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 [Mythos RAF 5] Das Scheitern des bewaffneten Kampfes Nächstes Thema anzeigen
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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
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BeitragVerfasst am: 24.10.2003, 17:46 Antworten mit ZitatNach oben

Der Text ist Teil der Diplomarbeit "Die Rote Armee Fraktion und die Reaktion des Staates", Institut für politische Wissenschaft; Universität Hamburg 2002. Abdruck mit freundlicher Erlaubnis von Jana Kunath. Die Diplomarbeit gibt es auch bei www.diplom.de.

Das Scheitern des bewaffneten Kampfes
Motive für die Gründung der Rote Armee Fraktion
Das Guerilla-Konzept der RAF und ihr Scheitern
"Primat der Praxis"
Befreiungsarmee oder Terroristen?
Faschismusvorwurf der RAF

Motive für die Gründung der Rote Armee Fraktion (RAF)

Der deutsche Linksterrorismus entwickelte sich personell aus der Studentenbewegung heraus. Die RAF hat in ihren Schriften immer wieder Bezug auf diese genommen und auch einige Thesen der Studentenbewegung übernommen. U. Matz ist der Meinung (siehe oben) dass Terrorismus und die Studentenbewegung nicht zu unterscheiden seien.

Das RAF-Mitglied Irmgard Möller sagte zu den Motiven für die Gründung der RAF Folgendes: "Das (die Gründung der RAF, Anm. der Verf.) hing mit den politischen Rahmenbedingungen zusammen. Die Sozialdemokratie war an die Regierung gekommen. Es gab damals die große Amnestie für Studentinnen und Studenten wegen der Demonstrationsstraftaten. Das hatte einen starken Sog Richtung Integration zur Folge. Viele hatten auch enorme Hoffnungen, innerhalb dieses neuen sozialdemokratischen Staates etwas verändern zu können. Einige, vor allem Leute aus der Lehr- und Wissenschaft, haben sich auf den langen Marsch durch die Institutionen begeben. Es gab aber auch viele, die das nicht wollten, die aber trotzdem gesagt haben: mal schauen, was jetzt passiert, erst mal abwarten, ob sich nicht noch was verbessert. Der Wahlsieg der SPD hat also einen tiefen Einschnitt in der außerparlamentarischen Opposition zur Folge gehabt."

1971 schrieb Ulrike Meinhof zur Studentenbewegung: "Die RAF hielt es, zumindest tief ermutigt von den Aktionen der Studentenbewegung und der APO, für nötig, die Idee des bewaffneten Kampfes zu propagieren ... Es ging darum, den ganzen Erkenntnisstand der Bewegung von 1967/68 historisch zu retten; den Kampf nicht mehr abreißen zu lassen." In dieser Beziehung wollte die RAF einen Zusammenhang mit der Studentenbewegung herstellen, jedoch auch weiter gehen, indem sie den bewaffneten Kampfes proklamierte. Sie fühlte sich daher als Nachfolger der Studentenbewegung.

Das spätere RAF-Mitglied Stefan Wisniewski äußerte sich 1997 in einem Interview ähnlich: "Wir waren vom Zerfall der 68er Revolte geprägt, wir wollten ihre sozialrevolutionären und antiimperialistischen Ansätze weitertragen, und der Horizont von neuen sozialen Bewegungen war für uns noch lange nicht greifbar." Und weiter: "Ohne Vietnam, ohne die Entwicklung in der dritten Welt, wäre die RAF nicht geworden, was sie dann geworden ist. Unsere Hoffnungsträger waren die Tupamaros und die Black Panther."

Thomas Meyer resümiert, dass die RAF keinen Sinn mehr sah, mit Diskussionen und Demonstrationen etwas ändern zu können. Da es sich jedoch nicht nur um Einzelstimmungen, sondern um eine "Gruppenartikulation" handele, schließt Meyer daraus, dass der Terrorismus nicht oder kaum ohne die Studentenbewegung stattgefunden hätte.

Die Entstehung des Linksterrorismus ist einerseits im Kontext der Protestbewegung zu sehen. Andererseits lässt sich dieses nicht in ein Ursache-Wirkung-Schema pressen. So stellt auch Wunschik dar, dass, bis heute noch kein gesichertes theoretisches Konzept für diese Annahme vorliege. Außerdem spreche dagegen, dass in anderen Ländern selten Protestbewegungen in terroristische Gewalt umgeschlagen hätten.

