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 [Neuapostolische Kirche] Unter Aposteln 1 Nächstes Thema anzeigen
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burks
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Anmeldungsdatum: 07.10.2002
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BeitragVerfasst am: 16.08.2003, 10:21 Antworten mit ZitatNach oben

Unter Aposteln 1

"Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre, auch nicht, dass sie sich über den Mann erhebe, sondern sie sei stille.? (1 Timoteus 2, 12)

"Wir sind kein Geheimbund!? verrät der freundliche Herr der Neuapostolischen Kirche am Telefon. "Aber wir haben noch nie einem Journalisten über uns Auskunft gegeben und werden das auch in Zukunft nicht tun. Auf Wiederhören."

"Klick" macht es, und ich stehe etwas dumm da. Dabei hatte ich nur ganz harmlos um einen Gesprächstremin gebeten, um mich über Mitgliederzahlen und Organisationsforum der drittgrössten Kirche Deutschlands aufklären zu lassen. Insgeheim hoffte ich ? bei entsprechender Aufgeschlossenheit ? die Geschlechterthematik und andere theologische Feinheiten diskutieren zu können. Ich plante sogar zu fragen, warum die neuapostolischen Prediger wie ihre freimaurerischen Männergruppen Brüder unter sich bleiben wollen.

Ich werde neugierig, zumal meine Recherchen in gewöhnlich über diese Dinge gut unterrichteten Kreisen schnell ins Stocken geraten. Niemand weiß Genaues über die Religionsgemeinschaft, die immerhin weltweit über vier Millionen Mitglieder haben soll. Selbst der für Sekten zuständige evangelische Pfarrer zuckt etwas resigniert mit den Achseln. "Die sind schlimmer als Jehovas Zeugen!" winkt ein Herr aus dem Vorstand der Arbeitsgemeinschaft der Kirchen und Religionsgemeinschaften ab". "Bei uns arbeiten alle mit, Juden, Christen, Muslims, nur die nicht. Spioniert hat bei denen noch niemand, sonst gäbe es entsprechende Veröffentlichungen."

Ausser wenigen, meist allgemein gehaltenen Artikeln und Zeitschriften finde ich rein gar nichts. Mehr Glück habe ich bei Mundpropaganda. Eine Frau ruft mich an, fragt schüchtern, ob ich derjenige sei, der sich für die Neuapostolische Kirche interessiere. In Hessen, so eröffnet mir die Dame, die ihren Namen "um Gottes willen" nicht genannt haben will, streite sich ein hoher Funktionär, einer der Apostel, mit den Kirchenoberen. Dieser Apostel gründe soeben eine neue Sekte mit Namen Knäblein. Eine komische Bezeichnung, wundere ich mich. Sie habe das so gehört, meint die Informantin.

Alle neuapostolischen Amtsträger sind Männer, vom Türsteher, meistens einem Diakon, der die Gemeindemitglieder identifiziert und sie begrüßt, bis zum höchsten Prediger, dem ? so die kirecheninterne Sprachregelung ? Stammapostel. Dazwischen gibt es, wie bei der Feuerwehr oder beim Militär, feine und feinste Abstufungen. Zwischen einem Evangelisten und einem Bezirksevangelisten klaffen Abgründe. und ein Unterdiakon trägt bei weitem nicht so schwer an der Bürde der geistlichen Verantwortung wie ein Diakon. Priester vollziehen den normalen christliche Initiationsritus, die Taufe, und predigen vor mehr oder minder vergriffenen Gemeinden. Den Aposteln, die ihr Gehalt von der Kirche beziehen, sind die höheren Einweihungsrituale vorbehalten. Dazu gehören eine Art Wiedertaufe, unverzeichtbar für messianisch durchwehten Sekten, genannt Versiegelung und die Aussonderung der Brüder zu tieferen und höheren Weihen, der Aufnahme in den Männerbund.

