Von Burkhard Schröder

"Kinderpornos und Bilder von Tiersex, Folterung und Nekrophilie werden nicht nur, wie oft kolportiert, von vereinsamten Internet-Nutzern mittleren Alters gesammelt. Neuseeländische Experten fanden heraus, dass jeder vierte Perversling jünger als 20 Jahre ist."
Wenn der Begriff Kinderpornografie auftaucht, schalten sich automatisch die Gehirne aller deutscher JournalistInnen aus. Traurig ist, dass unter dem seriösen Label von Spiegel online ein derartig kritikloser, schlecht recherchierter und, was die suggestive Aussage betrifft, blödsinniger Artikel (mit Verlaub) erscheinen kann. Und vermutlich merkt es wieder keiner.

Seriös wäre es, zunächst darüber aufzukären, um welche "Experten" es sich handelt. Man kann nicht alles haben: aber von einem Nachrichtenmagazin "online" erwarte ich schon einen Link zu der Zensur-Behörde, um die es geht - die CCU. Die censorship and compliance unit ist dem Department of Internal Affairs der neuseeländischen Regierung zugeordnet und hat die Aufgabe, den Handel mit illegaler Pornografie zu überwachen und Straftäter zu überführen, auch undercover. Das heisst: wie in den USA dürfen dort Polizisten mit Kinderpornografie handeln, also als Lockspitzel tätig werden. Die neuseeländische PC World hat darüber einen informativen Artikel publiziert.

Äusserst schlecht recherchiert sind auch die Hintergründe: die Zensur des Internet in Australien, Neuseeland und anderen Ländern unter dem Vorwand, gegen "Kinderpornografie" vorzugehen. Die Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontiers Australia hat gegen die Zensurgesetze heftig protestiert.

Unseriös ist es auch, wenn suggestiv vom Internet gesprochen wird. Man kann davon ausgehen, dass die jungen JournalistInnen, die bei Spiegel online arbeiten, mehrheitlich weder vom Internet Relay Chat etwas gehört haben noch eine Software auf ihren Rechnern haben, um dort zu recherchieren. Tatsache ist, dass das World Wide Web beim Thema "Kinderpornografie" so gut wie keine Rolle spielt.

Die australische Zeitung schreibt: O'Brien estimates internet relay chat (IRC) comprises between 85% and 90% of the inspectors' work. IRC isn't web-based, but uses servers around the world through which people exchange and distribute files much more privately. No wonder paedophiles use it: it's harder to censor. But it's not hard for inspectors to identify where a person is through the server he connects to. Das ist richtig: Das IRC kann man weder kontrollieren noch zensieren, und nur dort - wenn man von verschlüsselten E-Mails absieht - können illegale Dateien getauscht werden. Wer das nicht glaubt, informiere sich beim Bundeskriminalamt: Bodo Meseke, ein früherer Mitarbeiter des BKA, hat in einem Lagebericht klargestellt, dass es beim Thema "illegale Pornografie" fast nur um das IRC geht, nicht um das WWW.

Safer Internet schreibt zum Beispiel: "Dieser Mann betrieb eine Website, die das Zentrum eines internationalen Netzwerks bildete und mindestens 700 Nutzer von Kinderpornografie miteinander verband." Verband? Wie denn? Per FTP mit geheimen Passwort? Illegale Pornografie auf einer Website, und der Domain-Inhaber ist per Whois-Datenbank ganz einfach zu ermitteln?

Und was ist illegal? Sodomie (Zoophilie) als Form der Pornografie ist in Deutschland untersagt, die Handlungen selbst aber - bis auf wenige Ausnahmen - nicht verboten. In den Niederlanden, in Dänemark und in einigen Bundesstaaten der USA ist Sex mit Tieren und dessen Darstellung völlig legal. Pornografie ist auch nicht verboten. Bilder von Folterungen und sexueller Gewalt sind ebensowenig illegal, dürfen in Deutschland Jugendlichen aber nicht zugänglich gemacht werden. Die meisten anderen Länder Europas haben keine Sondergesetze zum "Schutz" der Jugend, was auch immer das bedeuten soll. Alle diese Informationen wünschte ich mir in einem Artikel, wenn es wieder einmal darum geht, wer böse Bilder konsumiert.

Mir sind die Gruppen wie die Ecpat, die das Böse jagen, unheimlich. Mir fällt immer dazu immer nur eine Volksweisheit ein: die grössten Kritiker der Elche waren früher selber welche. Und dass die meisten "Organisationen", die in Deutschland den Kampf gegen "Kinderpornografie im Internet" auf ihre Fahnen geschrieben haben, unseriös sind, kann leicht bewiesen werden, wenn man bereit ist zu recherchieren und nicht das Gehirn aussen vor lässt, sondern sich der Verantwortung vor den wohlwollenden Leserinnen und geneigten Lesern stellt. BTW: wer Perversling schreibt, den nenne ich Schreiberling.

Da dieses kleine Familien- und frauenfreundliche Forum aber auch der Unterhaltung dient, soll nicht nur vom Bösen und Illegalen die Rede sein, zumal heute Sonntag ist, sondern auch von der Schönheit, Anmut und Leichtigkeit des heterosexuellen Seins, wie gewohnt in bildlicher Form.