2. Das Guerilla-Konzept der RAF und ihr Scheitern

Das Konzept der Stadtguerilla entwickelte die RAF nicht aus der Ideologie des Anarchismus heraus, sondern aus dem Marxismus-Leninismus, der durch die maoistische Lehre erweitert wurde. Diese Anlehnung, die schon die Studentenbewegung an diese Befreiungsbewegungen hatte, ist auch vor dem Hintergrund des Vietnam- Krieges zu sehen.

Die RAF vertrat die These, dass die gesellschaftliche Realität eine radikale Veränderung verlange. Die Ursachen lägen im Kapitalismus und Imperialismus, politische Reformen würden das System nur vorübergehend stabilisieren. Da jedoch der notwendigen Revolution noch die Massenbasis fehle, müsse diese durch die Guerilla herbeigeführt werden.

Ulrike Meinhof schrieb im "Konzept Stadtguerilla", dass von der RAF 1971 verfasst wurde: "Wir behaupten, daß die Organisierung von bewaffneten Widerstandsgruppen zu diesem Zeitpunkt in der Bundesrepublik und West-Berlin richtig ist, möglich ist, gerechtfertigt ist. Daß es richtig, möglich und gerechtfertigt ist, hier und jetzt Stadtguerilla zu machen." Für ihre Annahme, dass eine Stadtguerilla möglich gewesen sei, nennt sie keine Argumente oder Begründungen.

Für den bewaffneten Kampf beanspruchte die RAF die Avantgardeführung. Das Konzept der Stadtguerilla stammt aus Lateinamerika. Es stammt unter anderem von Carlos Marighella, der dazu ein Handbuch über den Aufbau und die Wirkungsweise der Guerilla veröffentlicht hat. Die Situation der lateinamerikanischen Länder, ihre sozialen und politischen Verhältnisse wurden kritiklos auf die Verhältnisse in der Bundesrepublik übertragen. Der Versuch, diese Verhältnisse einfach auf die Bundesrepublik zu übertragen, kann der Realität jedoch nicht standhalten.

Ho Chi Minh schreibt 1928: "Das revolutionäre Partisanenwesen ist undenkbar, wenn eine friedliche und eine normale Situation besteht, und ist der Ausdruck für den Beginn einer Periode des offenen Bürgerkrieges zwischen zwei Teilen eines gegebenen Volkes."

Auch der Revolutionär Che Guevara äußert sich ähnlich: In einem Unterdrückungsregime, das mehr oder weniger auf demokratischem Wege an die Macht gekommen sei, bestehe keine Partisanenbewegung, weil in diesen Ländern noch die Möglichkeit eines Kampfes mit friedlichen Mitteln bestehe. Nur unter der Voraussetzung, dass die durch eine Verfassung garantierten demokratischen Rechte und Freiheiten nicht existierten, sei den Partisanen die aktive und passive Unterstützung eines großen Teils der Bevölkerung sicher bzw. können sie mobilisiert werden. Denn: Die Partisanen müssten sich der örtlichen Unterstützung der Bevölkerung sicher sein. Dies sei "eine unbedingte Voraussetzung." Wenn sie fehle, hätten sie äußerlich möglicherweise alle "Attribute" einer Partisaneneinheit, jedoch könnten die Staatsorgane ihre Mitglieder aufspüren.

All diese Voraussetzungen fehlen jedoch in der Bundesrepublik.

Iring Fetcher führt folgende Gründe an:

  1. es gibt keine fremde Besatzung, (die Alliierten seien auf Wunsch der bundesrepublikanischen Bürger im Land), es gibt keine tiefgehenden Konflikte zwischen den Alliierten und der Bevölkerung,
  2. die ländlichen Gebiete sind keine Zentren massenhafter Unzufriedenheit,
  3. nationale Fragen würden nicht so sehr erregen, dass dadurch eine Bereitschaft zum bewaffneten Kampf bestehen würde.

Auch Fidel Castro erklärte, dass die wesentliche Voraussetzung der Guerilla darin bestehe, die Wirklichkeit interpretieren zu können. Daher muss man der RAF den Anspruch Revolutionäre zu sein, bestreiten. Folglich muss ebenfalls festgestellt werden, dass die RAF ihrem Anspruch, revolutionär zu sein, nicht gerecht wurde.