Gerangel um Ruhm und Ehre, um geistige, geistliche und nicht zuletzt finanzielle Macht gab es in der gut hundertjährigen Kirchengeschichte häufig. Für eine Religionsgemeinschaft dieses Alters und dieser Größenordnung dürfte die Neuapostolische Kirche sogar den Rekord an Abspaltungen halten.1). Freunde, die jemanden kennen, der jemanden kennt, empfehlen mich einer gläubigen neuapostolischen Familie in Wiesbaden. Dort sei das Zentrum der Revolte, sagt man mir, und meine Gesprächsparnter verlangen ausnahmslos: "Nennen sie nur meinen Namen nicht!"

Das kann ja heiter werden. Sonntag früh um acht Uhr ? eine für mich unchristliche Zeit ? sitze ich schon am Frühstückstisch und falte schlaftrunken die Hände zum Tischgebet. In diesem Zustand bin ich dankbar, dass ich als frommer Beter die Augen schliessen soll und muss. Der Herr des Hauses, ein quirliger, kleiner Mann mit lebhaften Augen. lichtem Haar und schwieligen Arbeiterhänden, dankt dem HERRN für alles, was es so auf der Welt gibt. Früher war er Priester, hat aber dieses Laienpredigeramt auf Grund der Ereignisse, die mich interessieren, freiwillig abgegeben.

Man eröffnet mir, dem "Bruder" aus Berlin zunächst, das Gerücht von der Sektengründung sei eine böswillige Verleumdung, von interessierter Seite in die Welt gesetzt, um ihren früheren Apostel R. zu diskreditieren. Der sei zwar aller kirchlichen Ämter enthoben und mit ihm viele seiner Mitbrüder, besuche aber treu und brav, wie es sich für einen neuapostolischen Gläubigen zieme, drei Mal in der Woche die Gottesdienste. Er beharre jedoch darauf, dass der himmlische Vater, der bekanntlich im Regimente sitze, dem brüderlichen Intrigenspiel ein Ende bereite. Warum schwingt der Mann nicht wie Jesus den Kälberstrick im Tempel, anstatt passiven Widerstand gegen brüderliche Intrigen zu leisten? "Unser Apostel ist kein Rebell!" versichert mein Gastgeber. Wie schade, denke ich insgeheim, möchte ihn aber kennenlernen. Meine "Glaubensgeschwister" versprechen, ein Treffen zu arrangieren. Doch vor dieses Treffen hat das christliche höhere Wesen den Kirchgang gesetzt.

Meine Aufmachung für die fromme Expedition besteht aus: schwarzem Anzug, schwarzen Schuhen, dunklen Socken, weißem Hemd, gestreifter Krawatte in harmonischen Farben, an den Kopf gepresster Frisur und einem Gesangbuch, ausgeliehen von einer Frau, die der Gemeinde den Rücken gekehrt hat. Das Gesangbuch ist ein wichtiges Utensil, um nicht gleich als Fremder aufzufallen, denn sämtliches Schrifttum, das die Neuapostolische Kirche herausgibt, ist nur Mitgliedern zugänglich und wird, wie das Zentralorgan Unsere Familie, von den Brüdern persönlich ausgehändigt.

So ausgerüstet, betrete ich das schmucklose Kirchengebäude, über dessen Eingang ein Kreuz mit aufgehender Sonne hängt, das Smbol der christlichen Kirche unter dem römischen Kaiser Konstantin.
An der Tür schüttelt ein junger Mann, fast wie ich gekleidet, nur mit schwarzem Schlips und ohne Brille, jedem die Hand. "Der Sohn des Bischofs", flüstert mein Bgeleiter, "der will noch Karriere machen, aber lassen Sie sich nicht einschüchtern." Als ich an der Reihe bin, begrüsst er mich mit einem "Herzlich willkommen", hakt aber nach, woher ich denn sei? Ich gebe mich als Bruder aus Berlin zu erkennen. Und wo sei meine Legitimation? Das ist fatal. So etwas führe ich nicht bei mir. Das Problem ist nicht, die Kirche zu betreten, denn das darf mir von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht verwehrt werden. Ausnahmen wären nur die Fälle Hostienraub, Demontage heiliger Gegenstände und physische Angriffe auf friedliche Beter. Ich will aber die gesamten Riten und Zeremonien miterleben, insbesondere das Abendmahl. Also bleibe ich hartnäckig und verweise den Bischofssohn auf meine Vergesslichkeit. Weitere Geschwister drängen nach, und der freundliche Zerberus lässt von mir ab.

