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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
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BeitragVerfasst am: 22.09.2003, 23:44 Antworten mit ZitatNach oben




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DOSSIER TEIL 2

Kinderpornografie im Internet - die Geschichte eines Medien-Hypes

Von Burkhard Schröder


Wie das Thema "Pornografie im Internet" in der US-amerikanischen Politik behandelt wurde, findet seine Parallele in Deutschland. Der Artikel der Time schlug Wellen bis nach Europa. Heimo Ponnath schrieb 1996 in in'side online: "Und so erschienen auch in Deutschland viele triefende Seiten zum vermeintlichen Pornosumpf des Internet - meist unter kritikloser Übernahme der Times-Aussagen." In Deutschland diskutierte die Öffentlichkeit wenig später aber nicht über "Pornografie", sondern über "Kinderpornografie", die in der Geschichte der Time so gut wie keine Rolle spielt. Auch hier kann man eine Parallele zwische dem öffentlichen Diskurs und politischen Entscheidungsprozessen beobachten, unter anderem den parlamentarischen Beratungen zum Informations- und Kommunikations-Gesetz (IuKDG), das im Juni 1997 verabschiedet wurde und sich unter anderem mit der Verantwortung von Providern für transportierte Inhalte beschäftigt.

Parallel zur Diskussion um das IuKDG verlief der Fall CompuServe. Am 22. November 1995 durchsuchte die Polizei den Firmensitz des Internet-Providers Compuserve in Unterhaching. Bei einem Oberstaatsanwalt beim Landgericht München I war eine Anzeige des Polizeipräsidiums gegen die Verantwortlichen von Compuserve eingegangen, diese verbreiteten angeblich kinderpornografische Schriften. Wegen dieses Verdachts wurde ein Ermittlungsverfahren eröffnet. Ein Beschluss folgte, die Geschäftsräume der Firma zu durchsuchen. Der Geschäftsführer Felix Somm erklärte sofort, man sei kooperativ und werde die betreffenden Diskussionsforen (Newsgroups) nicht mehr anbieten. Das Polizeipräsidium übergab Compuserve dann eine Liste von rund 250 "verdächtiger" Gruppen; welche tatsächlich Verbotenes enthielten, blieb Compuserve zu entscheiden. Weil die Information über die potentiellen "Tatorte" bei der Firma ab jetzt vorlag, musste diese handeln. Nach Lage des Gesetzes war ein Online-Dienst für Inhalte verantwortlich, wenn er sie wissentlich und willentlich verbreite. Ob dieser Fall zutraf, darum ging es in der darauf folgenden öffentlichen Debatte: Verbreitet ein Briefkasten oder ein Postbote strafwürdige Dinge, wenn diese auf Postkarten regulär verschickt werden? Muss die Post jeden Brief und jede Postkarte lesen und prüfen, bevor sie sie an den Empfänger aushändigt?

Die Aktion gegen Compuserve erzeugte ein gewaltiges Medienecho, weil die US-amerikanische Mutterfirma viele Newsgroups für alle Kunden weltweit aus Vorsicht sperrte, auch wenn dort nur über harmlose Dinge diskutiert wurde. Ein Jugendlicher, der sich schlicht über "Sex" aufklären wollte, war als Kunde von Compuserve gezwungen, die Dienste anderer Unternehmen in Anspruch zu nehmen. Die von Compuserve auf den Index gestellten Stichworte wie "erotica", "gay" und ";lesbian" sperrten viele Selbsthilfegruppen und Initiativen aus dem "Cyberspace" , die sich um sexuelle Aufklärung bemühten. Die Newsgroup alt.sexy.bald.captains - für Fans der Filmserie Raumschiff Enterprise geriet auf den Index, jedoch blieben Foren mit einschlägigen Titeln wie alt.binaries.pictures.cocks (Bilder männlicher Geschlechtsteile) oder alt.binaries.nospam.analfem (Analverkehr mit Frauen) offen zugänglich. In Amerika hagelte es Proteste, so dass das Unternehmen wenig später beinahe alle Newsgroups wieder öffnete. In San Francisco verbrannten mehrere hundert Menschen symbolisch ein Transparent mit dem Schriftzug first amendment. Dieser Zusatz der US-Verfassung verbietet in den USA dem Kongress, also der Regierung, Gesetze zu erlassen, die die Meinungsfreiheit einengen. In Washington beschwerten sich binnen eines Tages 18.000 Surfer per Telefon und Fax bei den zuständigen Politikern.

