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 [Mythos RAF 4] Wenn Terror Pop wird Nächstes Thema anzeigen
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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
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Wohnort: Berlin-Neukoelln

BeitragVerfasst am: 29.08.2003, 23:20 Antworten mit ZitatNach oben

Die RAF-Ausstellung hat noch kein Konzept, wann, wie und ob sie stattfindet, steht in den Sternen. Aber ihr Ziel hat sie jetzt schon erreicht: der Sturm des Pro und Kontra, angefacht durch die üblichen verdächtigen pressure groups, beweist, dass ein öffentlicher Streit über die jüngste Vergangenheit der Bundesrepublik bitter nötig ist. Ein Argument gewinnt immer mehr an Gewicht: jede Generation muss sich ihre eigene Vergangenheit neu aneignen. Für viele junge Leute ist die "Stadtguerilla", womit in Deutschland vor allem der Terror der "Roten Armee Fraktion" und der "Bewegung 2. Juni" gemeint ist, Teil einer unpolitischen Popkultur, ihres eigentlichen Inhaltes so entkleidet wie ein Che Guevara-Poster.

Wenn Terror Pop wird, ist die Ursache immer auch eine öffentliche Sprachlosigkeit. Popkultur ist Politik mit anderen Mitteln. Es gibt wohl kaum eine Epoche der deutschen Nachkriegsgeschichte, die die Gesellschaft und ihre politischen Lager mehr bewegt, ja durchgeschüttelt hat als die Zeit der politischen Morde von "links". Zahlreiche Gesetze wurden damals geändert, sind aber heute noch gültig. Das böse Wort der "Sondergesetze" steht im Raum. Der heutige Innenminister Otto Schily, damals auf der "anderen Seite", kann davon ein langes Lied singen. Trotzdem gibt es ausser dem Buch Stefan Austs "Der Baader-Meinhof-Komplex" kaum ein ernst zunehmendes Werk, das den Nachgeborenen die damalige Zeit erläutert. Ganz im Gegenteil: zur "Roten Armee Fraktion" greifen immer mehr Verschwörungstheorien um sich. Das wirre Machwerk Stefan Wisnewskis "Das RAF-Phantom", suggeriert, die zweite und dritte Generation der RAF hätte nicht existiert und/oder sei eine Erfindung der Geheimdienste und anderer finsterer Kreise. Und in den sektiererischen Fraktionen der noch in Restbeständen vorhandenen Linken kursiert unausrottbar die Mär, die Kader der RAF seien in Stammheim ermordet worden. Wer antwortet heute auf die Frage, warum Anschläge, für die die RAF vermutlich verantwortlich war, bis heute nicht aufgeklärt worden sind?

Die Halb- und Unwahrheiten, die über die RAF im Umlauf sind und durch diverse filmische, aber fiktive Adaptionen gefördert wurden, können weder im Interesse der Opfer des Terrors sein noch nützen sie der staatsbürgerlichen Aufklärung. Die so heftig kritisierten Macher der Ausstellung hatten eine gute Idee: nicht die RAF sollte diskutiert werden, sondern ihr Mythos. Dieses Konzept berücksichtigt das heutige Medienverhalten vor allem Jugendlicher: Filme als Teil der Popkultur können das Bild der Geschichte mehr beeinflussen als das - womöglich in der Schule gelernte - Wissen über historische Fakten. Man darf vermuten, dass Jerry Bruckheimers filmische Version des japanischen Überfalls auf Pearl Habour US-amerikanische Schüler und ihr Bild des 2. Weltkriegs mehr geprägt hat als ein wissenschaftliches Buch das je gekonnt hätte. Aber leider erzählt ein Spielfim nicht die historische Wahrheit. "Baader" von Christopher Roth nimmt auf historische Tatsachen wenig Rücksicht, wie auch "Die Stille nach dem Schuss" Volker Schlöndorffs. Die Filme prägen aber das Geschichtsbild derjenigen, die sich nur flüchtig mit dem Thema beschäftigen. Die Realität, wie sie wahrgenommen wird, nähert sich der Popkultur - nicht umgekehrt. Warum sonst gibt es Propagandafilme?

Gerade deshalb muss eine Ausstellung über die RAF diese Mythen zertrümmern. Natürlich ist das Thema immer noch ein Minenfeld, auf dem die Geister der weltanschaulichen Schlachten der siebziger Jahre orientierungslos herumirren und ab und zu Laut geben. "Staatspolitisch gefährlicher Unfug", zitiert Bettina Röhl die Stimmen der Opfer, die Macher der Ausstellung seien die Falschen. Röhl versteigt sich zu medizinischen Indikationen wie "kranke, hybride Schübe", die sie der RAF unterschiebt. Auch diese Diktion dokumentiert Hilf- und Sprachlosigkeit und verzichtet auf politische Argumentation. Das große Ganze, hinter dem schon einmal die Partikularinteressen der Opfer zurücktreten mussten - mit fürchterlichen Folgen -, hat bei diesem Thema nichts zu suchen, und ist ohnehin nicht mehr als die Summe der Teile -, dem, was jeder Einzelne heute an moralischen und politischen Konsequenzen aus dem Terror der RAF zieht.

Alle diejenigen, die gar keine Ausstellung wollen, perpetuieren das, was Teil des Nährbodens politischer Gewalt in den späten Sechzigern war: man schweigt über die Vergangenheit. Die RAF war nicht die logische Konsequenz der deuschen Nachkriegsgeschichte, aber eines ihrer Symptome. Die RAF war der Schatten, den das Licht des Wirtschaftswunders warf und der genauso so finster war wie die verdrängte Nazi-Vergangenheit. Wie schnell politische Irrtümer in Deutschland über Leichen gehen und mit welche menschenverachtende Ideen sich Leute kostümieren, wenn es denn darum geht, andere zum vermeintlich Guten zu zwingen, lässt sich kaum besser dokumentieren als am Beispiel der "Studentenbewegung", die, so glaubte sie, mit der Weltrevolution schwanger ging, aber ein Monstrum gebar. Terror, und das ist hochaktuell, sei immer ein Zeichen der Niederlage der Idee. Das resumiert Gilles Kepel im "Schwarzbuch des Dschihad" über den islamisch verkleideten Terror im Gefolge des 11. Septembers. Der Terror der RAF war das Fanal der endgültigen politische Niederlage der Studentenbewegung.

Eine Ausstellung ist dann gut, wenn sich alle in die Haare bekommen und unabhängig von ihr streiten. Eine Ausstellung über den "Mythos RAF" soll diesen Streit fördern - mehr kann sie ohnehin nicht. Der popkulturelle Mythos, der gerade erst entsteht, muss Thema sein und werden, damit die Auseinandersetzung über die schreckliche Idee, vorgeblich politische Zeile durch physischen Terror durchzusetzen, in Gang kommt. Und vielleicht endlich politisch über die RAF und die Folgen diskutiert wird.

30.08.2003
© BurkS

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