Durch ein Spalier von Amtsträgern, zu erkennen am uniformierten Aufzug, die die Eintretenden unauffällig mustern, gehe ich gemessenen Schrittes durch den Voraum. Das Gesangbuch festhaltend und verbindlich lächelnd, betrete ich das Allerheiligste. Unter Brüdern hörte ich vorher den Spott, das Allerheiligste sei nicht der Kirchenraum, sondern das kleine Nebenzimmer für die Ämter, in dem sich die predigende Männergruppe vor und nach der Veranstaltung versammelt., in christlicher Weise kurz meditiert und am Schluss das eingegangene Geld zählt.

Nur knapp hundert Gläubige verharren regunslos im Saal, der mindestens 800 Personen Platz bietet. Das ist ungewöhnlich, denn die Neuapostolische Kirche ist dafür bekannt, dass fast alle Mitglieder, die Brüder sogar ausnahmlos, regelmäßig die religiösen Termine wahrnehmen. Eine Orgel dominiert die Wand hinter dem wuchtigen und ausladenden Altar. Blumen erfreuen auch die Herzen der Ungläubigen, und in den blitzenden Kelchen dürftensich Lebensmittel zur Stärkung der Gemeinde befinden. Eine Empore überspannt das Kirchenschiff in schwungvollem Bogen, aber oben sitzt niemand.

Das sei früher nicht so gewesen, wird mir zugeflüstert. Die Kirche wäre zum Bersten voll, wenn nicht der Aposteln des Amte enthoben worden wäre. Selbst der Chor, der sich jetzt in dern vorderen Bankreihen fast verliert, habe über 300 Sänger umfasst. Auf ein von mir nicht bemerktes Kommando erhebt sich der Chor und stimmt ein vorbereitendes Liedchen an. Wie für mich bestellt singen die Männer: "Mach mein Wesen sanft und milde, das noch oft so rau und hart!", und die Frauen pflichen dem mit erheblichen Tremolo musikalisch bei.

Ich sitze in einer der hintersten Reihen. Ringsum ältere Männer in dunkelkarierten bis tiefschwarzen Anzügen, alle ordentlich frisiert, die Nacken sind frei und sauber, nirgendwo ein Bartschatten, keinerlei modische Extravaganzen. Mein Informant und Nachbar stößt mich an: "Das sind alles Brüder, die ihrer Ämter enthoben wurden. Über neunzig hatten wir, jetzt sind nur noch dreissig aktiv." Ich bin also umgeben von Ausgestoßenen und Rebellen, was ich gut und aufregend finde, nur sehen die überhaupt nicht so aus.

Der Stein des Anstoßes für die Kirchenleitung betet gerade am linken Ende der Bank vor sich hin: seriöse Brille mit schmalem Goldrand, hohe Stirn,leicht gewellte, streng nach hinten gekämmte Haare ? ein eifernder Patriarch mit flammenden Propheten blick und Rauschebart, wie ich ursprünglich vermutete. Das ist der geschasste Apostel R. Die Gemeinde erhebt sich nun und singt, während drei Brüder im Herrn durch ihre Mitte zur Kultstätte schreiten, aus Leibeskräften: "An des Apostels Hand eil? ich zur Himmelspfort'."
Fortsetzung folgt.

1) Eine ausführliche Zusammenstellung aller Abspaltungen bei Karl Hutten. In Berlin und Brandenburg existiert in mehreren Dutzend Gemeinden das Apostelamt Jesu Christi, das sich aus einem Schisma Anfang des Jahrhunderts entwickelt hat mit ca. 2000 Mitgliedern. In den achtziger Jahren versuchte der Apostel Kuhlen, die diversen Gruppen zu einer Vereinigung Apostolischer Christen zusammenzuschliessen.

Der Text wurde 1987 verfasst und geringfügig geändert. Er erschien zuerst 1988 in meinem Buch Unter Männern.

[[Neuapostolische Kirche] Unter Aposteln 2][[Neuapostolische Kirche] Unter Aposteln 3].




16.08.2003
© BurkS

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