Gleichzeitig beruft sich die RAF, wie bereits erwähnt, auf lateinamerikanische Stadtguerillas, wie z. B. auf die Tupamaros in Uruguay, und betont, sie habe von diesen die Möglichkeit der Guerilla in hochindustriellen Ländern und Großstädten gelernt. Der RAF sei bewusst gewesen, dass sie die ländlichen Guerillas, wie sie z. B. in China, Vietnam oder auf Kuba stattfanden, nicht ohne weiteres übernehmen könne. Zudem sei Uruguay zu Beginn der Guerilla keineswegs eine Militärdiktatur gewesen.

Daher müsste erst die herrschende Klasse dazu übergehen, ihre eigene Legitimität zu zerstören, "damit die Organisation" der Tupamaros "Formen der direkten Aktion anwenden konnte, ohne sich zu isolieren." Zwar sei die Situation der Bundesrepublik in der Studentenbewegung wiederholt kritisch gewesen, aber die Legitimität des Staates sei nicht zerstört worden.

Die Strategie der RAF zielte darauf ab, den Staat zu Maßnahmen zu zwingen, um damit die gesellschaftlichen Widersprüche zu verschärfen und die latent vorhandenen revolutionären Strukturen der Massen zu aktualisieren. Das heißt: Mit dieser Strategie wurde der Versuch unternommen, eine latent-revolutionäre Situation in eine fest-revolutionäre Situation umzuwandeln. Hierbei unterstellt die RAF der Bevölkerung eine tendenziell revolutionäre Grundstimmung, die zu einer Revolution führen könnte. Ob jedoch die Bundesrepublik latent revolutionär sei oder nicht, könne nur durch die Praxis ermittelt werden.

"Primat der Praxis"

Die RAF wollte die Theorie nicht überprüfen, ob der bewaffnete Kampf durch eine Gesellschaftsveränderung möglich ist, sondern durch "praktische Erprobung" diese Chancen ausloten. Die unverzügliche Gewaltanwendung begründete die RAF mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik. Die bestehende Situation weiterhin hinzunehmen, hätte für sie eine Fortsetzung der bestehenden Ausbeutung und Unterdrückung bedeutet.

Dieses "Primat der Praxis" verdeckte längere Zeit die unterschiedlichen theoretischen und politischen Vorstellungen innerhalb der RAF. Horst Mahler zum Beispiel setzte auf die "Befreiungsbewegung der dritten Welt", während Ulrike Meinhof der Meinung war, die politische Situation in der Bundesrepublik als "potentiell revolutionär" interpretieren zu können. Die Konsequenz aus den unterschiedlichen Vorstellungen zielte jedoch darauf ab, dass der bewaffnete Kampf notwendig war.

Ulrike Meinhof kritisierte die Linke, die zwar protestiere, aber die Konsequenz des bewaffneten Kampfes nicht tragen wolle. Das zentrale Element in der Ideologie des Terrorismus sei das "Primat der Praxis". Zitat Ulrike Meinhof: "Was wir machen und gleichzeitig zeigen wollen, das ist: daß bewaffnete Auseinandersetzungen durchführbar sind, daß es möglich ist, Aktionen zu machen, wo wir siegen, und nicht, wo die andere Seite siegt. Und wo natürlich wichtig ist, daß sie uns nicht kriegen, das gehört sozusagen zum Erfolg der Geschichte." Damit erübrige sich, ihrer Auffassung nach, das Nachdenken über die Praxis des Terrorismus.

Im "Konzept der Stadtguerilla" wird betont, dass die RAF "mit diesen Schwätzern, für die sich der antiimperialistische Kampf beim Kaffee- Kränzchen abspielt, nicht zu tun" habe, gerade weil sie ihre "Vorgeschichte als Geschichte der Studentenbewegung" nicht leugne.

Durch die Verhaftung mehrerer wichtiger Leute aus der RAF (1972) erlangte diese Theorie einen höheren Stellenwert als die Praxis. Sie (die Theorie) führte jedoch nicht zu einer "kritischen Handlungsreflexion", sondern sie diente "zur nachträglichen Legitimation terroristischer Praxis" und damit war das "Primat der Praxis" gescheitert.

Das Scheitern der Theorie des bewaffneten Kampfes hat mehrere Ursachen:

  1. Der theoretische Anspruch und dessen Differenz zum realen Leben der Gruppe in der Illegalität war eine Kluft ,
  2. Die Illusion einer revolutionären Situation in der Bundesrepublik besaß keinen Bezug mehr zur wirklichen Situation,
  3. Der Wunsch nach kollektiven Entscheidungen innerhalb der RAF war nicht zu realisieren.

