungsgefahr besteht. Die dann in Betracht kommende strenge Einzelhaft darf jedoch nur in einem begrenzten Zeitraum angewendet werden, und zwar so lange, wie die Gefahr der Verdunklung erheblich ist. Nur in diesen Fällen sind die Maßnahmen verfassungsgemäß.

Die Gründe für diese Maßnahmen gegen RAF-Gefangene wurden bezüglich der Verdunklungsgefahr allgemein gehalten, ohne dass der Verdacht durch Tatsachen untermauert wurde. Den Ausnahmecharakter der Haftbedingungen, denen RAF-Gefangene unterlagen, wurde bereits am Beispiel Holger Meins erläutert. Ulrike Meinhof musste in Köln- Ossendorf ebenfalls in völliger Isolation leben. Sie saß in einem leer stehenden, auch akustisch isolierten Teil der Frauenabteilung des Gefängnisses in Köln- Ossendorf. In meinem Kapitel "Toter Trakt" werden die einzelnen Bedingungen und Auswirkungen dieser Haftzeit erläutert.

Das RAF-Mitglied Roland Augustin wurde in Hannover in strenger Einzelhaft gehalten. Seine Zelle wurde zusätzlich mit einer Gummiabdichtung der Tür und mit schalldichten Doppelfenstern ausgestattet. Die Begründung der Gefängnisleitung für diese Maßnahmen lautete: "Es ist unbedingt zu verhindern, daß der Gefangene Augustin mit anderen Gefangenen körperlichen, akustischen oder sonstigen Kontakt aufnehmen kann."

Irmgard Möller beschreibt ihre Erfahrungen mit den Haftbedingungen wie folgt: "?Wenn umgekehrt ich durch das Loch raussehen wollte, zum Beispiel, wenn andere zum Hofgang gebracht wurden, haben sie sich davorgestellt. Und als ihnen das zu mühsam wurde, haben sie so eine Art Maulkorb, also ein nach außen gestülptes Gitter anbringen lassen, vor das ein schwarzen Tuch gehängt war, das sie anheben konnten, aber ich nicht. Ich befand mich also ununterbrochen in Sichtweite und vor allem auch in Hörweite. Ich hatte kein Radio, also keine Möglichkeiten, mich akustisch abzulenken, und mußte deswegen immer noch mithören, was die reden. (...) So ging das die ganze Zeit, bis dann Gerichtsbeschlüsse die Überwachungsintervalle etwas geändert haben. Ich wurde nicht mehr permanent beobachtet, sondern ,nur? noch alle drei Minuten. Dann nur noch alle fünf, schließlich alle zehn Minuten." Die völlige Isolation von anderen Gefangenen nennt Bakker Schut die interne Isolation.

Laut Gesetz muss der Gefängnisleiter oder sein Stellvertreter die Gefangenen in "angemessenen Zeitabständen" aufsuchen, um die Einsamkeit zu unterbrechen. Die Umsetzung dieser Vorschrift ist jedoch kaum vorstellbar, da auch der Gefängnisleiter die Ziele der Untersuchungshaft verwirklichen muss, um die Ordnung in der Vollzugsanstalt zu gewährleisten. Zudem sind die Anstaltsleiter verpflichtet, über Wahrnehmungen und Vorkommnisse dem zuständigen Richter oder Staatsanwalt zu berichten, wenn diese Erkenntnisse für das Strafverfahren wichtig sein könnten. Aus diesem Grund haben die RAF-Gefangenen jeglichen Kontakt zum Anstaltspersonal abgelehnt. Somit ist die Behauptung der Justizbehörden, die Gefangenen hätten sich ihre Isolation selbst zuzuschreiben, kaum noch nachvollziehbar. Untersuchungsgefangene können zwar laut § 119 StPO eine Zusammenlegung mit anderen Untersuchungshäftlingen beantragen, aber diese Vorschrift gilt nicht, wenn Untersuchungsgefangene nach § 129a StGB in Untersuchungshaft sind.

Im folgenden Abschnitt werden die Auswirkungen der "externen Isolation" (nach Bakker Schut) erläutert.

Externe Isolation

Untersuchungsgefangene haben laut Gesetz grundsätzlich die Möglichkeit, Kontakte mit der Außenwelt zu unterhalten. Dazu gehören Besuche von Familienangehörigen und von dritten sowie Kontakte zu Verteidigern. Im Regelfall können Untersuchungsgefangene ein mal alle zwei Wochen, Besuche empfangen, oft auch mehr. Eine Besuchserlaubnis muss beim zuständigen Staatsanwalt oder Anstaltsleiter beantragt werden. Der einzige Grund für die Verweigerung eines Besuchs ist, das der Besuch die Anstaltsordnung stört. Margit Schiller interpretierte die Verweigerung von Besuchen folgendermaßen: [color=brown["Oft verboten sie wichtige Besuche. Wir sollten so wenig wie möglich politische Auseinandersetzungen führen, und draußen sollte uns niemand mehr kennen, damit die Bilder der psychologischen Kriegsführung von uns als harte, unsensible, politisch Ahnungslose, egoistische Desperados greifen konnte."[/color]

Untersuchungsgefangenen ist es darüber hinaus grundsätzlich erlaubt, unbegrenzt Post zu empfangen oder zu versenden. Die Post wird einer Zensur unterworfen, für die der Haftrichter oder der Staatsanwalt zuständig sind. Die Zensur soll verhindern, dass Beweismaterial beseitigt oder die Anstaltsordnung gefährdet wird, wenn Briefe einen beleidigenden oder strafbaren Inhalt haben.