Die damalige Situation ist, was das öffentlich Echo angeht, immer noch aktuell und bezeichnend: In den USA ist Zensur - wie weit oder eng man den Begriffauch fasst - negativ besetzt. Wer sie versucht, etwa im Namen des Jugendschutzes, bekommt erheblichen öffentlichen Gegenwind. Die Anwälte von Bürgerrechtsorganisationen wie zum Beispiel der die American Civil Liberties Union (ACLU) klagen gegen jeden, der das Recht der freien Meinung beschneiden will - und gewinnen fast immer. In Deutschland hingegen gibt es keine politisch ernst zu nehmende Lobby, der es gelänge, Zensur als Angriff auf die Grundwerte der Demokratie zu geisseln. Zensur, wenn es gegen das jeweils Böse geht, gilt als opportun. Nicht die Befürworter von Zensur müssen sich moralisch rechtfertigen, sondern die Gegner von Verboten. Die Gründe für diese kulturellen Traditionen können nur aus der jeweilien Geschicht erklärt werden: Deutschland ist das Land des Obrigkeitsstaates im Bösen wie im Guten par excellence. Der öffentliche Diskurs in Deutschland ist weniger kontrovers, eher kommunitär und fordert viel eher einen moralischen Konsens der Individuen ein als in den USA: Dass der Staat gegen das jeweils Böse hart durchgreifen soll, gehört zur argumentativen Standardausrüstung jedes Politikers, ungeachtet der politischen Couleur.

Deshalb entrüstete sich die Presse in Deutschland zwar, als gegen Felix Somm, den Geschäftsführer von Compuserve, entgegen aller Erwartungen im Mai 1998 ein Prozess eröffnet wurde, und als dieser zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe in Höhe von 100000 Mark verurteilt wurde. Das Amtsgericht hielt Somm für schuldig, weil er deutschen Kunden den Zugang zu Datenspeichern in den USA ermöglicht habe, auf denen auch strafbare Inhalte gespeichert waren. Doch ernsthaft stellt niemand ein Verbot, bestimmte Inhalte im Internet zu sehen, in Frage. Man war sich nur einig, dass das "Internet" zu chaotisch sei, um die typisch deutschen Durchführungsbestimmungen und Ausführungsverordnungen weltweit durchzusetzen und dass ein Provider wie Compuserve nicht für die transportierten Inhalte verantwortlich gemacht werden könne. Obwohl der deutsche Firmensitz der Anlass für die weltweite Sperre gegeben hatte, gab es keine auch nur annähernd vergleichbare politische Proteste.

Im November 1999 wurde Felix Somm im Revisionsverfahren freigesprochen. Sowohl die Verteidigung als auch die Staatsanwaltschaft hatten Berufung zu Gunsten Somms eingelegt. Selbst die Staatsanwaltschaft beantragte endlich Freispuch, den Angeklagten treffe "keine persönliche Schuld", vor allem, weil der Geschäftsführer des deutschen Zweisitzes der Firma Compuserve nur den Zugang zur amerikanischen Muttergesellschaft vermittelt habe.

Wenn man diesen Aspekt des Urteils interpretiert hiesse das: wenn Compuserve eine deutsche Firma gewesen wäre, wäre das Urteil anders ausgefallen - zuungunsten des Angeklagten. In diese Richtung geht auch der Kommentar Frank Sarfelds, des (damaligen) Pressesprechers von AOL (das Compuserve mittlerweile übernommen hatte) nach dem Freispruch: "AOL und CompuServe haben deshalb bereits vor einigen Jahren mit der so genannten Kindersicherung ihren Mitgliedern eine technisch ausgereifte Software zur Verfügung gestellt." Kunden sei es möglich, "verschiedene Inhalte des Internets auszublenden." Das Unternehmen werde "auch weiterhin zusammen dafür sorgen, dass die Gesetze gegen Kinderpornografie und andere kriminelle Aktivitäten eingehalten und umgesetzt werden."

Niemand stelle in Frage, dass es möglich und wünschenswert sei, bestimmte Inhalte des "Internet" zu zensieren, obwohl dieser Wunsch technisch und auch (medien)politisch äusserst strittig ist. Obwohl es bei dem Verfahren gegen Felix Somm ausschliesslich um Diskussionforen ging, die mit dem World Wide Web nichts zu tun hatten, wird der Trend des diskursiven Mainstreams bis heute deutlich: "Pornografie" wird durch "Kinderpornografie" ersetzt, das Usenet - pars pro toto - durch das "Internet". "Sicher ist nur", résumiert Thilo Machotta - und das ist für das Thema Jugendschutz die wichtigste Aussage - [color=brown]"dass durch die Berichterstattung zur CompuServe-Anklage über Jahre hinweg die Themen Internet und (Kinder)Pornographie miteinander verquickt wurden."

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BURKS ONLINE 22.09.2003
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