Iring Fetcher benennt sechs Trugschlüsse der RAF:

  1. Die Terroristen seien der Ansicht gewesen, ihre Taten seien legitim, um eine gerechte und freiheitliche Gesellschaftsordnung herbeizuführen.
  2. Die Terroristen nähmen an, man könne der Bevölkerung die Angst vor staatlicher Repression nehmen, die sie bisher angeblich von einer revolutionären Umgestaltung abgehalten hätte. Fetcher meint, das Gegenteil sei der Fall, denn der Staat habe die Aufgabe, seine Bürger vor individueller und kollektiver Gewalt zu schützen. Auch der Umstand, dass Terrorakte bisher nur Politik- und Wirtschaftsführer getroffen hätten, würde die Angst der Bevölkerung nicht mindern. Der Ruf nach Verstärkung der Schutzmacht komme immer dann, wenn neue Terrorakte begangen wurden. Diese Verstärkung der Schutzmacht sei: "die notwendig immer zugleich eine potentielle Unterdrückungsmacht sein muß."
  3. Die Medien würden diesen Ruf nur artikulieren. Dieses Bedürfnis müsse man nicht erst manipulatorisch herbeirufen, denn das Bedürfnis der Bevölkerung nach persönlicher Sicherheit sei sowieso gegeben. Das Ziel des Terrorismus sei die Zerschlagung des "Systems", was sowohl den Kapitalismus als auch die rechtsstaatliche Gesellschaftsordnung meine. Diese Ordnung sei aber, bis auf Ausnahmen, in der Bevölkerung akzeptiert und werde von kaum jemandem in Frage gestellt.
  4. Die kapitalistische Gesellschaftsordnung werde von der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert, da sie ein "relativ hohes Maß an Befriedigung mit Konsumgütern verschafft" und dem Volk Freiräume gebe, die in keinem anderen System gewährleistet würden. Kritik an dieser Ordnung komme nur von Intellektuellen aus dem Bürgertum, da sie von einem "kritischen Maßstab von Freiheit und Gleichheit" ausgingen. Diese Kritik werde jedoch keineswegs von der Bevölkerungsmehrheit geteilt. Der Leistungs- und Konsumwettbewerb sei nur für eine Minderheit entfremdend.
  5. Die Anschläge und Attentate auf das kapitalistische Wirtschaftssystem erinnere ihn an nationalsozialistische Antikapitalisten, die ihre Angriffe gegen das "Finanzkapital" führten. Ökonomische Strukturen könne man jedoch nicht durch die Tötung der Repräsentanten verändern. Man könne die Änderung der Gesellschaft nur mit politischen Mitteln erreichen, indem ihre Strukturen "selbst aufgehoben" werden. Der Trugschluss sei daher, zu denken, sie könnten das "System" ändern, indem sie seine Repräsentanten umbringen. Die Terroristen töten "konkrete" Menschen, die Marx befreien wollte. Daher trieben die Terroristen mit der Marxschen Theorie Missbrauch. Dies sei daher theoretisch falsch.

Befreiungsarmee oder Terroristen?

Als Unterschiede zwischen Terrorismus und Guerilla sind folgende zu nennen: Den Guerilla-Strategien ist gemeinsam, dass sie durch Gewalt unmittelbar versuchen, ihre politisch-militärischen Ziele zu erreichen. Im Gegensatz dazu fehlt dem Terrorismus wegen mangelnder personeller und logistischer Stärke die Unterstützung des Volkes, so dass er nicht in der Lage ist, einen Krieg zu führen. Terroristische Gruppen befinden sich daher im Sinne des Völkerrechts unterhalb eines Status, "wie ihn nach dem allgemeinen Völkerrecht Aufständische innehaben können".

T. Wittke ist der Ansicht, dass der Übergang der RAF von Extremisten zu Terroristen durch die Hinwendung zum "Primat der Praxis" geschah. Man kann daher - in Anlehnung an Wittke - feststellen, dass der Übergang von einer Guerilla-Armee zum Terrorismus durch die falsche Interpretation der Guerilla-Theorie auf bundesdeutsche Verhältnisse bedingt war.

Die völlig falsche und somit fatale Einschätzung, die Bundesrepublik sei ein Unterdrückungssystem, unter dem die Bevölkerung leide, und die daraus resultierende falsche Einschätzung, dass es sich um eine revolutionäre Situation handle, die auch der Bevölkerung bewusst sei, machte die RAF insofern zu Terroristen, als sie vorgab, "lediglich" Repräsentanten dieser Republik zu töten, letztendlich jedoch die Bevölkerung in Angst versetzte. Zudem wollte sie in ihrer Geschichte nie realisieren, dass diese Bevölkerung gar nicht befreit werden wollte. Somit erübrigt sich die Formel der RAF "Dem Volke dienen." Mit dieser fehlenden Unterstützung begann der Übergang der RAF zum Terrorismus.