Doch auch hier ließen die Regelungen viel Raum für Interpretationen. Denn die Realität der RAF-Gefangenen sah anders aus. Bakker Schut dazu: "Jahrelang galt für fast alle Gefangenen aus der RAF, daß sie, im Gegensatz zu anderen Gefangenen, Besuch oder Post nur von Familienangehörigen und Verteidigern empfangen durften. Familienbesuche bei ihnen werden immer von mindestens zwei Beamten [...] überwacht, die die Gespräche mitverfolgen."

Dass die Aufzeichnungen solcher Gespräche auch bei Prozessen verwendet wurden, zeigt ein Beispiel von Ulrike Meinhof. Auf Grund von Aufzeichnungen bei Besuchen wurde über sie ein psychiatrisches Gutachten erstellt.

Die Begründung für die Verweigerung, einen von Carmen Roll geschriebenen Brief an den RAF-Gefangenen Manfred Grashof auszuhändigen, lautete: "Das Schreiben der Carmen Roll sowie die beigefügten Druck- bzw. Abschriften geben eine übertriebene Kritik an den bestehenden politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Bundesrepublik wieder und setzen sich mit den Straftaten der Mitglieder der Baader-Meinhof-Gruppe in einer Form auseinander, die die kriminelle Aktivität dieser Gruppe zu rechtfertigen versucht. Dadurch soll der Beschuldigte in seiner negativen Haltung gegenüber Staat und Gesellschaft bestärkt werden. Die mit dem Schreiben und den Druckschriften verbundenen Kampfaufrufe geben Anlaß zu der Befürchtung, daß sich der Beschuldigte zu Kampfmaßnahmen herausfordern läßt und es dadurch zu Störungen der Anstaltsordnung kommt."

Auch das grundsätzliche Recht auf Besuche von Dritten wurde RAF-Gefangenen verwehrt. So wurde zum Beispiel eine Postsendung an das RAF-Mitglied Gerhard Müller mit der Begründung nicht weitergeleitet, die Postsendung stamme nicht von einem Angehörigen. Die Verweigerung der Zustellung von Postsendungen wurden immer wieder damit gerechtfertigt, dass außerhalb der Gefängnisse sich aufhaltende RAF-Mitglieder versuchen könnten, Kontakt mit den Gefangenen aufzunehmen, und die Inhaftierten ihrerseits versuchen könnten, diese zu neuen Anschlägen zu animieren.

Das Kontakte zumindest zwischen einzelnen RAF-Gefangenen bestanden, ist durch den Schriftverkehr eines Anwalts bewiesen, der die Idee hatte, ein Informationsbüro zu gründen. Auf dieser Anregung basierend wurde später das so genannte Info (hierbei konnten die Gefangenen mit Hilfe der Anwälte Kassiber untereinander verschicken) aufgebaut. Später gab Bakker Schut das Buch Das Info heraus, das die Kommunikation zwischen den Gefangenen zum Thema hat und zahlreiche Belege dafür enthält.

Die zentrale Figur bei diesem Info war der Anwalt Groenewold, bei dem alle Nachrichten zusammenliefen. Ein Schreiben für Peter-Jürgen Boock wurde mit der Begründung nicht zugestellt, dass das Schreiben "wahrheitswidrige und justizfeindliche Behauptungen" enthalte, die "geeignet sind, den Angeklagten in seiner ablehnenden Haltung gegenüber Justiz und Vollzug zu bestärken." Auch die Kontakte mit Verteidigern wurden, wie im Kapitel zu den Anti- Terror-Gesetzen beschrieben, durch eine Kontrolle des Schriftverkehrs und durch die Trennwand stark eingeschränkt.

Auch nach dem Tod von G. Ensslin, J.-C. Raspe und A. Baader mussten sich alle Verteidiger einer Leibesvisitation unterziehen. Die Begründung hierbei lautete, dass es Verteidiger gewesen seien, die die Waffen nach Stammheim eingeschleust hätten, mit denen sich die RAF-Gefangenen erschossen hatten. Die Tatsache, dass Verteidigern zugetraut wurde, Waffen für ihre Mandanten einzuschmuggeln, bewertet Hannover derart, dass ihm und seinen Kollegen die ihnen zustehende Unabhängigkeit abgesprochen werde: "Er (der Anwalt; Anm. d. Verf.) wird zum Komplizen des Angeklagtes degradiert." Ein Beispiel dafür: Bundesanwalt Zeis bezeichnete die Verteidiger am Ende dieses Stammheimprozesses als Helfer des Angeklagten.

Hannover äußert die Meinung, wenn die oben genannten Durchsuchung der Verteidiger Sicherheitszwecke erfüllen soll, diese auf alle ausgedehnt werden müsse, um einem "Diskriminierungseffekt" zu vermeiden. Hannover vertritt weiterhin die Meinung, dass die oben genannten Durchsuchungen auf alle Verteidiger ausgedehnt werden müssten, wenn sie zum Zweck der Sicherheit durchgeführt würden und ein Diskriminierungseffekt vermieden werden sollte.

Die Begründung der erheblichen Sicherheitsmaßnahmen mit einem Gefahrenpotential der RAF-Gefangenen manifestiert sich in diesen Haftbedingungen. Die Befürchtung, die RAF-Gefangenen würden andere Gefangene aufwiegeln und somit die Anstaltsordnung gefährden, rechtfertigen von staatlicher Seite die interne wie externe Isolierung der Gefangenen. Inwieweit sich diese Haftbedingungen auf die physische und psychische Gesundheit auswirken können, wird im nächsten Abschnitt über den so genannten Toten Trakt dargestellt.

Das info. Briefe der Gefangenen aus der RAF 1973-1977. Hrsg. v. Pieter H. Bakker Schut. Kiel: Neuer Malik Verlag, 1987. Erhältlich über www.zvab.com.

Fortsetzung folgt.
27.10.2003
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