burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
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Verfasst am:
19.09.2003, 00:44 |
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"Wer sich aus dem rechten Milieu zurückziehen will, braucht Mut: "Verräterschweine" werden von ehemaligen Kameraden brutal drangsaliert. Hilfe bieten Aussteigerprogramme." So beginnen meinungsstarke Geschichten zum Thema "Rechtsextremismus". Boshafte Menschen sagen: mit Journalismus hat das nichts zu tun. Journalismus hiesse: man hat recherchiert. Liebe wohlwollende Kolleginnen und geneigte Kollegen der Medienbranche: Recherche bedeutet nicht, Sprechblasen aneinanderzureihen, die eine vermeintlich moralisch hochwertige Parabel erzählen wollen.
Um das zu verdeutlichen: Wer sich aus dem rechten Milieu zurückziehen will, braucht keinen Mut. Eine "brutale Drangsalierung", die angeblich Aussteiger träfe, ist ein alter Medienhoax - früher sagte man: eine Zeitungsente. "Aussteigerprogramme" bieten keine Hilfe, jedenfalls so lange nicht, bis es bewiesen wird. Ein Beweis ist nicht, wenn ein Polizeisprecher oder ein Verfassungsschützer behauptet, das es so sei, wie sie behaupten. Wer nicht zu Beginn einer Reportage bereit ist, die Guten gnadenlos in die Pfanne zu hauen, wenn es denn angebracht ist, ist nicht objektiv. Und dem Habitus der Süddeutschen sieht man es in diesem Fall auf zehn Meter Entferung an: man möchte gern das Gute, Schöne und Wahre fördern. Leider verwechselt man das irrig mit "Aussteigerprogrammen".
Die Süddeutsche, von der man in der Regel seriöse Recherche erwartet, käut eine der verbreitetsten urban legends über die kackbraune Szene wider: Es gebe eine relevante Zahl von Neonazis, die von "von eigens geschulten Beratern" der Schlapphut-Behörde ideologisch hätten beeinflusst werden können. Das ist selbstredend Unfug und noch nicht einmal gut erfunden. Und schädlich dazu: jeder Neonazi wird seinen kackbraunen Gesinnungsgenossen beim nächsten Kameradschaftsreffen glaubwürdig versichern können, dass jemand, der durch ein paar Gespräche, wenn sie denn überhaupt stattgefunden haben (ich bezweifele das), seine Weltanschauung änderte, ohnehin nicht ernst zu nehmen wäre.
"33 dieser Männer und Frauen haben sich nach Angaben des bayerischen Innenministeriums tatsächlich von der Szene gelöst. Zudem wurde ein Hinweistelefon (0180/2000786) geschaltet, bei dem sich Ausstiegswillige melden können. Die Hotline nutzten inzwischen etwa 150 Personen." Nach Angaben! Und wer soll das glauben? Dass der Verfassungsschutz lügt wie gedruckt, verstehen selbst Kinder. "Sich von der Szene" lösen - das bedeutet einen langwierigen, sich über mehrere Jahre hinziehenden Prozess der inneren Umkehr, als dessen Ergebnis auch die Einsicht stehen muss, warum man überhaupt Rassist und Antisemit geworden ist.
Derartige faktenfreie Berichte halte ich für politisch ausserordentlich gefährlich. Sie gehen der Propaganda der militanten Neonazi-Szene auf den Leim, pflegen die alarmistische Attitude und lassen das Publikum ratlos zurück. Was lehrt uns das? Die tun was? Der kulturpessimistische Komparativ in Permanenz: Neonazis immer gefährlicher?! Die Welt immer schlechter?! Die Bösen immer böser?!
Wes Geistes Kind der Kollege Heribart Prantl von der Süddeutschen ist, beweist das kommentierende leider: "Die gewalttätige rechte Szene hat gelernt - auch aus den Erkenntnissen des leider gescheiterten NPD-Verbots. Man hat erfahren, wie stark von V-Leuten durchsetzt die Szene war und daraus die Konsequenzen gezogen: Rückzug in autonome Gruppen, Abschottung, massive Militarisierung. Die braune Szene ist todgefährlich." Meldendurchführenverbieten also. Und wieso leider? Das klingt wie eine verbale Lichterkette, der man sich anschliessen muss, weil der gruppendynamische Druck der Gesichtzeiger und gut Meinenden zu stark ist. Glücklicherweise ist das NPD-Verbot gescheitert! Es bietet die Chance, dass endlich weniger über die bösen Nazis und die guten Aussteiger phantasiert, sondern über über den Rassismus und Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft diskutiert wird, der das kackbraune Milieu erst hervorbringt.
Abbildungen von Indymedia. Quizfrage: wie viele jugendiche Skinheads erkennen Sie?
19.09.2003
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