Der ehemalige RAF-Terrorist Klaus Jünschke sagte 1986 in einem Interviewe dazu folgendes: "Tatsächlich hat uns zu Terroristen gemacht, daß wir für die Freiheit und das Glück aller Menschen Menschen getötet und verletzt haben [...]. Wer gerade in der Nähe war, den hat es erwischt. Damit hatten wir Angst und Schrecken auch in die eigenen Reihen getragen."

Seit der Hochphase des Terrorismus 1977 sagte selbst die Linke, dass die RAF keine politische, sondern nur noch eine kriminelle Ausrichtung habe. "Die Genossen sind zu Killern geworden" - betonte selbst die extreme Linke.

Faschismusvorwurf der RAF

Die RAF begründete ihren Terrorismus vor allem dadurch, dass sie Anzeichen dafür sah, die Bundesrepublik sei auf dem Weg, ein faschistisches Land zu werden. Zwar legitimierte sie ihren Kampf damit, den Imperialismus bekämpfen zu wollen, doch ist es wichtig, voranzustellen, dass sie den Imperialismus als eine Vorstufe zum Faschismus interpretierte. Deswegen soll zunächst auf ihren Faschismusvorwurf eingegangen werden, bevor ihre daraus resultierende Legitimität dargestellt wird.

Dem politischen System der Bundesrepublik sprach die RAF seine demokratische Legitimität ab, weil es alte und neu entstandene faschistische Strukturen aufweise. Grundsätzlich würde es sich bei jeder Gesellschaftsform, in der das Kapital über die Produktionsmittel herrsche, um einen präfaschistischen Staat handeln. Die Vorstellung der RAF lautete diesbezüglich, dass ein solcher Staat durch Krisen zwangsläufig auf eine faschistische Struktur zusteuere. Empirisch ließe sich dieses dadurch nachweisen, dass nach dem Ende des Nationalsozialismus, eine "Säuberung" von Funktionsträgern des NS-Regimes, nicht stattgefunden habe. Zudem sei eine allgegenwärtig zu spürende "politische Repression" in der Bundesrepublik vorhanden, die sie am eigenen Leib durch polizeiliche Verfolgung erfahren habe. Im Laufe der folgenden Jahre nahm die RAF immer wieder Bezug auf ihren Faschismusvorwurf, der bald eine "Eigendynamik" aufwies.

Als Beispiel sei das Bekennerschreiben der RAF nach dem Anschlag auf den Staatssekretär im Innenministerium Hans Neusel im Jahr 1990 genannt, in dem die RAF schrieb: "Neusel verkörpert - wenn auch nur indirekt - die personelle Kontinuität des deutschen Faschismus vom 3. Reich zum Großdeutschland, das auf das 4. Reich zusteuert. [...] Gegenüber der internationalen Entwicklung, aber gerade auch gegenüber dem faschistischen Durchmarsch und Aufschwingen der BRD zur neuen großdeutschen Weltmacht... [...] Der dritte Überfall, den das deutsche Kapital in diesem Jahrhundert auf die Völker Europas führt, wird nicht mit militärischen Mitteln, sondern mit den Mittel der Wirtschaft und Politik geführt."

O. Tolmeins Interpretation dieses Sachverhalts: "Nun läßt sich personelle Identität nicht indirekt verkörpern - es wäre dann eine politische Kontinuität, die zu behaupten aber die RAF zu vorsichtig ist. Deswegen schreibt die Gruppe nicht einfach vom 4. Reich, sondern vom 4. Reich, auf das zugesteuert wird."

Ferner gab die Tatsache, dass ihre Elterngeneration die Geschichte des Nationalsozialismus nur unzureichend aufgearbeitet hat, der RAF für ihren Terrorismus Anlass. Ihr Wille, die Fehler ihrer Elterngeneration (mangelnder Widerstand während der NS-Zeit) nicht zu wiederholen, gipfelte im Faschismusvorwurf gegenüber der Bundesrepublik , der sich durch eine genauere empirische Untersuchung als falsch erwiesen hätte. Jedoch legte auch die RAF an der konkreten Aufarbeitung der Geschichte ein "bemerkenswertes Desinteresse" an den Tag.

Fortsetzung folgt.
24.10.2003
© BurkS

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